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Akademischer Widerstand ist weniger leicht zu greifen als politischer oder militärischer Widerstand. Doch es gab ihn. Den Freiburger Professoren kommt dabei besondere Bedeutung zu: Ihr Wirken reicht weit in die Nachkriegszeit hinein. Die "Freiburger Schule" der Nationalökonomie stand nicht nur in Verbindung mit Goerdeler und Bonhoeffer, von ihr führen auch verschlungene Wege zur Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik.Die Freiburger Kreise standen lange im Schatten der zeitgeschichtlichen Forschung. Die Gründe liegen in der Sache selbst. Akademischer Widerstand funktioniert anders als…mehr

Produktbeschreibung
Akademischer Widerstand ist weniger leicht zu greifen als politischer oder militärischer Widerstand. Doch es gab ihn. Den Freiburger Professoren kommt dabei besondere Bedeutung zu: Ihr Wirken reicht weit in die Nachkriegszeit hinein. Die "Freiburger Schule" der Nationalökonomie stand nicht nur in Verbindung mit Goerdeler und Bonhoeffer, von ihr führen auch verschlungene Wege zur Sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik.Die Freiburger Kreise standen lange im Schatten der zeitgeschichtlichen Forschung. Die Gründe liegen in der Sache selbst. Akademischer Widerstand funktioniert anders als militärisch-politischer Widerstand; daher verbindet sich mit den Freiburger Kreisen auch kein Bild offener Widerstandsaktionen (wie die Flugblattaktionen der "Weißen Rose") oder eines Attentats (wie beim 20. Juli). Dennoch war die ökonomische Beratung Goerdelers durch die Freiburger und die theologisch-historische Denkschrift für Bonhoeffer (Redaktion: Gerhard Ritter) historisch von großer Bedeutung; sie muss als "Sorge danach" neben die Dokumente des Kreisau-er Kreises gestellt werden.Aus unerschlossenem Quellenmaterial und Erinnerungen der Nachfahren entsteht im vorliegenden Buch eine Nahaufnahme vom Wirken des Akademischen Widerstandes im "Dritten Reich" - und zugleich ein Bild dessen, was von der Freiburger Schule der Nationalökonomie nach dem Krieg in der Sozialen Marktwirtschaft auf- und fortlebte.
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Autorenporträt
Hans Maier war Professor für politische Wissenschaft an der Universität München und von 1970-1986 Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus. Er ist durch seine Forschungen über »Totalitarismus und politische Religionen« (1996-2003, englisch 2004-2007) international bekannt geworden. Dem wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Zeitgeschichte (München/Berlin) gehört er als Ehrenmitglied auf Lebenszeit an.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Professoren gegen Hitler

Theologen, Historiker und Volkswirtschaftler in Freiburg im Breisgau verband der Versuch, die Wirklichkeit des Nationalsozialismus kritisch wahrzunehmen.

Von Peter Steinbach

Wenn von Widerstand gegen den Nationalismus an deutschen Universitäten die Rede ist, werden meistens die Geschwister Scholl und ihr Münchener Freundeskreis erwähnt. Dass der Mediävist Fritz Kern und der Historiker Walter Markov als Gegner des NS-Regimes inhaftiert waren, ist weniger bekannt. Kommt aber die Sprache auf die Mitglieder der Freiburger Widerstandskreise, die sich unter dem Eindruck der Novemberpogrome von 1938 zusammenfanden und seitdem nicht nur eng zusammenrückten, sondern in den frühen vierziger Jahren in das Zentrum der Umsturz- und Neuordnungsversuche von Carl Friedrich Goerdeler, Dietrich Bonhoeffer und Claus Schenk Graf von Stauffenberg gerieten, ist Unkenntnis spürbar. Sie spiegelt nicht zuletzt auch politische und ideologische Vorurteile, denn der Kreis der Freiburger ordoliberalen Marktwirtschaftler ist manchen Nachlebenden in seinem freiheitlichen Ordnungsdenken fremd geblieben, sosehr Gelehrte wie Friedrich von Hayek, Wilhelm Röpke und Walter Eucken auch als Vorbilder der Sozialen Marktwirtschaft gepriesen wurden. Ihr Konzept der freien Wettbewerbsordnung, die auch freie Marktwirtschaft genannt wurde, zeichnete sich durch einen Rechtsrahmen aus, der die Entstehung wirtschaftlicher Macht verhindern sollte, und bekannte sich "konsequent" zum "Haftungsprinzip", wie Walter Euckens Tochter Irene betont. Werde die Soziale Marktwirtschaft auch in Sonntagsreden beschworen, so sei das "ordoliberale Konzept" doch "niemals realisiert" worden.

Dies bedeutet in ihren Augen nicht, "dass es überholt ist". Deshalb ist es mehr als berechtigt, sich bewusst zu machen, dass der Freiburger Kreis deutscher Ökonomen zunächst aus der Auseinandersetzung mit der zunehmenden Konzentrierung ökonomischer Macht eine fundamentale Ablehnung des NS-Regimes ableitete, also auf den Unrechtsstaat und nicht nur auf die wirtschaftspolitischen Ausuferungen des nationalsozialistischen Interventionsstaates reagierte.

Ein klug konzipierter Sammelband vereinigt Lebenszeugnisse von Angehörigen mit gediegenen wissenschaftlichen Abhandlungen und werkgeschichtlichen Untersuchungen. Er bietet nicht nur eine verlässliche Grundlage für die Würdigung eines mutigen südwestdeutschen Widerstandskreises von Professoren, sondern arbeitet das Gemeinsame und Verbindende von Theologen, Historikern und Volkswirtschaftlern heraus. Sie verband der Versuch, die Wirklichkeit des NS-Regimes kritisch wahrzunehmen, sich über die menschenverachtenden Maßnahmen des Regimes zu empören und aus ihrer Entrüstung - vor allem nach der Schändung der Synagogen und wegen der Verfolgung der Juden, aber auch wegen des Kampfes gegen bekennende Christen aller Konfessionen - handelnd Konsequenzen zu ziehen. Schließlich übernahmen Mitglieder der zusammenwachsenden und sich überschneidenden Kreise Gutachten für Goerdeler und Bonhoeffer. Deshalb wurden viele von ihnen verhaftet. Nicht alle erholten sich nach der Haft von erlittenen Verhören und Torturen.

Der politische und weltanschauliche Machtanspruch des totalitären Staates hatte sie herausgefordert. Gerhard Ritter reflektierte darüber als Historiker, andere als Theologen. Dies fundierte die Freiburger Schule weit über den engen Rahmen ökonomischen Denkens hinaus auch ethisch und moralisch. Bemerkenswert ist, dass die Volkswirtschaftler sich nicht durch das verbreitete planwirtschaftliche Ordnungsdenken beeindrucken ließen und selbst dort, wo sie kriegswirtschaftliche Entscheidungsstrukturen hinnahmen, nicht von dem Gedanken abließen, die freie Wettbewerbswirtschaft sei Grundlage politischer Freiheit. Machtbeschränkung - dieses Ziel wurde zur verbindenden Idee und zur verpflichtenden Zukunftsvision.

Von grundsätzlicher Bedeutung für die Widerstandsforschung ist die deutliche Herausarbeitung gleichzeitiger Konfrontation und Kooperation. Denn mehrere Jahre lang konnten Überlegungen zur Preisgestaltung im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft der Akademie für Deutsches Recht diskutiert werden. An den Gesprächen nahm sogar Peter Graf Yorck von Wartenburg teil, den man als den Kopf der Kreisauer Widerstandsgruppe bezeichnete. Direkt systemkritisch waren hingegen die Gutachten, die für Berliner Widerstandsgruppen verfasst wurden, wenn sie auch teilweise durch ein Zeitverständnis belastet werden, das heute schwer nachvollziehbar scheint.

Die Aufsatzsammlung erschöpft sich nicht in der antiquarischen Beschwörung vergangenen Denkens und Wollens, sondern bekennt sich zu der aktuellen Bedeutung der Überlegungen, die in der Auseinandersetzung mit der Realität des NS-Staates entwickelt wurden. Das wird nicht nur deutlich in der Darstellung "verschlungener Wege" zur Sozialen Marktwirtschaft, sondern auch in einer gut dokumentierten Diskussion der Tagungsteilnehmer. In das Zentrum geschichtspolitischer Auseinandersetzungen stößt eine im Band geschilderte Kontroverse vor, die der Entwidmung des Gerhard-Ritter-Preises durch einen Freiburger Zeitungsverlag folgte.

Manche Regimegegner lösten sich in einer nicht selten langen Auseinandersetzung mit der NS-Regierungspraxis von Vorstellungen, die sie - zumindest partiell - zunächst mit den Nazis geteilt hatten. Das rückt "Freiburger" wie Gerhard Ritter und Constantin Dietze, aber auch Adolf Lampe in ein milderes Licht selbstgewisser Nachlebender. Walter Eucken war nie abhängig vom Zeitgeist. Er verachtete die NS-Ideologie. Insofern verkörpert gerade er mit den Freiburger Freunden einen wichtigen Strang deutscher Demokratie- und Freiheitsgeschichte.

Hans Maier (Herausgeber): Die Freiburger Kreise. Akademischer Widerstand und soziale Marktwirtschaft.

Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2014. 283 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen bedeutenden Strang deutscher Demokratiegeschichte offenbart der von Hans Maier herausgegebene Band über die Freiburger Kreise während des Nationalsozialismus dem hier rezensierenden Historiker und Politologen Peter Steinbach. Über den organisierten Widerstand Freiburger Theologen, Historiker und Ökonomen weiß Steinbach nicht allzu viel. Umso mehr freut ihn die Vereinigung von Lebenszeugnissen, wissenschaftlichen Abhandlungen und Werkuntersuchungen in diesem Band. Ermöglicht wird dadurch laut Rezensent die Würdigung des ökonomisch, aber auch moralisch und ethisch motivierten Widerstands sowie das Nachdenken über die aktuelle Bedeutung von Überlegungen zur Realität des NS-Staates.

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