Odysseus, der Herrliche, der Listenreiche, der Held des Trojanischen Kriegs, kehrt nach zwanzigjähriger Irrfahrt heim nach Ithaka. Doch niemand hat ihn vermisst. Auch Penelope nicht. Stattdessen hat sie mit ihren Freiern ein beneidenswert selbstbestimmtes Dasein geführt. Nun machen ihr Odysseus' Identitätskrise, sein Missmut und seine Eifersucht das Leben zur Hölle. Auch seinen Söhnen ist er unheimlich mit seiner übermächtigen Vergangenheit und all der Grausamkeit, die man ihm nachsagt. Kurz, das Familienleben ist keine Freude mehr - und bald findet sich der entzauberte Held allein in seinem Haus in Ithaka. Sándor Márai bürstet die antike Mythologie gegen den Strich und schenkt uns nicht nur einen Roman von messerscharfer Ironie, sondern präsentiert eine neue Facette seiner Erzählkunst.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Sandor Márai verhandelt in seinem Roman "Die Frauen von Ithaka" den Mythos des Odysseus neu, er stellt das gefällige Bild des schlauen Kämpen infrage, der, nur von dem Wunsch nach Heimkehr beseelt, seine zahllosen Abenteuer besteht, berichtet Tobias Lehmkuhl. Bei Márai ist Odysseus der letzte Mensch einer alten, und der erste Mensch einer neuen Welt, er ist Händler, "der erste Individualist", der aber noch auf Entdeckungsreisen und Abenteuer auszieht in Tagen, die nüchterner sind als er, so jedenfalls berichten es seine Frau Penelope und seine beiden Söhne, wie der Rezensent zusammenfasst. Die methodische "Säuberung" Ithakas von den Freiern und den fehlgetretenen Frauen durch einen Händler mit Monopolfantasien, für den das Töten zur Zwangshandlung geworden ist, bekommt angesichts der Tatsache, dass das Buch sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vier nach der Gleichschaltung in Ungarn geschrieben wurde, einen neuen, bedrohlichen Anstrich, findet Lehmkuhl.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Wenn Frauen und Kinder offen reden, bleibt selbst vom großen Odysseus nicht viel übrig. So ist es nicht nur in Sándor Márais neu zu entdeckendem Roman.", Augsburger Allgemeine, 19.02.2014 20151120