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Emmeline, jung und hübsch, lebt als Frau des mit Automaten und elektromagnetischen Kunststücken experimentierenden Zauberers Henri Lambert in der französischen Provinz. Als Napoleon III. die Eheleute 1856 an den Pariser Hof ruft und danach nach Algerien schickt, geraten sie ins Zentrum der politischen Macht; denn Lambert soll die Moslems durch seine Zaubertricks von der Überlegenheit der künftigen Kolonisatoren überzeugen. Emmeline hingegen kann diese Art von Betrug nicht akzeptieren...

Produktbeschreibung
Emmeline, jung und hübsch, lebt als Frau des mit Automaten und elektromagnetischen Kunststücken experimentierenden Zauberers Henri Lambert in der französischen Provinz.
Als Napoleon III. die Eheleute 1856 an den Pariser Hof ruft und danach nach Algerien schickt, geraten sie ins Zentrum der politischen Macht; denn Lambert soll die Moslems durch seine Zaubertricks von der Überlegenheit der künftigen Kolonisatoren überzeugen. Emmeline hingegen kann diese Art von Betrug nicht akzeptieren...
Autorenporträt
Brian Moore wurde 1921 in Belfast geboren. Er wollte nicht in einem Büro in Belfast alt werden und wanderte 1948 aus. In Montreal fing er als Büroangestellter an und arbeitete sich zum Korrektor und Reporter hoch. In den Augen seines Vaters, eines katholisch-irischen Chirurgen, hatte Brian Moore doppelt versagt: In seinem Medizinstudium brachte er es zu nichts, und im Zweiten Weltkrieg trug er die Uniform des englischen Ministry of War Transport. Sein erster Roman, Die einsame Passion der Judith Hearne, brachte ihm ein Guggenheim-Stipendium in New York ein, sein Thema, der Einbruch des Unheimlichen ins Alltagsleben, Alfred Hitchcocks Ruf nach Hollywood. Moore schrieb das Drehbuch zu "Der zerrissene Vorhang" und ließ sich in Kalifornien nieder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.1999

Mehr als exotische Tricks
Brian Moore erzählt von der Frau des Zauberers

Die Handlung spielt im Jahre 1856, dem Jahr vor der totalen Unterwerfung Algeriens durch die Franzosen. In der Figurenkonstellation fällt einem Erfinder mechanischer Spielwerke und renommierten Zauberkünstler eine Hauptrolle zu. Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht eine köstliche Narretei. Er wird von Napoleon III. in das besetzte Algerien geschickt, um den aufmuckenden und zum Heiligen Krieg aufgelegten Fürsten des Islam durch seine Zaubertricks Angst einzujagen.

Die Demonstration einer scheinbaren Überlegenheit der westlichen Zivilisation soll den abergläubischen Afrikanern auch die Macht des Christengottes über Allah suggerieren. Aber abgesehen von dieser Erfindung hält sich die Erzählung an die historisch überlieferten Umstände und läuft folgerichtig und glaubhaft ab, als wäre sie selbst eine der beschriebenen mechanischen Spielfiguren.

Erzählt wird aber aus der Perspektive einer Frau, der Gattin des Zauberers. Natürlich wird nicht jeder Satz und jede Szene aus ihrem Blickwinkel entwickelt, aber es werden geschickte und unauffällige Mittel angewendet, um im Leser den Eindruck zu erwecken, daß sich die dichte, bunte, exotische Welt wie eine Zauberblüte aus ihrem Afrika-Erlebnis entfaltet.

In den Anfangspartien am französischen Hof und später in Algerien hat man es mit einer passiven Heldin zu tun, die nur ein Spielzeug der Männer und der höheren Politik zu sein scheint, aber unter der afrikanischen Sonne reift sie zu einer selbstbewußten Frau und handelnden Person heran, die für ihre Überzeugungen ein großes Risiko auf sich zu nehmen imstande ist, in einem Prozeß, den der Leser als notwendiges Romangesetz und psychologische Konsequenz empfindet. In der zweckgerichteten Sphäre nationaler Interessen ist sie die einzige, die ihre autonome Humanität entdeckt und behält. In dem Maß, wie sich diese Selbstwerdung durchsetzt, steigert sich die Spannung bis zum atemberaubenden Finale. Das erotische Abenteuer, auf das dem Leser Lust gemacht wird, bleibt zwar aus, aber was an seine Stelle tritt, ist weit packender.

Daß in einer Epoche, in der jede feste Orientierung erschüttert, der Glaube an ein kohärentes Ich verlorengegangen und sogar die Kausalität durch wissenschaftliche Erkenntnis in Zweifel gezogen ist, auch der Roman seine Form zertrümmern muß, um "modern" zu sein, ist eine Professorenidee. Diese Forderung verkennt die Vielfalt der Literatur und die Multiplizität ihrer Wirkungsmöglichkeiten. Sie ignoriert das Bedürfnis der Leser sowohl nach Unterhaltung als auch Unterweisung. Jedes vollblütige Erzählwerk setzt sich über solche weltfremden Theorien hinweg und erzwingt ihre Neugestaltung.

Aber auf eine andere Weise hat auch dieser Roman, der unentwegt nur erzählt und scheinbar nichts als das Zusichkommen eines Menschen gestaltet, sein Wort zum Zeitgeschehen beizutragen. In dem Konflikt zweier Kulturen spiegelt sich die seit Jahren anhängige Debatte über den Kolonialismus und macht das Buch zum "postkolonialen Roman". Ohne Schwarzweißmalerei werden die Gegensätze zwischen den europäischen Eroberern und der autochthonen Kultur herausgearbeitet, nicht durch gedankliche Analysen, sondern in Bild und Erlebnis. Doch auch hier drängen die Positionen gelegentlich zu zusammenfassenden Aussagen.

Auf der einen Seite sind die französischen Patrioten, die "die Kabylen unterwerfen" wollen, um vorgeblich deren "Land zu zivilisieren" und es zu "einem Bindeglied unseres Imperiums" zu machen, auf der anderen Seite die Einsicht der Zentralgestalt, daß diese Eroberung das "Volk nicht ,zivilisieren' würde, sondern nur noch mehr Forts, mehr Soldaten, mehr Straßen und französische Kolonisten bringen, die vom algerischen Handel und von der Ernte dieses Landes profitieren wollten. Und es würde nur noch mehr Mahdis geben, mehr Kriege, mehr Unterdrückung." Daß dies nicht nur gesagt wird, sondern aus dem Gezeigten hervorgeht, ist eines der Verdienste dieses Romans.

In dieser Sicht enthüllt sich auch die Zauberei, die Algerien betören soll, als aussagekräftiges Zentralsymbol. Sie ist ein Schwindel, der bloße Vorbote des ideologischen Betrugs und der maschinellen Gewaltsamkeit, die ihm folgen werden. Auch hier bewährt sich die Ausgeglichenheit der gesamten Darstellung. Die französische Seite gewinnt an Würde durch den Ernst, die Askese und den Heroismus einzelner ihrer Vertreter, während die unterlegenen Algerier keineswegs nur idealisiert werden. Ihr religiöser Eifer kann zu Heiligkeit, aber auch zu Terrorismus führen. Längst wird dem Leser klar, daß hier nicht nur eine Episode aus der französischen Kolonialzeit geschildert wird, sondern der tragische Zusammenprall von Kräften, der sich in der Menschheitsgeschichte immer wieder ereignet.

Die beiden Eintragungen, die das Buch abschließen, leiten von der fiktionalen Ebene in die historische Wirklichkeit über (die es nach gewissen, ebenfalls "modernen" literaturwissenschaftlichen Theorien gar nicht gibt, aber von denen sehr wohl wahrgenommen wird, die unter ihr zu leiden haben). Die erste verkündet: "Im folgenden Jahr, im Sommer des Jahres 1857 unterwarfen die französischen Armeen die Kabylenstämme und brachten damit die Eroberung Algeriens zum Abschluß." Die zweite meldet die Vollendung des historischen Zyklus: "Im Sommer des Jahres 1962 erklärte Algerien offiziell seine Unabhängigkeit und beendete damit die Anwesenheit der Franzosen in diesem Land." Freilich endet damit nicht auch die Geschichte Algeriens, ebensowenig wie der Autor des Buches behauptet, daß dort plötzlich Friede und Gerechtigkeit ausgebrochen seien. Selbst der beste und gründlichste Roman kann nur eine Wendung der ewigen Spirale beleuchten.

Das handliche Format, die hübsche Gestaltung und die vorzügliche Übersetzung dieses kosmopolitischen Werkes eines lange in Kanada ansässigen Iren, der heute in Kalifornien lebt und über französische Kolonialereignisse des neunzehnten Jahrhunderts fabuliert, machen sein Buch zu einem in jeder Hinsicht ästhetischen Vergnügen. EGON SCHWARZ

Brian Moore: "Die Frau des Zauberers". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. Diogenes Verlag, Zürich 1998. 312 S., geb., 39,- DM.

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"Eine faszinierende Studie über den französischen Kolonialismus in Nordafrika, ein grandioser Emanzipationsroman - und eine Verneigung vor dem Roman, der wohl wie kein anderer diese Gattung nachhaltig geprägt hat: Flauberts Madame Bovary." (Wiener Zeitung) "Ein in jeder Hinsicht ästhetisches Vergnügen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung) "Eine Geschichte voll überraschender Wendungen, opulent zu Beginn, spannend am Schluß, geradlinig erzählt und ungemein sinnlich." (Facts) "Brian Moore wagt den tollkühnen Versuch, Flauberts Meisterwerk wieder auferstehen zu lassen." (Die Welt)