18,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

3 Kundenbewertungen

Necla Kelek, Türkin mit deutschem Pass, deckt die Ursachen dieses Skandals auf. Sie ist in die Moscheen gegangen und hat mit den 'Importbräuten' gesprochen, sie forscht den Traditionen nach und zeigt, wie sich die Parallelgesellschaft verfestigt, an der die Integration immer wieder scheitert. Sie erzählt von ihrem Urgroßvater, einem Tscherkessen, der mit dem Verkauf von Sklavinnen an den Harem des Sultans zu Reichtum kam. Ihr Großvater raubte als Partisan seine junge Frau; der Vater kaufte seine Frau für zwei Ochsen und wurde als einer der ersten Türken 'Gastarbeiter' in Deutschland. Und sie erzählt von ihrem eigenen Weg in die Freiheit.…mehr

Produktbeschreibung
Necla Kelek, Türkin mit deutschem Pass, deckt die Ursachen dieses Skandals auf. Sie ist in die Moscheen gegangen und hat mit den 'Importbräuten' gesprochen, sie forscht den Traditionen nach und zeigt, wie sich die Parallelgesellschaft verfestigt, an der die Integration immer wieder scheitert. Sie erzählt von ihrem Urgroßvater, einem Tscherkessen, der mit dem Verkauf von Sklavinnen an den Harem des Sultans zu Reichtum kam. Ihr Großvater raubte als Partisan seine junge Frau; der Vater kaufte seine Frau für zwei Ochsen und wurde als einer der ersten Türken 'Gastarbeiter' in Deutschland. Und sie erzählt von ihrem eigenen Weg in die Freiheit.
Autorenporträt
Necla Kelek wurde in Istanbul geboren und lebt in Berlin. Sie hat Volkswirtschaftslehre und Soziologie studiert und wurde zum Dr. phil. promoviert. Ihre Bücher 'Die fremde Braut', 'Die verlorenen Söhne', 'Bittersüße Heimat' und 'Him melsreise' sind Best- und Longseller und haben die Debatte um Integration und den Islam in Deutschland nachhaltig geprägt. Necla Kelek wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005, dem Hildegard-von-Bingen-Preis 2009 und zuletzt dem Freiheitspreis 2011.
Rezensionen
»Necla Kelek leistet mit ihrem Buch einen wichtigen Beitrag, die Integrationsdebatte noch intensiver zu führen als bisher.« Otto Schily Der Spiegel

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Nur zum Teil überzeugt ist Ludwig Ammann von Necla Keleks Bericht über das Wesen der Zwangsheirat. Zurecht beschreibe Kelek zurecht die türkische Heiratsmigration als ein Haupthindernis der Integration: Die typische Import-Braut ist jung und ungebildet, spricht kein Wort Deutsch, wenn sie nach Deutschland kommt und zieht ihre Kinder in einer von Außenkontakten abgeschottteten ethnischen Enklave auf. Die Folgen für Bildung und Erziehung der Kinder sind katastrophal. Amman stimmt ihr auch darin zu, dass das Mindestalter für einen Zuzug nach der Heirat heraufgesetzt werden muss. Inakzeptabel findet er aber, dass Kelek die Schuld für die mangelnde Integrationsbereitschaft der "islamischen Leitkultur" bei den Migranten sieht. Hier vermutet er antiislamisches Ressentiment und erinnert an Keleks eigene Dissertation, in der sie türkischen Jugendlichen noch eine weitgehende Anpassungsbereitschaft an westliche Lebensweisen bescheinigte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2005

Pardon, sind Sie blutsverwandt?
Islamische Geschichten über Importbräute und Schwarze Witwen

"Darf ich mal reinkommen?" fragte die Türkin aus der Wohnung darüber mit munter blinkenden Augen, um dann streng prüfend in alle Ecken zu sehen. "Ja, schön haben Sie es. Bei mir ist eine Arbeitskollegin, die gerne in einer großen Wohnung mit hohen Decken leben würde. Die liest auch Bücher und kocht gerne und so. Soll ich Sie vielleicht mal zusammen einladen?" Das war natürlich weniger als der Beginn einer arrangierten Ehe, aber mehr doch als bloße Kuppelei. Vielmehr zeigt sich da ein durch Tradition angeleitetes Verantwortungsgefühl für das Wohl des Nächsten, wo dessen für ihn zuständige Familie aus Gründen, über die man nicht richten soll, ihre Aufgabe nicht bewältigt. Genau wie zum Opferfest eine Bohnensuppe und ein Pilaw vom eigens geschlachteten Hammel vorbeigebracht werden.

Im übrigen muß man nur zwei Schritte vom Gewohnten wegdenken, um zu sehen, daß die Idee einer solchen Vermittlung gar nicht so dumm ist, kennt die Mittlerin doch beide Parteien lange genug, um zuverlässige Aussagen über deren Charakter und das heißt über deren zukünftiges Verhalten machen zu können. Jedenfalls gilt das, solange der gemeinsame Alltag aus einem allgemein bekannten Bündel zu bewältigender Aufgaben besteht, die Partnerwahl also nicht unterschiedliche Lebensgeschichten und Interessen miteinander abzugleichen hat. Außerdem muß es die Möglichkeit geben, nein zu sagen.

Atatürk läßt grüßen

"Arrangierte Ehen sind Zwangsheiraten und gehören verboten." Von der eigenen tscherkessisch-türkischen Familiengeschichte, von der Rolle der Frau im Islam, von Hochzeitsbräuchen und von Gesprächen mit deutschen Türkinnen erzählt Necla Kelek, damit endlich etwas geschieht gegen die Brautimporte aus der Türkei. Sie plädiert für Gesetze, die Familienzusammenführungen aufgrund von Eheschließungen erst ab dem 21. oder besser 24. Lebensjahr der Beteiligten genehmigen. Für den einreisenden Ehepartner müsse "schon bei der Einreise das Verständnis der deutschen Sprache und Kultur" geprüft und eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung vom erfolgreichen Abschluß von Integrationskursen abhängig gemacht werden. Der bereits in Deutschland lebende Partner solle "über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr nachweisen, daß er ein für den Familienaufenthalt ausreichendes Einkommen durch Arbeit bezieht und einen eigenen Haushalt führt". Von der Ersparnis bei der Sozialhilfe ganz abgesehen, würde damit verhindert, daß die Importbraut im Haushalt ihrer Schwiegereltern als kostenlose Haushaltshilfe eingesetzt wird.

Schon um den Gefahren genetisch bedingter Erkrankungen von Kindern aus den - im ganzen Orient typischen - Cousin-Cousinen-Heiraten vorzubeugen, dürfe "die Einreise blutsverwandter Ehepartner nicht erlaubt werden". Selbstverständlich müsse außerdem Zwangsheirat ein Straftatbestand sein (was sie als Nötigung immer schon war). Es gehe indes nicht nur um die Verfolgung allemal schwer nachzuweisender Straftaten, sondern um "Vorbeugung und Verhinderung von Entmündigung". "Die jungen Menschen müssen vor der Bevormundung durch ihre Familie geschützt werden."

Geschützt werden müsse auch die deutsche Gesellschaft vor sich selber. Obwohl die Türken sich "massenhaft in ihre Moscheen zurückgezogen" haben und "ihre islamische Welt verteidigen", obwohl die Türken sich "mit Hilfe der deutschen Errungenschaften von Sozialversicherung und Arbeitslosenunterstützung" längst in einer Parallelgesellschaft eingerichtet haben, "meint die deutsche Gesellschaft, bei den Ausländern in der Schuld zu stehen". "Gerade die gutmeinenden Deutschen neigen dazu, in jedem hier Asyl suchenden Ausländer den Wiedergänger eines vor dem Holocaust zu rettenden Juden zu sehen" und darüber "muslimischer als die Muslime" zu werden. So tragen diejenigen, die es "geschafft haben, in diesem Land anzukommen, die doppelte Verantwortung".

Sie allein können aussprechen, was bei Türken wie bei Deutschen tabuisiert ist: "Die Leitkultur auch bei vielen Türken in Deutschland ist der Islam", und der Islam vertritt ein Welt- und Menschenbild, das mit den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft nicht vereinbar ist. Er fordert die Unterordnung des einzelnen unter die Interessen des Ganzen und insbesondere die Unterordnung der Frau unter den Mann. In der türkisch-islamischen Kultur ist "die Liebe zwischen Mann und Frau nicht vorgesehen", statt dessen "versteckt die türkisch-islamische Gemeinde die Frauen unter Kopftüchern", was insbesondere für die "Persönlichkeitsentwicklung" junger Frauen "fatal" sei.

So oft wie die Autorin bekräftigt, in der deutschen Gesellschaft "angekommen" zu sein, ist vielleicht die Entgegnung erlaubt, daß "Kopftuch ab!"-Rufe und die Behandlung des Islam als einer rückständigen Religion eher dem Geist der nicht eben grundrechtsfreundlichen Atatürkschen Reformen verhaftet sind. Aber fraglos werden junge Türkinnen von ihren Brüdern, ihrer Schwiegermutter, ihrem Ehemann oft arg drangsaliert, und der Versuch, die Familie zu verlassen, kann Gefahr für Leib und Leben bedeuten. Darum ist es wichtig, an den richtigen Stellen die Beratungen zu intensivieren, Frauenhäuser besser auszustatten. Falsch, fatal wäre es jedoch, alle Türken, die einen Ehepartner in der Türkei gefunden haben, nicht nur unter Generalverdacht zu stellen, sondern ihnen erhebliche rechtliche Einschränkungen aufzuerlegen. Auch eine Thailänderin oder heute eine Moldauerin, deren Ehen vermittelt wurden, auch eine junge Schönheit, die einen alten, reichen Mann geheiratet hat, alle haben sie einen Anspruch, daß wir nicht davon ausgehen, sie hätten sich nur von den anerzogenen Werten des Materialismus nicht hinreichend befreit. Selbst wenn anfangs Armut oder Eltern gedrängt haben sollten, haben sie die Möglichkeit, das Arrangement in Liebe zu verwandeln. Ob das gelungen ist, ob sie den Versuch fortführen wollen, müssen sie selber entscheiden. Daß arrangierte Ehen unglücklicher enden als Liebesheiraten, dürfte nicht leicht nachzuweisen sein.

Schon das Material des Buches widerspricht im übrigen seiner These. "Die neue Braut himmelte ihren Bräutigam an." Die Arrangements werden akzeptiert "in der trügerischen Hoffnung, das Leben in Deutschland könne nur besser werden". Da gibt es Schwiegereltern, die dem Brautpaar das Schlafzimmer überlassen, selber sich auf einer Liege einrichten, also doch den Generationswechsel sichtbar machen. Da gibt es anscheinend problemlose Trennungen und Scheidungen, und da gibt es eine Frau Hodscha, die die Autorin lebhaft auffordert, sich doch selber mit den Frauen zu unterhalten. Vor allem gibt es die Frauen, die ihren Frieden aus der Zuwendung zum Islam gewonnen haben. "Seit ich in die Moschee gehe, ist alles leichter geworden." "Auch mit meinem Mann komme ich gut klar." Für die Autorin ist das ein "psychologisch interessanter Vorgang". Die Frauen, die den Bruch mit der Familie nicht ertrügen, "reagieren nicht mit Rebellion, wie man es von deutschen Jugendlichen kennt, sondern mit Überanpassung".

Doch eine solche Denunziation betreibt nicht nur die Entmündigung, gegen die anzugehen sie vorgibt, sie widerspricht auch der Erfahrung. Gerade die engagiert muslimischen jungen Frauen sind oft kluge und selbstbewußte Gesprächspartner. Mehr als die Autorin dürfte jene traditionelle Türkin von den demokratischen Werten verstanden haben, die auf die Forderung nach Integration entrüstet antwortet: "Ich habe dreißig Jahre lang hier gearbeitet, das dürfte doch wohl reichen!"

Von den Importbräuten zu den Schwarzen Witwen. Sabine Adler hat die Selbstdarstellung einer Tschetschenin, die sich aus Angst vor Zwangsrekrutierung mehr oder weniger freiwillig in russische Schutzhaft begeben hat, Interviews mit Geiseln aus dem Moskauer Musicaltheater und verschiedene tschetschenische Fallgeschichten zu einem dokumentarischen Roman verwoben. Das ist sprachlich wie sachlich offenbar mit Eile geschehen. Der Araber Jassir spricht zu einigen Aseris "in gebrochenem Tschetschenisch", und Medina übersetzt dann, "was Jassir auf russisch gesagt hatte". Dieselbe Sarema, die den Rucksack, mit dem sie eine Polizeistation sprengen soll, absetzt, kann sich einige Seiten später von dem Rucksack, mit dem sie ein Café sprengen soll, nicht trennen. (Die erste Version entspricht der Realität.)

Wenn Raissa das Lehrbuch mit dem arabischen Alphabet auswendig weiß und sich endlich einmal mit Arabern unterhalten möchte, kennt die Autorin nicht die Praxis, den Koran ohne Sinnverständnis nur als Lautfolge auf arabisch zu rezitieren. Und wenn eine Tschetschenin im saudiarabisch finanzierten Trainingslager durch einen ausführlich beschriebenen Zikr "an den Tanz eines afrikanischen Eingeborenenstammes" erinnert wird, dürfte in der Vorlage Zikr im weiten Sinne der Rezitation verwendet worden sein. Die Autorin fand dann beim Nachschlagen den im Deutschen geläufigen Sinn des Derwischtanzes. Aber Wahhabis haben für Sufismus rein gar nichts übrig. Genauso falsch ist es, daß fromme Tschetschenen, die sich mit vierzig einen Bart wachsen lassen, nicht mehr trinken dürfen - sie durften es auch schon vorher nicht.

Es wird gedreht und gewendet

"Die fremde Braut" von Necla Kelek ist bei weitem das bessere Buch. Trotzdem gibt es auch bei Adler eindrucksvolle Schilderungen zumal von den chaotischen Zuständen im Musicaltheater, von den russischen Grausamkeiten. Nur taugt das Erklärungsmodell nichts. Im ersten Drittel ihrer Schilderung werden, wie dem ethnographischen Lehrbuch entnommen, eine traditionelle Hochzeit und eine Blutrache ausgemalt. Vor dieser Folie erscheint die Heldin als eine Frau, die im Gegensatz zu den traditionellen Tschetscheninnen, die "fast nie aus sich heraus handeln", "Sehnsüchte und Wünsche" hatte. Doch das ganze Buch über werden Frauen angeführt, die entweder aus politischer oder religiöser Überzeugung handeln oder, in den weitaus meisten Fällen, genötigt werden, über ihre wahre Aufgabe im unklaren bleiben. Das hat mit traditionellen tschetschenischen Ehrenkodizes nichts zu tun.

Tradition nehmen beide Autorinnen - und nicht nur sie - als etwas, das seit Urzeiten besteht und die Menschen bewegt wie eine Naturkraft. Dabei ist die ethnologische Literatur voll von Erzählungen, mit wieviel List und Humor die Menschen schon in den einfachsten Gesellschaften ihre eigenen Regeln drehen und wenden. Und sie ist voll davon, wie manches uralt Geglaubte in Wahrheit rezente Erfindung ist. Da immer wieder neue Situationen entstehen, müssen die Regeln immer wieder neu verstanden werden. Das kann dann bedeuten, daß man den Koran befragt, wie sich angesichts der Unsittlichkeit der deutschen Gesellschaft ein Leben in Reinheit führen läßt. Es kann aber auch bedeuten, daß man seinen nichtmuslimischen Nachbarn in die Regeln des Opferfestes aufnimmt. Die Türkin von oben hat übrigens ihren Mann aus ihrem zentralanatolischen Dorf importiert. Bei Streitigkeiten behält hörbar sie die Oberhand. Worüber sie klagt, ist die Schichtarbeit.

GUSTAV FALKE

Necla Kelek: "Die fremde Braut". Ein Bericht aus dem Inneren des türkischen Lebens in Deutschland. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 269 S., geb., 18,90 [Euro].

Sabine Adler: "Ich sollte als Schwarze Witwe sterben". Die Geschichte der Raissa und ihrer toten Schwestern. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005. 348 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr