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In der Tat ist das Maskulinum nicht mehr das, was es einmal war. Mit dazu beigetragen haben Luise F. Puschs Analysen und Satiren, von denen die neuesten hier zu finden sind. Aber die Männersprache ist noch keineswegs überwunden. Deshalb nervt Frau zügig weiter, greift um sich und kennt kein Maß. Unter dem Einfluß der Aids-Katastrophe und des Aids-Aktivismus haben sich allerorten die Queer Studies stürmisch entwickelt; Luise F. Pusch hat die Diskussion innerhalb der deutschsprachigen Linguistik mit ihren Beiträgen über Sprache und Homophobie eingeleitet und vorangetrieben.

Produktbeschreibung
In der Tat ist das Maskulinum nicht mehr das, was es einmal war. Mit dazu beigetragen haben Luise F. Puschs Analysen und Satiren, von denen die neuesten hier zu finden sind. Aber die Männersprache ist noch keineswegs überwunden. Deshalb nervt Frau zügig weiter, greift um sich und kennt kein Maß. Unter dem Einfluß der Aids-Katastrophe und des Aids-Aktivismus haben sich allerorten die Queer Studies stürmisch entwickelt; Luise F. Pusch hat die Diskussion innerhalb der deutschsprachigen Linguistik mit ihren Beiträgen über Sprache und Homophobie eingeleitet und vorangetrieben.
Autorenporträt
Luise F. Pusch, geb. 1944, Professorin für Sprachwissenschaft und freie Publizistin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.1999

Kußraub und Hühnermord
Luise F. Pusch und die Frau, die nicht der Rede wert sein soll

Um die feministische Sprachkritik ist es still geworden, seit die Debatte um das neue, von männlich besetzten Gremien ausgebrütete Rechtschreibregelwerk ihr die Schau gestohlen hat. Wobei "ausbrüten" im Zusammenhang mit Männern eine schiefe Metapher ist, wie Luise F. Pusch mit der ihr eigenen Strenge konstatiert. Ergo: Es gibt sie noch, die kämpferische Linguistin, deren Buch "Das Deutsche als Männersprache" in den achtziger Jahren zu den Verkaufsschlagern der "edition suhrkamp" zählte. Seitdem hat so mancher Fisch das Fahrradfahren gelernt, und das Damenprogramm der "Entpatrifizierung des Sprachsystems" vermag keine Massen mehr zu mobilisieren. Trotzdem "nervt frau zügig weiter", wie der Verlag ein wenig uncharmant den neuen Band mit Aufsätzen, Reden und Glossen seiner ehemaligen Bestsellerautorin ankündigt. An ihrer Stelle hätten wir uns den lahm-larmoyanten Titel "Die Frau ist nicht der Rede wert" verbeten. Wenn es schon ein Pusch-Zitat sein sollte, warum nicht "Mein Lieblingskomponist ist Schubert"? Das hätte Rätsel aufgegeben, Aufsehen erregt. "Wer braucht all die Erektionen?" wäre eine prima Alternative gewesen.

Damit ist schon angedeutet, daß die Gründerin des "Clubs der freien Radikalen" in den letzten zehn Jahren keineswegs nur zu sprachgestalterischen Problemen Stellung genommen hat. Der Medienrummel um das Potenzmittel Viagra etwa und die lustlose Reaktion befragter Ehefrauen veranlaßten sie zu volkswirtschaftlichen Erwägungen: "Es scheint also, daß hier mal wieder ein Produkt - Sperma - kraß an der Hauptzielgruppe vorbeiproduziert wird", von der "gewaltigen Restmenge an Erektionen" ganz zu schweigen. Der favorisierte Tonsetzer Schubert, leider ein Mann, wenn auch "vielleicht schwul", kommt nur am Rande vor, aber in einem Text über "Feminismus in der Oper" lernen wir Luise F. Pusch als Musikliebhaberin kennen, die freilich auch hier zu eigenwilliger Theoriebildung neigt: "Die ganze Barockoper ist stimmlich doch heute fest in Frauenhand (wobei ich die Altusse einfach mal mitzähle)."

Während das Schubert-Gedenkjahr 1997 die Autorin nicht zuletzt in ihrer Eigenschaft als "Walkwoman"-Hörerin sehr glücklich machte, durfte der gleichzeitig gefeierte Heinrich Heine froh sein, daß er nicht mehr unter den Lebenden weilte, als sie ihren Festvortrag zum zehnjährigen Jubiläum der Frauenbeauftragten von Goslar hielt. Aus gegebenem Anlaß hatte die Rednerin in der "Harzreise" nachgeschlagen und entdeckt, was der Dichter 1824 notierte: Ein lockenumrahmtes Antlitz war ihm an einem Goslarer Fenster erschienen, "eine süße, durchsichtige Verkörperung von Sommerabendhauch, Mondschein, Nachtigallenlaut und Rosenduft". Heine, lernen wir, betreibt hier "Schönheitsterror und Diskriminierung des Alters, und er degradiert die Frau zum Sex-Objekt". Überdies ließ sich der junge Romantiker zu dem Satz hinreißen: "Ich bin ein Liebhaber von schönen Blumen und Küssen, und was man mir nicht freiwillig gibt, das stehle ich." Darin "erkennt die Frauenbewegung die Blutspur der männlichen Gewalt gegen Frauen, verherrlicht von den Größten unserer Kultur", und wäre das Lockenköpfchen eine Frauenbeauftragte des Landkreises Goslar gewesen, so hätte es "eine saftige Anzeige wegen sexueller Belästigung gesetzt".

Wilhelm Busch, von dem sich bei Bedarf frauenfeindliche Zitate noch ganz anderen Kalibers zusammenstellen ließen, kommt entschieden besser weg. Erstens, weil er "im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen keine Frau in der Ehe verbraucht" hat, und zweitens, weil die Sprachprofessorin einmal von einem "männlichen Fan aus der Heilanstalt" eine Postkarte erhielt, die adressiert war an "Wilhelm Busch, George Bush und Luise F. Pusch", was ihr zu denken gab. Den Rang als Lieblingsschriftsteller seiner Fast-Namensvetterin muß Busch allerdings damit büßen, daß sie uns seine Verse erklärt. Nur ein Beispiel: Witwe Bolte, die sich das von Max und Moritz gemeuchelte Federvieh in die Pfanne haut, "hält unserer eigenen pragmatischen Herzlosigkeit, besonders im Umgang mit den sogenannten Nutztieren, den Spiegel vor". Das schmerzt mehr als die Entlarvung des Sexisten Heine, denn wir erkennen darin die Würgemale einer komiktötenden Gewalt gegen Texte, die Kußraub und Hühnermord zu Kavaliersdelikten degradiert.

Neben solchen Offenbarungen zu Musik und Literatur, neben eher privaten Auskünften zu Herkunft und Einkünften der Autorin, neben den bewährten Sprachglossen und frauenpolitischen Manifesten enthält die neue Pusch-Kollektion reichlich Material zum Thema "homophobische Diskurse", womit die Diskurse einer Öffentlichkeit gemeint sind, die sich vor der Homosexualität fürchtet. Wenn im Gegenzug allen Ernstes die Frage aufgeworfen wird, "ob Heterosexualität überhaupt etwas mit Sexualität zu tun habe", können wir uns eine gewisse Albernheit nicht verkneifen. Besorgt nehmen wir indes zur Kenntnis, daß wir jede Menge Gründe hätten, eine Männerphobie zu entwickeln, weil "eine Frau normalerweise keinen Schritt tut, ohne durch den Mann bedroht zu sein". Warte, warte nur ein Weilchen . . .

Aber es gibt auch gute Nachrichten. "Wir Frauen wußten schon lange", so Luise F. Pusch, "daß wir mit der Feminisierung der Sprache die Menschheit der Menschlichkeit einen Schritt nähergebracht haben." Und das, obwohl der legendäre "Pusch-Vorschlag" zur Neuregelung des Deutschen ("Birgit ist eine gute Student, ihre Professor ist sehr zufrieden mit ihr") noch immer seiner - ihrer? - Verwirklichung harrt. Selbst für den neuen Duden findet die streitbare Sprachpflegerin ein Wort des Lobes, weil er "unter dem Druck massiver weiblicher Proteste der letzten zwanzig Jahre" so manchem Maskulinum das Femininum beigesellt hat. Hingegen hält sie es für nebensächlich, ob Männer nun "potentielle" oder "potenzielle" Vergewaltiger sind - Hauptsache, sie sind es.

Wie man (frau) sieht, hat das Büchlein einiges an Kurzweil zu bieten, sofern frau (man) nicht, wie die Verfasserin, jedes Wort auf die Goldwaage legt. Ungehörigerweise fällt uns hier ein schwersexistisches Epigramm des Frühaufklärers Johann Christian Günther ein, das dem wachsamen Blick von Luise F. Pusch bisher entgangen zu sein scheint: "Es soll uns eine Frau so wie ein Buch vergnügen; / Wer aber will denn nun stets über Büchern liegen?"

KRISTINA MAIDT-ZINKE

Luise F. Pusch: "Die Frau ist nicht der Rede wert". Aufsätze, Reden und Glossen. suhrkamp taschenbuch 2921. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 215 S., br., 14,80 DM.

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