Ein Affe flieht von einem Schiff, das die Themse hinaufsegelt. Seine Flucht in die Wildnis der Großstadt wird für einige Menschen zur Katastrophe, vor allem für Adam Burden, den künftigen Dierektor des weltberühmten zoologischen Gartens. Nicht jedoch für Madalene, Adams schöne junge Frau. Als sie herausfindet, daß Adam im Begriff ist, dem Affen den Schädel aufzusägen, beschließt sie, das Tier zu retten. Damit beginnt eine abenteuerliche Flucht der beiden und eine ungewöhnliche Liebesgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.1997Affe im Paradiesgarten
Peter Høeg und die Tierliebe · Von Harald Hartung
Am Schluß des neuen Romans von Peter Høeg, als die Liebenden sich trennen, erfahren wir, was ein Engel ist - "vielleicht ein Drittel Gott, ein Drittel Tier und ein Drittel Mensch". Das ist so recht der Moment für solche Definitionen. Sie leuchten im Abschied auf, und das "vielleicht" verleiht ihnen Aura. Vielleicht aber hat der Autor - nach vollbrachter Leistung - auch eine andere Synthese im Auge gehabt. Sie ergäbe, was er gern wäre: der Zauberer. Wie jener Lübecker, den seine Kinder so nannten. Nur noch leichter, beschwingter. Die Drittel können ja bleiben: Gott, Mensch, Tier. Zwei davon erscheinen auch im Titel des Buches. Für den lieben Gott bleibt immer noch das Detail.
Doch kann man auch immer zaubern - vor allem, wenn das Publikum immer neue und noch unerhörtere Kunststücke verlangt? Auch der Zauberprofi mag Momente des Selbstzweifels haben und versuchen, sie zu überspielen. Vielleicht deshalb gibt er sich lässig und legt in "Die Frau und der Affe" eine Exposition hin wie aus einem Lehrbuch für Krimiautoren. Versiert und ostentativ mysteriös.
Was soll der in eine Wolldecke gewickelte Affe im Cockpit eines Segelbootes, das sich London nähert? Wer ist der Mann, der "zur Zeit" Bally heißt und jetzt "den ersten und letzten Fehler der Reise" begeht? Was meint die Hand des Affen am Autopilot des Bootes? Selbst der ungelernte Krimileser begreift da: Etwas wird passieren - und es passiert auch. Das Boot donnert in die Reihe der im Schleusenbecken ankernden Schiffe und versinkt. Nur zwei Leute haben bemerkt, daß ein "grauer Mantel" über den sinkenden Schiffsrumpf ans Ufer gesprungen und hinter einem Haus verschwunden ist. Der eine ist der Schleusenwärter, der andere ist Johnny. Fragen Sie nun nicht, wer Johnny ist.
Doch vielleicht hat der fabulierende Menschenfänger uns nur etwas narren wollen? Høeg demonstriert nämlich, was man aus solch einem hingefetzten Anfang machen kann. Zunächst einen deutlich subtileren Fortgang: ein raffiniert skizziertes Stück Ehe- und Gesellschaftsroman, die Analyse einer intimen Entfremdung. Die Frau, die morgens in das Arbeitszimmer des berühmten Londoner Zoologen Adam Burden tritt, verbreitet einen leichten Geruch von Äthylalkohol. Der Gatte bemerkt ihn nicht. Die Distanz ist offenbar zu groß nach einigen hundert Tagen Ehe. Andererseits gibt es eine Inklination zwischen den beiden; wohl auch, zumindest für ihn, erotische Faszination. Madelene, die radikale und illusionslose Trinkerin, die sich heimlich aus den medizinischen Beständen ihres Mannes bedient, sieht die Ehe als "die tägliche mirakulöse Befriedigung der Grundbedürfnisse". Nämlich so, im Trinken. Zudem ist sie dankbar, daß Adam sie, die Dänin, vor dem sicheren familiären Untergang nach London gerettet hat - wenn auch in ein postkoloniales Luxusgefängnis von Villa.
Nun aber ist ein anderer Mann in ihrer beider Verhältnis eingetreten: der Affe. Erasmus ist kein gewöhnlicher Affe. Denn er gibt Madelene bei ihrer ersten Begegnung einen Pfirsich. Eine symbolische Geste? Wir hängen der Frage nicht nach, denn der Erzähler, der ein lebhaftes Tempo anschlägt, doch seine Allwissenheit weise auf die Romandistanz verteilt, ist unseren Deutungen immer schon voraus - behende wie sein zu Riesensprüngen fähiges Geschöpf.
Höchste Zeit also, den eigentlichen Plot zur Kenntnis zu nehmen: den Kampf um das Tier, das - wie schon seine humanoide Zahnstellung und sein Lächeln verrät - einer bislang unerforschten Spezies angehört. Adam Burden, Direktor des Institute of Animal Behavioural Research, möchte ihm den Schädel aufsägen, um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen - und somit auch unfehlbar auf den angestrebten Direktorposten des berühmtesten Zoos der Welt. Madelene dagegen faßt den Entschluß, den Affen vor einer allzu neugierigen Wissenschaft zu retten. Sie rettet sich selbst mit ihm: nämlich aus Trunksucht und Apathie. Und schon befinden wir uns mit beiden auf der Flucht und in der spannendsten Verfolgungsgeschichte, die man sich denken - nein, die man sich nicht denken kann.
Denn nicht die Spannung ist das Interessante - Høeg ist ja immer spannend -, sondern die Perspektive, die er uns vermittelt: Es ist die Sicht des Tieres, das sich, vornehmlich auf halber Höhe der Häuser, wo man es nicht vermutet, durch die "gigantische Großstadtzerstreutheit" bewegt. Es tut das "wie ein Zirkusartist über einem betäubten Publikum" - seine schöne Mitflüchterin im Arm. Wir stimmen demAutor zu, der diese Fluchtbewegung als die "Erschaffung" der Wirklichkeit darstellt. In faszinierenden Passagen entfaltet Høeg die artistische Choreographie der Stadt. Er gönnt uns auch poetisch anrührende Momente, den Charme von Idylle. Die archetypische Ruhe auf der Flucht. Das Bild des ungleichen Paares auf dem Dach.
Aber was heißt da noch ungleich? Wir sind ja schon mitten im Märchen! Denn den Sprung über jene Mauer, vor der die Häscher der Gesellschaft für die Verhinderung von Grausamkeit gegen Tiere standen, hatte Erasmus mit dem Satz eingeleitet: "Wir gehen." Das war zwar ungenau und untertrieben, doch irgendwie waren wir auf Sprache und Sprechen gefaßt und wundern uns nicht mehr ungebührlich. Wer trotzdem Anstoß nehmen möchte, den beruhigt der Erzähler mit Details, die aus dem Tier so etwas wie einen Mann machen, der sich rasiert.
Høeg benötigt solche Zugeständnisse. Er braucht sie für die Zumutungen, die er in petto hat. Dabei ist die mit dem Sex merkwürdigerweise die geringste. Man hat die Szene erwartet oder befürchtet und ist beruhigt, wie taktvoll der Erzähler sie absolviert. Das eigentliche Erotikon ist die Sprache. Ein gewöhnlicher Krimiautor hätte sich mit dem linguistischen Dressurakt begnügt. Der aber nur bewiesen hätte, daß Erasmus kein Mensch ist, sondern ein tierischer Automat.
Peter Høeg traut sich weiter, ins Heikle und Heikelste. Nämlich direkt ins Paradies und in die Fragen nach den Geheimnissen von Schöpfung und Sprache. Was dabei an Überlegung und Traktat anfällt, kleidet er in Erzählung: Dennoch steht manche Reflexion etwas nackt da. Nackter als seine paradiesischen Protagonisten. Er zeigt uns das Paar im "Garten", vulgo in einem Wildreservat. Und er zeigt naturgemäß und letzten Endes, daß das Paradies unter keiner, also auch nicht unter dieser Versuchsanordnung zu haben ist. Zwar erlebt Eva - Pardon, Madelene - ein flüchtiges erotisches Satori, die Erleuchtung im Zustand der absoluten Leere. Und der neue Adam, nämlich Erasmus, sagt von seiner Spezies, sie nenne sich "Menschen". Doch ist damit auch der Umkehrschluß gegeben. Erasmus und die Seinen nennen Madelene und ihresgleichen "Tiere". Madelene hat schon vorher das Problem auf ihren Punkt gebracht, als sie beim Anblick der "haarlosen Hinterbacken" ihres Partners begreift, "daß sie in den pornografischen Paradiesgarten gelangt waren".
Ein böses, ein bitteres Märchen. Wie immer man die philosophischen Einschübe bei Høeg finden mag - sie gehören in sein Programm und rechnen mit der Intelligenz des Lesers. Sie sind phantastisch, doch nicht wirklich verbindlich. Man sollte sie also nicht für Philosophie halten oder für ernstgemeinte Utopie. Høeg ist kein Musil. Er sucht nicht nach dem tausendjährigen Reich oder dem anderen Zustand. Er ist ein Denkspieler und schalkhafter Menschenfreund. Er will unterhalten und belehren und illuminiert gern einmal einen tieferen Gedanken. Anything goes - wenn man zaubern kann.
Das vergißt dieser Autor nie. So ist am Romanschluß noch einmal mit der kriminalistischen Auflösung der reine Jokus fällig - so nämlich das Ende des Kampfes um den Affen. Es kommt zu dem geplanten großen Auftritt Adam Burdens, der unter diesem lastenden Namen das ganze Buch über nie geächzt hat, und dabei zu einem weit spektakuläreren Auftritt unseres Affen. Ohne mehr zu verraten: Es gibt ein wahres Affenspektakel. Schon deshalb, weil sich honorige Personen des öffentlichen Lebens als Affen outen und gar die verzweifelte Frage aufkommt, ob nicht auch die Königin ein Affe ist.
Der Autor aber muß seinen philosophisch aufgerüsteten Affen wieder dorthin zurückexpedieren, woher er ihn genommen hat. Der Affe will es, will zurück zu den Seinen. Die Philosophie will es. Denn sie läßt eine beiläufig geäußerte These unerörtert. Nämlich die, Erasmus verkörpere eine Spezies, die nicht dem Menschen vorausgeht, sondern "eher das ist, was danach kommt". Damit möchte der Geist der Erzählung ernstlich nichts zu tun haben. Es wäre Science-fiction. Oder schlimmer: Futurologie. Das hieße für Høeg, sein Engagement für Menschen und Tiere in die falsche Richtung treiben. Er ist ein Konservativer.
Aber auch für die Love-Story, die sich der Konkurrenz mit "King Kong" und "La Belle et la Bête" aussetzt, ist es Zeit für das Ende. Menschen mit Tieren (oder selbst Fast-Menschen) - das ist nicht das letzte Wort in eroticis. Doch gerät dieses Ende, der Abschied, eben doch sehr menschlich. Nämlich gefühlvoll. Høeg aber, der dem Romanleser alles gibt, nur nichts wirklich Geschmackloses, beweist hier seine zauberhafte Sicherheit. Er markiert im sentimentalen Moment die Differenz. "Was ist das, ein Engel?" fragt der Affe.
Peter Høeg: "Die Frau und der Affe". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Monika Wesemann. Carl Hanser Verlag, München und Wien 1997. 288 S., geb., 39,80 DM.
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Peter Høeg und die Tierliebe · Von Harald Hartung
Am Schluß des neuen Romans von Peter Høeg, als die Liebenden sich trennen, erfahren wir, was ein Engel ist - "vielleicht ein Drittel Gott, ein Drittel Tier und ein Drittel Mensch". Das ist so recht der Moment für solche Definitionen. Sie leuchten im Abschied auf, und das "vielleicht" verleiht ihnen Aura. Vielleicht aber hat der Autor - nach vollbrachter Leistung - auch eine andere Synthese im Auge gehabt. Sie ergäbe, was er gern wäre: der Zauberer. Wie jener Lübecker, den seine Kinder so nannten. Nur noch leichter, beschwingter. Die Drittel können ja bleiben: Gott, Mensch, Tier. Zwei davon erscheinen auch im Titel des Buches. Für den lieben Gott bleibt immer noch das Detail.
Doch kann man auch immer zaubern - vor allem, wenn das Publikum immer neue und noch unerhörtere Kunststücke verlangt? Auch der Zauberprofi mag Momente des Selbstzweifels haben und versuchen, sie zu überspielen. Vielleicht deshalb gibt er sich lässig und legt in "Die Frau und der Affe" eine Exposition hin wie aus einem Lehrbuch für Krimiautoren. Versiert und ostentativ mysteriös.
Was soll der in eine Wolldecke gewickelte Affe im Cockpit eines Segelbootes, das sich London nähert? Wer ist der Mann, der "zur Zeit" Bally heißt und jetzt "den ersten und letzten Fehler der Reise" begeht? Was meint die Hand des Affen am Autopilot des Bootes? Selbst der ungelernte Krimileser begreift da: Etwas wird passieren - und es passiert auch. Das Boot donnert in die Reihe der im Schleusenbecken ankernden Schiffe und versinkt. Nur zwei Leute haben bemerkt, daß ein "grauer Mantel" über den sinkenden Schiffsrumpf ans Ufer gesprungen und hinter einem Haus verschwunden ist. Der eine ist der Schleusenwärter, der andere ist Johnny. Fragen Sie nun nicht, wer Johnny ist.
Doch vielleicht hat der fabulierende Menschenfänger uns nur etwas narren wollen? Høeg demonstriert nämlich, was man aus solch einem hingefetzten Anfang machen kann. Zunächst einen deutlich subtileren Fortgang: ein raffiniert skizziertes Stück Ehe- und Gesellschaftsroman, die Analyse einer intimen Entfremdung. Die Frau, die morgens in das Arbeitszimmer des berühmten Londoner Zoologen Adam Burden tritt, verbreitet einen leichten Geruch von Äthylalkohol. Der Gatte bemerkt ihn nicht. Die Distanz ist offenbar zu groß nach einigen hundert Tagen Ehe. Andererseits gibt es eine Inklination zwischen den beiden; wohl auch, zumindest für ihn, erotische Faszination. Madelene, die radikale und illusionslose Trinkerin, die sich heimlich aus den medizinischen Beständen ihres Mannes bedient, sieht die Ehe als "die tägliche mirakulöse Befriedigung der Grundbedürfnisse". Nämlich so, im Trinken. Zudem ist sie dankbar, daß Adam sie, die Dänin, vor dem sicheren familiären Untergang nach London gerettet hat - wenn auch in ein postkoloniales Luxusgefängnis von Villa.
Nun aber ist ein anderer Mann in ihrer beider Verhältnis eingetreten: der Affe. Erasmus ist kein gewöhnlicher Affe. Denn er gibt Madelene bei ihrer ersten Begegnung einen Pfirsich. Eine symbolische Geste? Wir hängen der Frage nicht nach, denn der Erzähler, der ein lebhaftes Tempo anschlägt, doch seine Allwissenheit weise auf die Romandistanz verteilt, ist unseren Deutungen immer schon voraus - behende wie sein zu Riesensprüngen fähiges Geschöpf.
Höchste Zeit also, den eigentlichen Plot zur Kenntnis zu nehmen: den Kampf um das Tier, das - wie schon seine humanoide Zahnstellung und sein Lächeln verrät - einer bislang unerforschten Spezies angehört. Adam Burden, Direktor des Institute of Animal Behavioural Research, möchte ihm den Schädel aufsägen, um seinem Geheimnis auf die Spur zu kommen - und somit auch unfehlbar auf den angestrebten Direktorposten des berühmtesten Zoos der Welt. Madelene dagegen faßt den Entschluß, den Affen vor einer allzu neugierigen Wissenschaft zu retten. Sie rettet sich selbst mit ihm: nämlich aus Trunksucht und Apathie. Und schon befinden wir uns mit beiden auf der Flucht und in der spannendsten Verfolgungsgeschichte, die man sich denken - nein, die man sich nicht denken kann.
Denn nicht die Spannung ist das Interessante - Høeg ist ja immer spannend -, sondern die Perspektive, die er uns vermittelt: Es ist die Sicht des Tieres, das sich, vornehmlich auf halber Höhe der Häuser, wo man es nicht vermutet, durch die "gigantische Großstadtzerstreutheit" bewegt. Es tut das "wie ein Zirkusartist über einem betäubten Publikum" - seine schöne Mitflüchterin im Arm. Wir stimmen demAutor zu, der diese Fluchtbewegung als die "Erschaffung" der Wirklichkeit darstellt. In faszinierenden Passagen entfaltet Høeg die artistische Choreographie der Stadt. Er gönnt uns auch poetisch anrührende Momente, den Charme von Idylle. Die archetypische Ruhe auf der Flucht. Das Bild des ungleichen Paares auf dem Dach.
Aber was heißt da noch ungleich? Wir sind ja schon mitten im Märchen! Denn den Sprung über jene Mauer, vor der die Häscher der Gesellschaft für die Verhinderung von Grausamkeit gegen Tiere standen, hatte Erasmus mit dem Satz eingeleitet: "Wir gehen." Das war zwar ungenau und untertrieben, doch irgendwie waren wir auf Sprache und Sprechen gefaßt und wundern uns nicht mehr ungebührlich. Wer trotzdem Anstoß nehmen möchte, den beruhigt der Erzähler mit Details, die aus dem Tier so etwas wie einen Mann machen, der sich rasiert.
Høeg benötigt solche Zugeständnisse. Er braucht sie für die Zumutungen, die er in petto hat. Dabei ist die mit dem Sex merkwürdigerweise die geringste. Man hat die Szene erwartet oder befürchtet und ist beruhigt, wie taktvoll der Erzähler sie absolviert. Das eigentliche Erotikon ist die Sprache. Ein gewöhnlicher Krimiautor hätte sich mit dem linguistischen Dressurakt begnügt. Der aber nur bewiesen hätte, daß Erasmus kein Mensch ist, sondern ein tierischer Automat.
Peter Høeg traut sich weiter, ins Heikle und Heikelste. Nämlich direkt ins Paradies und in die Fragen nach den Geheimnissen von Schöpfung und Sprache. Was dabei an Überlegung und Traktat anfällt, kleidet er in Erzählung: Dennoch steht manche Reflexion etwas nackt da. Nackter als seine paradiesischen Protagonisten. Er zeigt uns das Paar im "Garten", vulgo in einem Wildreservat. Und er zeigt naturgemäß und letzten Endes, daß das Paradies unter keiner, also auch nicht unter dieser Versuchsanordnung zu haben ist. Zwar erlebt Eva - Pardon, Madelene - ein flüchtiges erotisches Satori, die Erleuchtung im Zustand der absoluten Leere. Und der neue Adam, nämlich Erasmus, sagt von seiner Spezies, sie nenne sich "Menschen". Doch ist damit auch der Umkehrschluß gegeben. Erasmus und die Seinen nennen Madelene und ihresgleichen "Tiere". Madelene hat schon vorher das Problem auf ihren Punkt gebracht, als sie beim Anblick der "haarlosen Hinterbacken" ihres Partners begreift, "daß sie in den pornografischen Paradiesgarten gelangt waren".
Ein böses, ein bitteres Märchen. Wie immer man die philosophischen Einschübe bei Høeg finden mag - sie gehören in sein Programm und rechnen mit der Intelligenz des Lesers. Sie sind phantastisch, doch nicht wirklich verbindlich. Man sollte sie also nicht für Philosophie halten oder für ernstgemeinte Utopie. Høeg ist kein Musil. Er sucht nicht nach dem tausendjährigen Reich oder dem anderen Zustand. Er ist ein Denkspieler und schalkhafter Menschenfreund. Er will unterhalten und belehren und illuminiert gern einmal einen tieferen Gedanken. Anything goes - wenn man zaubern kann.
Das vergißt dieser Autor nie. So ist am Romanschluß noch einmal mit der kriminalistischen Auflösung der reine Jokus fällig - so nämlich das Ende des Kampfes um den Affen. Es kommt zu dem geplanten großen Auftritt Adam Burdens, der unter diesem lastenden Namen das ganze Buch über nie geächzt hat, und dabei zu einem weit spektakuläreren Auftritt unseres Affen. Ohne mehr zu verraten: Es gibt ein wahres Affenspektakel. Schon deshalb, weil sich honorige Personen des öffentlichen Lebens als Affen outen und gar die verzweifelte Frage aufkommt, ob nicht auch die Königin ein Affe ist.
Der Autor aber muß seinen philosophisch aufgerüsteten Affen wieder dorthin zurückexpedieren, woher er ihn genommen hat. Der Affe will es, will zurück zu den Seinen. Die Philosophie will es. Denn sie läßt eine beiläufig geäußerte These unerörtert. Nämlich die, Erasmus verkörpere eine Spezies, die nicht dem Menschen vorausgeht, sondern "eher das ist, was danach kommt". Damit möchte der Geist der Erzählung ernstlich nichts zu tun haben. Es wäre Science-fiction. Oder schlimmer: Futurologie. Das hieße für Høeg, sein Engagement für Menschen und Tiere in die falsche Richtung treiben. Er ist ein Konservativer.
Aber auch für die Love-Story, die sich der Konkurrenz mit "King Kong" und "La Belle et la Bête" aussetzt, ist es Zeit für das Ende. Menschen mit Tieren (oder selbst Fast-Menschen) - das ist nicht das letzte Wort in eroticis. Doch gerät dieses Ende, der Abschied, eben doch sehr menschlich. Nämlich gefühlvoll. Høeg aber, der dem Romanleser alles gibt, nur nichts wirklich Geschmackloses, beweist hier seine zauberhafte Sicherheit. Er markiert im sentimentalen Moment die Differenz. "Was ist das, ein Engel?" fragt der Affe.
Peter Høeg: "Die Frau und der Affe". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Monika Wesemann. Carl Hanser Verlag, München und Wien 1997. 288 S., geb., 39,80 DM.
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