Klaus Wagenbach ist einer der letzten aus einer Generation von unabhängigen,eigenwilligen und leidenschaftlichen Verleger; ein linker, aber undogmatischerKopf, der nicht vor den Konsequenzen politischen Handelns zurückschreckt;und ein früher und bis heute unerschütterlicher Liebhaber Italiens.Außerdem: ein heiterer Geschichtenerzähler, ein eifriger Vorwortschreiber,ein freudig erwarteter Festredner, aber auch einer der gern widerspricht, wenndie öffentliche Meinung jemanden moralisch und politisch gar zu korrektschlachten will.Der Band sammelt Texte Klaus Wagenbachs über Italien (einschließlich Kunstgeschichte),Politik, das Leben und die Zukunft der Bücher und über einzelneAutoren (u. a. Fried, Hermlin, Celan, Jandl, Grass, Pasolini). Ein Großteil derTexte ist bisher nicht veröffentlicht, wichtige Zeitdokumente wie die Grabredefür Ulrike Meinhof wurden jedoch ebenfalls aufgenommen.Und schließlich erst jüngst entstandene biographische Geschichten: Vom gegendie Nazis rebellierendenGroßvater, der reformbewegten Mutter, dem Vater,der nur Latein, Griechisch und Hebräisch konnte; darüber, wer und wie nachdem Krieg die Demokratie aufbaute, warum Kollektive träumen und Frauen besserkommunizieren können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2010Der hat sich eingeschlichen
Klaus Wagenbach hat Literatur- und Kulturgeschichte geschrieben. Zu seinem achtzigsten Geburtstag blickt der selbsternannte Verleger für wilde Leser zurück.
Von Sandra Kegel
Die Macht der Leser bekam Klaus Wagenbach schon als Schüler zu spüren, als er mit Freunden das Feuilleton des "Eppsteiner Boten" übernahm. Den Kulturteil des Blatts, das in einer Auflage von achthundert Stück erschien, bestückten die Jungredakteure hauptsächlich mit einem Roman: "Dornen" von Thea Schröck-Beck, den sie irgendwo gefunden und hemmungslos gekürzt hatten. Und als es ihnen langweilig wurde, ließen sie den Helden sterben. Anderntags wurde die Druckerei von empörten Abonnenten gestürmt. Wie seine "wilden Leser" hat auch Klaus Wagenbach, dieser laut Selbstbeschreibung "politische Knurrer von hemmungslosem Optimismus", den Sturm auf die Paläste nie gescheut. Im Gegenteil verweist er heute, da ihm das Alter eine gewisse Milde erlaubt, mit Stolz darauf, der meistvorbestrafte lebende deutsche Verleger zu sein.
Die Prinzipien, auf die er 1964 seinen Verlag gründete - Hedonismus, Anarchie, Geschichtsbewusstsein - sind ihm nach wie vor heilig. Denn aller Italienleidenschaft zum Trotz, die sich im Klaus Wagenbach Verlag seit vielen Jahren niederschlägt, hat der Begründer der Toskana-Fraktion und notorische Rote-Socken-Träger ja eine sehr deutsche und also politische Vergangenheit. Darüber gibt jetzt ein Sammelband vielfach Auskunft, den der Verlag zu Wagenbachs achtzigstem Geburtstag am morgigen Sonntag in gewohnt bibliophiler Manier mit rotem Leineneinband und händisch aufgeklebtem Foto des Jubilars herausbringt: "Die Freiheit des Verlegers". Das Buch bündelt Schriften aus dem Leben des Verlagsgründers und zur Geschichte des Hauses und liest sich als Rückblick auf mehr als sechs bewegte Jahrzehnte. Es ist ein schillerndes Konvolut zur kulturellen und geistigen Geschichte der Bundesrepublik.
Auf früheste Kindheitserinnerungen aus Kriegstagen, erste Begegnungen mit Amerikanern, auf den Übergang von der alten Ordnung in die neue und die beginnende Adenauerzeit, die Wagenbach in Oberhessen verbringt, wo sein Vater Landrat ist und mit einem Adler-Triumph durch die Gegend braust "und die Demokratie aufbaut" und er eigentlich Chemiker werden will, folgen Lehrjahre bei Suhrkamp und S. Fischer in Frankfurt. 1964 kommt es zum ersten Bruch in Wagenbachs Vita, als er, inzwischen zum Lektor avanciert, bei S. Fischer fristlos gefeuert wird, nachdem er gegen die Verhaftung eines DDR-Verlegers auf der Buchmesse protestiert hatte. Da keimt in dem jungen Mann die Idee eines "gesamtdeutschen Verlags", und zwar in Berlin, der Stadt also, die zu jener Zeit verloren schien, wie Wagenbach schreibt. Der Verkauf einer Wiese im Taunus, die er dem Vater abtrotzt, bildet das Startkapital. Aber ein Jahr später macht ihm die DDR den Traum zunichte, zunächst mit Einreise-, dann mit Durchreiseverbot.
Diesseits der Mauer hingegen wird der junge Berliner Verlag rasch nicht nur zur literarischen Heimat junger deutschsprachiger Autoren wie Günter Grass, Ingeborg Bachmann, Peter Rühmkorf und Erich Fried, sondern als linke Institution von einer ganzen studentenbewegten Generation entdeckt und vereinnahmt. In den Siebzigern dann, als die Schriften der APO, von Dutschke, Mao sowie Ulrike Meinhofs "Bambule" bei Wagenbach erscheinen, ist es nur einem pfiffigen Anwalt, Otto Schily, zu verdanken, dass der Verlag im Strudel von Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren und verlorenen Prozessen nicht untergeht. Viele Linke hielten es für selbstverständlich, erinnert sich Wagenbach, "im Verlag arbeiten zu können. Oder zu volontieren. Oder zu übernachten. Oder wenigstens zu fotokopieren. Und jedenfalls gehörte mein Auto der Bewegung." Für ein halbes Jahrzehnt verwandelt sich das Haus in eine Nachrichtenbörse, ein Nachtlager und Mittagstisch, kurz: in einen Dienstleistungsbetrieb für wütende Studenten. Wie ernüchternd das Erwachen aus dem Traum vom Kollektiv war, zeigt sich 1973, als es zur Spaltung zwischen Wagenbach und Rotbuch kommt.
Mit Leidenschaft ist Wagenbach immer dann bei der Sache, wenn es ums Handwerk des Verlegers geht. Eine Begabung nennt er das, "was auf Blättern geschrieben da ist, auf einem ganzen Konvolut von Blättern, in eine plastische Gestalt zu übersetzen, in die Buchgestalt". Drei Definitionen fallen ihm als Voraussetzung fürs Büchermachen ein: Enthusiasmus, Zufall und technische Besorgnisse. Allen inhaltlichen Häutungen zum Trotz - dass der gelernte Verlagsfachmann von Büchern etwas versteht, sieht man seiner Produktion bis heute an. Da hält er es mit seinem einstigen Meister, dem Herstellungsleiter bei Fischer, Fritz Hirschmann, der ihm einbleute, "dass Bücher nicht nur billig, sondern auch schön zu sein hätten". Von ihm bekam Wagenbach damals ein schäbig gedrucktes Buch in die Hand gedrückt: "Bub, schätz das mal!" Und als er begann, die Zeilen zu zählen, entdeckte er einen Autor, von dem er bis dahin nichts gelesen hatte und der ihn nach einer Promotion sowie vielen weiteren Publikationen bis heute nicht losgelassen hat: "Kafkas dienstälteste lebende Witwe" nennt Wagenbach sich deshalb selbst gern.
Über seine Grand Tour nach Italien auf dem Fahrrad gibt er ebenso beredt Auskunft wie über die Forschungsreisen auf Kafkas Spuren nach Israel und in die Tschechoslowakei, wo er als Reisezweck den offiziösen Egon Erwin Kisch angab, um den verbotenen Kafka zu finden. Was Wagenbachs ersten Auftritt bei der Gruppe 47 angeht, so erinnerte sich später Hans Werner Richter, dass er, als er ihn da sitzen sah, bloß dachte: "Wie kommt denn der Junge hierher, ein Abiturient, vielleicht ein Pfadfinder, ein Sohn von Hans Mayer konnte es nicht sein, Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger waren zu jung, um als Mütter in Betracht zu kommen. Der hat sich eingeschlichen."
Mit Rührung schreibt Wagenbach zum Tod des Dichters Erich Fried. Und hält auch nicht mit Wut und Enttäuschung zurück, etwa über Wolf Biermann, den er noch zu dessen DDR-Zeit publizierte und der dann nach der Ausbürgerung den Verlag wechselte, ohne Wagenbachs Verlagsräume je betreten zu haben. F. C. Delius trägt er nach, dass der einst zur Revolte gegen den Verleger aufrief. Bis heute ist er der unverwüstliche, leidenschaftliche und unabhängige Verleger geblieben, der mit seinem Meinungsverlag um Bücher kämpft, als gäbe es keine Konzerne. Ein Dogmatiker ist er nicht: Dass er in seiner Grabrede für Ulrike Meinhof 1976 die von RAF-Terroristen Ermordeten aufrechnete gegen die durch die Polizei bei der Fahndung Getöteten ist ihm heute "peinlich", wie er kürzlich im "Spiegel" gestand: "Ich wusste eigentlich damals schon, wie verrückt das alles war."
Klaus Wagenbach hat als Verleger Literatur- und Kulturgeschichte geschrieben. Dabei ist ihm zuletzt noch das Kunststück gelungen, woran viele seiner Kollegen scheitern, nämlich die eigene Nachfolge rechtzeitig zu klären. Während die einen ihren Nachkommen juristische Knobelaufgaben mit auf den Weg geben und andere lieber dichtmachen, als den Verlag fremden Händen zu überlassen, hat Klaus Wagenbach sein Haus frühzeitig und ohne Drama seiner Frau Susanne Schüssler übergeben. Er selbst kommt als Altlektor im Nebenzimmer an der Schreibmaschine allenfalls noch als Feuerwehrmann zum Einsatz - bei empfindsamen Übersetzern, älteren Autoren, beleidigten Lesern. Er weiß: So viel List muss ein Verleger lebenslang angesammelt haben, um sich als Pensionär nützlich machen zu können.
Klaus Wagenbach: "Die Freiheit des Verlegers". Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe. Wagenbach Verlag, Berlin 2010. 350 S., geb., 19,90 [Euro].
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Klaus Wagenbach hat Literatur- und Kulturgeschichte geschrieben. Zu seinem achtzigsten Geburtstag blickt der selbsternannte Verleger für wilde Leser zurück.
Von Sandra Kegel
Die Macht der Leser bekam Klaus Wagenbach schon als Schüler zu spüren, als er mit Freunden das Feuilleton des "Eppsteiner Boten" übernahm. Den Kulturteil des Blatts, das in einer Auflage von achthundert Stück erschien, bestückten die Jungredakteure hauptsächlich mit einem Roman: "Dornen" von Thea Schröck-Beck, den sie irgendwo gefunden und hemmungslos gekürzt hatten. Und als es ihnen langweilig wurde, ließen sie den Helden sterben. Anderntags wurde die Druckerei von empörten Abonnenten gestürmt. Wie seine "wilden Leser" hat auch Klaus Wagenbach, dieser laut Selbstbeschreibung "politische Knurrer von hemmungslosem Optimismus", den Sturm auf die Paläste nie gescheut. Im Gegenteil verweist er heute, da ihm das Alter eine gewisse Milde erlaubt, mit Stolz darauf, der meistvorbestrafte lebende deutsche Verleger zu sein.
Die Prinzipien, auf die er 1964 seinen Verlag gründete - Hedonismus, Anarchie, Geschichtsbewusstsein - sind ihm nach wie vor heilig. Denn aller Italienleidenschaft zum Trotz, die sich im Klaus Wagenbach Verlag seit vielen Jahren niederschlägt, hat der Begründer der Toskana-Fraktion und notorische Rote-Socken-Träger ja eine sehr deutsche und also politische Vergangenheit. Darüber gibt jetzt ein Sammelband vielfach Auskunft, den der Verlag zu Wagenbachs achtzigstem Geburtstag am morgigen Sonntag in gewohnt bibliophiler Manier mit rotem Leineneinband und händisch aufgeklebtem Foto des Jubilars herausbringt: "Die Freiheit des Verlegers". Das Buch bündelt Schriften aus dem Leben des Verlagsgründers und zur Geschichte des Hauses und liest sich als Rückblick auf mehr als sechs bewegte Jahrzehnte. Es ist ein schillerndes Konvolut zur kulturellen und geistigen Geschichte der Bundesrepublik.
Auf früheste Kindheitserinnerungen aus Kriegstagen, erste Begegnungen mit Amerikanern, auf den Übergang von der alten Ordnung in die neue und die beginnende Adenauerzeit, die Wagenbach in Oberhessen verbringt, wo sein Vater Landrat ist und mit einem Adler-Triumph durch die Gegend braust "und die Demokratie aufbaut" und er eigentlich Chemiker werden will, folgen Lehrjahre bei Suhrkamp und S. Fischer in Frankfurt. 1964 kommt es zum ersten Bruch in Wagenbachs Vita, als er, inzwischen zum Lektor avanciert, bei S. Fischer fristlos gefeuert wird, nachdem er gegen die Verhaftung eines DDR-Verlegers auf der Buchmesse protestiert hatte. Da keimt in dem jungen Mann die Idee eines "gesamtdeutschen Verlags", und zwar in Berlin, der Stadt also, die zu jener Zeit verloren schien, wie Wagenbach schreibt. Der Verkauf einer Wiese im Taunus, die er dem Vater abtrotzt, bildet das Startkapital. Aber ein Jahr später macht ihm die DDR den Traum zunichte, zunächst mit Einreise-, dann mit Durchreiseverbot.
Diesseits der Mauer hingegen wird der junge Berliner Verlag rasch nicht nur zur literarischen Heimat junger deutschsprachiger Autoren wie Günter Grass, Ingeborg Bachmann, Peter Rühmkorf und Erich Fried, sondern als linke Institution von einer ganzen studentenbewegten Generation entdeckt und vereinnahmt. In den Siebzigern dann, als die Schriften der APO, von Dutschke, Mao sowie Ulrike Meinhofs "Bambule" bei Wagenbach erscheinen, ist es nur einem pfiffigen Anwalt, Otto Schily, zu verdanken, dass der Verlag im Strudel von Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren und verlorenen Prozessen nicht untergeht. Viele Linke hielten es für selbstverständlich, erinnert sich Wagenbach, "im Verlag arbeiten zu können. Oder zu volontieren. Oder zu übernachten. Oder wenigstens zu fotokopieren. Und jedenfalls gehörte mein Auto der Bewegung." Für ein halbes Jahrzehnt verwandelt sich das Haus in eine Nachrichtenbörse, ein Nachtlager und Mittagstisch, kurz: in einen Dienstleistungsbetrieb für wütende Studenten. Wie ernüchternd das Erwachen aus dem Traum vom Kollektiv war, zeigt sich 1973, als es zur Spaltung zwischen Wagenbach und Rotbuch kommt.
Mit Leidenschaft ist Wagenbach immer dann bei der Sache, wenn es ums Handwerk des Verlegers geht. Eine Begabung nennt er das, "was auf Blättern geschrieben da ist, auf einem ganzen Konvolut von Blättern, in eine plastische Gestalt zu übersetzen, in die Buchgestalt". Drei Definitionen fallen ihm als Voraussetzung fürs Büchermachen ein: Enthusiasmus, Zufall und technische Besorgnisse. Allen inhaltlichen Häutungen zum Trotz - dass der gelernte Verlagsfachmann von Büchern etwas versteht, sieht man seiner Produktion bis heute an. Da hält er es mit seinem einstigen Meister, dem Herstellungsleiter bei Fischer, Fritz Hirschmann, der ihm einbleute, "dass Bücher nicht nur billig, sondern auch schön zu sein hätten". Von ihm bekam Wagenbach damals ein schäbig gedrucktes Buch in die Hand gedrückt: "Bub, schätz das mal!" Und als er begann, die Zeilen zu zählen, entdeckte er einen Autor, von dem er bis dahin nichts gelesen hatte und der ihn nach einer Promotion sowie vielen weiteren Publikationen bis heute nicht losgelassen hat: "Kafkas dienstälteste lebende Witwe" nennt Wagenbach sich deshalb selbst gern.
Über seine Grand Tour nach Italien auf dem Fahrrad gibt er ebenso beredt Auskunft wie über die Forschungsreisen auf Kafkas Spuren nach Israel und in die Tschechoslowakei, wo er als Reisezweck den offiziösen Egon Erwin Kisch angab, um den verbotenen Kafka zu finden. Was Wagenbachs ersten Auftritt bei der Gruppe 47 angeht, so erinnerte sich später Hans Werner Richter, dass er, als er ihn da sitzen sah, bloß dachte: "Wie kommt denn der Junge hierher, ein Abiturient, vielleicht ein Pfadfinder, ein Sohn von Hans Mayer konnte es nicht sein, Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger waren zu jung, um als Mütter in Betracht zu kommen. Der hat sich eingeschlichen."
Mit Rührung schreibt Wagenbach zum Tod des Dichters Erich Fried. Und hält auch nicht mit Wut und Enttäuschung zurück, etwa über Wolf Biermann, den er noch zu dessen DDR-Zeit publizierte und der dann nach der Ausbürgerung den Verlag wechselte, ohne Wagenbachs Verlagsräume je betreten zu haben. F. C. Delius trägt er nach, dass der einst zur Revolte gegen den Verleger aufrief. Bis heute ist er der unverwüstliche, leidenschaftliche und unabhängige Verleger geblieben, der mit seinem Meinungsverlag um Bücher kämpft, als gäbe es keine Konzerne. Ein Dogmatiker ist er nicht: Dass er in seiner Grabrede für Ulrike Meinhof 1976 die von RAF-Terroristen Ermordeten aufrechnete gegen die durch die Polizei bei der Fahndung Getöteten ist ihm heute "peinlich", wie er kürzlich im "Spiegel" gestand: "Ich wusste eigentlich damals schon, wie verrückt das alles war."
Klaus Wagenbach hat als Verleger Literatur- und Kulturgeschichte geschrieben. Dabei ist ihm zuletzt noch das Kunststück gelungen, woran viele seiner Kollegen scheitern, nämlich die eigene Nachfolge rechtzeitig zu klären. Während die einen ihren Nachkommen juristische Knobelaufgaben mit auf den Weg geben und andere lieber dichtmachen, als den Verlag fremden Händen zu überlassen, hat Klaus Wagenbach sein Haus frühzeitig und ohne Drama seiner Frau Susanne Schüssler übergeben. Er selbst kommt als Altlektor im Nebenzimmer an der Schreibmaschine allenfalls noch als Feuerwehrmann zum Einsatz - bei empfindsamen Übersetzern, älteren Autoren, beleidigten Lesern. Er weiß: So viel List muss ein Verleger lebenslang angesammelt haben, um sich als Pensionär nützlich machen zu können.
Klaus Wagenbach: "Die Freiheit des Verlegers". Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe. Wagenbach Verlag, Berlin 2010. 350 S., geb., 19,90 [Euro].
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Wie viel Intelligenz mit Witz zu tun hat, oder zumindest zu tun haben sollte, ist den hier gesammelten, größtenteils bislang unveröffentlichten "Erinnerungen, Festreden, Seitenhieben" des Berliner Verlegers Klaus Wagenbach zu entnehmen. Sicher, manches davon, wie zum Beispiel die Grabrede auf Ulrike Meinhof, ist heute wohl selbst in den Augen von Klaus Wagenbach kein Dokument geistiger Unabhängigkeit von den einstigen Zeitströmungen. Doch das meiste, was sich in diesem Buch findet, ist beneidenswert souverän, scharfsinnig und in einem so schlanken Stil geschrieben, dass die Pointen scheinbar wie von alleine aufs Papier plumpsen. Vor allem die Porträts aus dem Literaturbetrieb haben mir ausnehmend gut gefallen: Von Johannes Bobrowski bis Günter Bruno Fuchs, von Stephan Hermlin bis Wolf Biermann, von Erich Fried bis Michael Krüger fängt Wagenbach sie alle mit sicherem Blick, präzisem Ton und viel Sinn für wirkungsvolle Anekdoten ein. Der Band ist ein Geschenk, das ihm sein Verlag zum 80. Geburtstag am 11. Juli gemacht hat. Doch Freude an dieser Festgabe hat nicht nur der Jubilar, sondern vor allem auch der Leser.
Wsk
Wsk
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Das Leben und Werk des linken Verlegers Klaus Wagenbach, wie es in den eher kleinen als großen Konfessionen dieses Bandes sich darstellt, erzählt die Rezension Sandra Kegels im wesentlichen nur nach. Von der entscheidenden Begegnung mit den Texten Franz Kafkas, über die erste Italienreise mit dem Rad, die nicht unwichtig war für die spätere Entstehung der Toskana-Fraktion, über die wilden Siebziger, in denen es zur Abspaltung des Rotbuch-Verlags kam bis zur friedlichen Übergabe des Verlags in die Hände seiner Ehefrau. Über "Enttäuschungen" (Wolf Biermann vor allem) schreibt Wagenbach ebenso sehr wie mit "Leidenschaft" über die handwerkliche Seite des Büchermachens. Die Texte aus mehreren Jahrzehnten lesen sich, so Kegel, als "schillerndes Konvolut", aus dem man sehr viel über die Geschichte Nachkriegsdeutschlands erfährt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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