Die Frau mit den vier Armen erzählt von traurigen Jungs, die das Glück suchen und den Tod finden. Abgründig, voller schräger Figuren und mit Witz zeigt Jakob Nolte ein Hannover, das es so noch nie gegeben hat, und erfindet den Niedersachsen Noir. Es geht um Polizeiarbeit, Gerechtigkeit und die Frage, ob man sich am Denken anderer schuldig machen kann.
Inlineskates an den Füßen, Würgemale am Hals, Kopfhörer in den Ohren. Am Ufer der Ihme in Hannover liegt die Leiche eines jungen Mannes. Ein Fall für die genauso brillante wie schroffe Rita Aitzinger und ihren Kollegen Ilia Schuster von der Mordkommission. Zwischen Oper, Bahnhofskneipe und Burgerladen geraten sie immer tiefer in ein Dickicht aus Verweisen: Popsongs, Datingapp-Profile, mysteriöse Tattoos - sie sind der Schlüssel zur Lösung des Falls, davon ist Rita überzeugt. Oder ist sie in die Schlinge eines Psychokillers geraten? War Sebastian Tamm gar nicht das erste Opfer? Und was hat der schüchterne Streifenpolizist Gerd Lampe damit zu tun?
Inlineskates an den Füßen, Würgemale am Hals, Kopfhörer in den Ohren. Am Ufer der Ihme in Hannover liegt die Leiche eines jungen Mannes. Ein Fall für die genauso brillante wie schroffe Rita Aitzinger und ihren Kollegen Ilia Schuster von der Mordkommission. Zwischen Oper, Bahnhofskneipe und Burgerladen geraten sie immer tiefer in ein Dickicht aus Verweisen: Popsongs, Datingapp-Profile, mysteriöse Tattoos - sie sind der Schlüssel zur Lösung des Falls, davon ist Rita überzeugt. Oder ist sie in die Schlinge eines Psychokillers geraten? War Sebastian Tamm gar nicht das erste Opfer? Und was hat der schüchterne Streifenpolizist Gerd Lampe damit zu tun?
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Fritz Göttler findet lobende Worte für Jakob Noltes Krimi um eine mordende Dame und eine unerschrockene Tatortuntersucherin. Besonders die nicht direkt zielführende Handlungs- und Diaologführung haben ihm imponiert. Dabei ist der Text durchaus sehr "genregerecht", erklärt Göttler. Rhythmisch entfaltet der Autor ein "Kaleidoskop" der Möglichkeiten "und dann klickt es", schreibt der Rezensent begeistert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2024Dating in Hannover
Krimis in Kürze: Carlsson, Nolte und Karina Urbach
Schon als vor zwei Jahren "Was ans Licht kommt" erschien, war absehbar, dass Christoffer Carlsson nicht zum kaum mehr überschaubaren Mittelmaß der Skandinavienkrimiautoren gehört. Sein neuer Roman "Wenn die Nacht endet" (Kindler, 464 S., geb., 25,- Euro) bestätigt das eindrucksvoll. Auch er spielt in der südschwedischen Region Halland, und der Sohn des Polizisten Jörgensson aus dem ersten Roman begegnet einem wieder. Erneut sind anhaltende Schuld und Verstrickung, die Menschen nicht freigeben, ein Leitmotiv.
Nach einer Party im Jahr 1999 wird ein Achtzehnjähriger ermordet aufgefunden. Es gibt Verdächtige, vor allem zwei eng befreundete Gleichaltrige, aber die Ermittlungen versanden, eine Polizistin gibt ihren Job auf. Ein Erdrutsch nach einer Sprengstoffexplosion verwischt weitere Spuren. Auch hier fehlt ein Täter. Zwanzig Jahre später fällt noch einmal Licht auf das Vergangene, als der jüngere Bruder des damals Ermordeten ebenfalls zum Mordopfer wird.
Carlssons Souveränität besteht darin, es nicht mit den Koinzidenzen zu übertreiben und das Geschehen ebenso plausibel wie in einem angemessenen erzählerischen Rhythmus zu entfalten. Neben den Mordfällen geht es vor allem um die Jungen, die älter wurden und enttäuschter, deren Träume und Pläne grauem Alltag wichen. Carlsson hat dabei einen ganz eigenen Ton, der entfernt an die Bücher von Håkan Nesser erinnert.
Auch Jakob Nolte, der neben seinen Romanen einige Theaterstücke geschrieben hat, weiß genau, wie sich mit einer nuancierten literarischen Sprache lebendige Außen- und Innenwelten hervorbringen lassen. "Die Frau mit den vier Armen" (Suhrkamp, 235 S., geb., 20,- Euro) spielt in Hannover, und wenn daraus auch nicht gleich, wie der Verlag meint, "Niedersachsen Noir" wird, so ist es doch ein geglückter Versuch, einen als notorisch langweilig verrufenen Ort zu einem Krimi-Schauplatz zu machen. Der schräge Titel ist leicht erklärt: Eine verdächtige junge Frau hat von ihren beiden Großmüttern jeweils einen Pelzmantel geerbt, sie zu einem einzigen umarbeiten lassen und die vier Ärmel behalten.
Verdächtigt wird sie, einen jungen Mann umgebracht zu haben, der mit Inlinern an den Füßen und Würgemalen am Hals an einem Baum lehnte. Hat man es mit einem Serienmörder zu tun?, fragt sich bald die Kommissarin, die mit sich, ihrer Ernährung und einem Kollegen hadert: "Warum begann noch mal jeden Tag ein Tag?" Die Ermittlungen führen die Beamten in den Alltag der Generation Z und in Dating-Apps. Ohne sich anzubiedern, schildert Nolte einschlägige Lebensstile und Gewohnheiten. Seine Begabung für Dialoge ist unverkennbar, das Gespräch zwischen einem Streifenpolizisten beim Date mit der mysteriösen Frau ist eines der Highlights, wenn sie ihn fragt, wo sie eine Leiche spurlos verschwinden lassen könne.
Noltes literarische Anspielungen wirken nie aufdringlich. Der Fall wird auch gelöst, ohne dass deshalb gleich die Welt wieder in Ordnung käme. Alles endet mit einer öfter in diesem Roman eingesetzten Erzählerpassage, die, wie in einer langen Montagesequenz im Kino, alle Akteure bei ihren jeweiligen Tätigkeiten zeigt.
Karina Urbach ist Historikerin und hat vor sieben Jahren unter dem Pseudonym Hannah Coler den Spionageroman "Cambridge 5 - Zeit der Verräter" veröffentlicht. Auch "Das Haus am Gordon Place" (Limes, 384 S., br., 18,- Euro) führt ins Milieu der Agenten, ins Wien des Jahres 1948, die Dreharbeiten zu "Der dritte Mann" werden dabei sehr geschickt als Handlungselement eingebunden. Auf einer zweiten Ebene geht es um einen Mord in der Gegenwart. Im Wohnzimmer eines Historikers wird eine Leiche gefunden. Er hat die Wohnung in teuerster Londoner Lage von einer Freundin geerbt, zuvor wohnte eine MI6-Agentin darin, die 1948 in den Wiener Abhörtunneln gearbeitet hatte. Ein Fall für den Geheimdienst.
Der Plot ist gut konstruiert, das Wechselspiel zwischen den Zeiten sorgt für Cliffhanger, ohne dass daraus jedoch allzu große Spannungseffekte entstünden. Dafür erfährt man einiges über ein Kapitel der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dass der Roman gründlich recherchiert ist und Urbach in einem Nachwort ausführlich Ereignisse und Akteure vorstellt, die als reale Vorbilder dienten, verrät das Ethos der Historikerin. Es wirkt nachhaltiger als der literarische Impetus. PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Krimis in Kürze: Carlsson, Nolte und Karina Urbach
Schon als vor zwei Jahren "Was ans Licht kommt" erschien, war absehbar, dass Christoffer Carlsson nicht zum kaum mehr überschaubaren Mittelmaß der Skandinavienkrimiautoren gehört. Sein neuer Roman "Wenn die Nacht endet" (Kindler, 464 S., geb., 25,- Euro) bestätigt das eindrucksvoll. Auch er spielt in der südschwedischen Region Halland, und der Sohn des Polizisten Jörgensson aus dem ersten Roman begegnet einem wieder. Erneut sind anhaltende Schuld und Verstrickung, die Menschen nicht freigeben, ein Leitmotiv.
Nach einer Party im Jahr 1999 wird ein Achtzehnjähriger ermordet aufgefunden. Es gibt Verdächtige, vor allem zwei eng befreundete Gleichaltrige, aber die Ermittlungen versanden, eine Polizistin gibt ihren Job auf. Ein Erdrutsch nach einer Sprengstoffexplosion verwischt weitere Spuren. Auch hier fehlt ein Täter. Zwanzig Jahre später fällt noch einmal Licht auf das Vergangene, als der jüngere Bruder des damals Ermordeten ebenfalls zum Mordopfer wird.
Carlssons Souveränität besteht darin, es nicht mit den Koinzidenzen zu übertreiben und das Geschehen ebenso plausibel wie in einem angemessenen erzählerischen Rhythmus zu entfalten. Neben den Mordfällen geht es vor allem um die Jungen, die älter wurden und enttäuschter, deren Träume und Pläne grauem Alltag wichen. Carlsson hat dabei einen ganz eigenen Ton, der entfernt an die Bücher von Håkan Nesser erinnert.
Auch Jakob Nolte, der neben seinen Romanen einige Theaterstücke geschrieben hat, weiß genau, wie sich mit einer nuancierten literarischen Sprache lebendige Außen- und Innenwelten hervorbringen lassen. "Die Frau mit den vier Armen" (Suhrkamp, 235 S., geb., 20,- Euro) spielt in Hannover, und wenn daraus auch nicht gleich, wie der Verlag meint, "Niedersachsen Noir" wird, so ist es doch ein geglückter Versuch, einen als notorisch langweilig verrufenen Ort zu einem Krimi-Schauplatz zu machen. Der schräge Titel ist leicht erklärt: Eine verdächtige junge Frau hat von ihren beiden Großmüttern jeweils einen Pelzmantel geerbt, sie zu einem einzigen umarbeiten lassen und die vier Ärmel behalten.
Verdächtigt wird sie, einen jungen Mann umgebracht zu haben, der mit Inlinern an den Füßen und Würgemalen am Hals an einem Baum lehnte. Hat man es mit einem Serienmörder zu tun?, fragt sich bald die Kommissarin, die mit sich, ihrer Ernährung und einem Kollegen hadert: "Warum begann noch mal jeden Tag ein Tag?" Die Ermittlungen führen die Beamten in den Alltag der Generation Z und in Dating-Apps. Ohne sich anzubiedern, schildert Nolte einschlägige Lebensstile und Gewohnheiten. Seine Begabung für Dialoge ist unverkennbar, das Gespräch zwischen einem Streifenpolizisten beim Date mit der mysteriösen Frau ist eines der Highlights, wenn sie ihn fragt, wo sie eine Leiche spurlos verschwinden lassen könne.
Noltes literarische Anspielungen wirken nie aufdringlich. Der Fall wird auch gelöst, ohne dass deshalb gleich die Welt wieder in Ordnung käme. Alles endet mit einer öfter in diesem Roman eingesetzten Erzählerpassage, die, wie in einer langen Montagesequenz im Kino, alle Akteure bei ihren jeweiligen Tätigkeiten zeigt.
Karina Urbach ist Historikerin und hat vor sieben Jahren unter dem Pseudonym Hannah Coler den Spionageroman "Cambridge 5 - Zeit der Verräter" veröffentlicht. Auch "Das Haus am Gordon Place" (Limes, 384 S., br., 18,- Euro) führt ins Milieu der Agenten, ins Wien des Jahres 1948, die Dreharbeiten zu "Der dritte Mann" werden dabei sehr geschickt als Handlungselement eingebunden. Auf einer zweiten Ebene geht es um einen Mord in der Gegenwart. Im Wohnzimmer eines Historikers wird eine Leiche gefunden. Er hat die Wohnung in teuerster Londoner Lage von einer Freundin geerbt, zuvor wohnte eine MI6-Agentin darin, die 1948 in den Wiener Abhörtunneln gearbeitet hatte. Ein Fall für den Geheimdienst.
Der Plot ist gut konstruiert, das Wechselspiel zwischen den Zeiten sorgt für Cliffhanger, ohne dass daraus jedoch allzu große Spannungseffekte entstünden. Dafür erfährt man einiges über ein Kapitel der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dass der Roman gründlich recherchiert ist und Urbach in einem Nachwort ausführlich Ereignisse und Akteure vorstellt, die als reale Vorbilder dienten, verrät das Ethos der Historikerin. Es wirkt nachhaltiger als der literarische Impetus. PETER KÖRTE
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»... eine erlösende Lektüre: BRD noir mit hellem Köpfchen.« Paul Jandl Neue Zürcher Zeitung 20240721