Am Anfang einer Tagung über Karl Jaspers in Heidelberg sollte sich jeder Redner vorstellen. Der eine war Philosoph, der nächste Theologe, ein anderer Historiker.
Ich wurde lächelnd befragt, was ich denn eigentlich sei. Ich antwortete: «Moralpädagoge», was ein gutmütiges Lachen provozierte. Aber ich meinte es ernst und lasse mich gern so bezeichnen. 1980 schrieb ein deutscher Journalist, meine Losung sei: «Durch Wissen und Wärme aufklärerisch beeinflussen.» Dies ist in der Tat mein ständiges Ziel.
«Ein großer Geist.»
ULRICH WICKERT
«Einer der bekanntesten Politikwissenschaftler und Historiker Europas.»
HESSISCHER RUNDFUNK
Ich wurde lächelnd befragt, was ich denn eigentlich sei. Ich antwortete: «Moralpädagoge», was ein gutmütiges Lachen provozierte. Aber ich meinte es ernst und lasse mich gern so bezeichnen. 1980 schrieb ein deutscher Journalist, meine Losung sei: «Durch Wissen und Wärme aufklärerisch beeinflussen.» Dies ist in der Tat mein ständiges Ziel.
«Ein großer Geist.»
ULRICH WICKERT
«Einer der bekanntesten Politikwissenschaftler und Historiker Europas.»
HESSISCHER RUNDFUNK
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2011Tiefere Bedeutung
Alfred Grosser aktualisiert seine Lebensbilanz
Als "Moralpädagoge" wird Alfred Grosser im Klappentext empfohlen. Den Gestus des "elder scienceman" pflegen seine Werke seit vielen Jahren, und in seinen 1997 erschienenen Memoiren hat er die beeindruckende Summe seines intellektuellen, moralischen und humanistischen Engagements gezogen. Wer das eine oder andere kennt, der findet in der neuesten Bilanz viel Vertrautes. Doch nicht so sehr die Frage "Was ist neu?" als die, weshalb er seine Ein- und Ansichten wieder vorlegt, führt zum Kern seines Lebensanliegens. An mehreren Stellen beschreibt sich Grosser als Prediger. Der überzeugte Atheist erweist sich als skeptischer Sympathisant des Glaubens, vor allem dann, wenn dieser zu sozialem und karitativem Engagement und Nächstenliebe führt.
Nicht von ungefähr beruft er sich auf Bischof Myriel aus Victor Hugos Romanepos "Die Elenden", die Verkörperung des Glaubens an das Gute im Menschen, dessen selbstlose Güte den finsteren Galeerensträfling Jean Valjean in einen beispiellosen Wohltäter und Helden der Selbstverleugnung verwandelt. Menschen verwandeln: Sie durch Aufklärung nachdenklich, durch Ansporn mitfühlender, durch Kritik weniger unnachsichtig machen - das möchte Alfred Grosser. Sein Mittel dazu ist das Wort, und zwar das gesprochene weit eher als das geschriebene. Auch insofern ähnelt der Text an vielen Stellen einer Predigt, denn er springt, nur locker von Kapitelüberschriften gebändigt, von einer Assoziation zur nächsten, mischt Persönliches mit dem Weltgeschehen, macht sich lustvoll an der Tagesaktualität fest, um sie stets auf die Prinzipien eines humanistischen Credos zurückzuführen.
Daher lässt sich nur ein Eindruck des Bogens vermitteln, den das Buch inhaltlich schlägt. Die Klammer bilden Betrachtungen über seine Chancen zum Glück und über die Freude an seinem ausgefüllten Leben. Die Kapitel dazwischen behandeln vor allem Verhältnisse - das von Politik und Moral ebenso wie jenes von Geld und Macht. Solche Passagen erweisen in Tonlage und Perspektive Grossers Wahlverwandtschaft zu Helmut Schmidt, den er mehrfach lobend zitiert. Dabei umfasst der Themenkatalog nahezu die gesamte europäische Zeitgeschichte seit 1945. Auch von den Debatten der vergangenen Jahre bleibt kaum eine außen vor. Finanzmarktkrise, Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab", Präimplantationsdiagnostik, Kritik an der Selbstherrlichkeit von Nicolas Sarkozy: Grosser hat zu allem etwas zu sagen. Das hat wegen der Lust des Autors an der Provokation und seinem Sinn für Ironie einigen Unterhaltungswert, aber ihm geht es um mehr: Er möchte sein Publikum zur kritischen Stellungnahme ermuntern. Die eindringlichsten Passagen sind diejenigen, in denen er keine Antworten gibt, sondern die Fragen nach der ethischen Grundlage für gesellschaftliches und politisches Handeln stellt.
Der Leser erfährt daneben viel über die Einstellungen Grossers zu Sport und Kultur, zur Presse und zur Wissenschaft. Der Autor porträtiert in liebevollen Miniaturen seine Mutter und seine Ehefrau. Vor allem reflektiert Grosser die Grundlagen seiner Spiritualität. Die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben, Begegnungen mit kirchlichen Würdenträgern und mit einfachen Christen, die Frage nach dem Leid in der Welt und nach dem Sinn des Todes füllen ein Drittel des Buches. Sie bilden das geistige Gravitationszentrum des Textes. Grosser lehnt den Kern der christlichen Frohbotschaft ab, die Existenz Gottes und die Erlösung des Menschen durch das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi. Er kritisiert scharf die Verbrechen, Unterdrückung und Intoleranz der Kirche durch die Jahrhunderte. Zugleich teilt er viele Maßgaben, die Gläubige aus der Bergpredigt ableiten, und kokettiert mit der Meinung seiner Zeitgenossen, er sei ein Christ, ohne es zu wissen. Grosser selbst weist dies entschieden zurück und umschreibt sein Verhältnis zu Gläubigen, er wolle "mitempfindend positiv mitwirken". In seinem eigenen Credo käme das Wort "Gott" nicht vor. Es ist das eines engagierten Humanisten, dem Freiheit, Toleranz und Offenheit am höchsten gelten.
BERNHARD GOTTO
Alfred Grosser: Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 288 S., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alfred Grosser aktualisiert seine Lebensbilanz
Als "Moralpädagoge" wird Alfred Grosser im Klappentext empfohlen. Den Gestus des "elder scienceman" pflegen seine Werke seit vielen Jahren, und in seinen 1997 erschienenen Memoiren hat er die beeindruckende Summe seines intellektuellen, moralischen und humanistischen Engagements gezogen. Wer das eine oder andere kennt, der findet in der neuesten Bilanz viel Vertrautes. Doch nicht so sehr die Frage "Was ist neu?" als die, weshalb er seine Ein- und Ansichten wieder vorlegt, führt zum Kern seines Lebensanliegens. An mehreren Stellen beschreibt sich Grosser als Prediger. Der überzeugte Atheist erweist sich als skeptischer Sympathisant des Glaubens, vor allem dann, wenn dieser zu sozialem und karitativem Engagement und Nächstenliebe führt.
Nicht von ungefähr beruft er sich auf Bischof Myriel aus Victor Hugos Romanepos "Die Elenden", die Verkörperung des Glaubens an das Gute im Menschen, dessen selbstlose Güte den finsteren Galeerensträfling Jean Valjean in einen beispiellosen Wohltäter und Helden der Selbstverleugnung verwandelt. Menschen verwandeln: Sie durch Aufklärung nachdenklich, durch Ansporn mitfühlender, durch Kritik weniger unnachsichtig machen - das möchte Alfred Grosser. Sein Mittel dazu ist das Wort, und zwar das gesprochene weit eher als das geschriebene. Auch insofern ähnelt der Text an vielen Stellen einer Predigt, denn er springt, nur locker von Kapitelüberschriften gebändigt, von einer Assoziation zur nächsten, mischt Persönliches mit dem Weltgeschehen, macht sich lustvoll an der Tagesaktualität fest, um sie stets auf die Prinzipien eines humanistischen Credos zurückzuführen.
Daher lässt sich nur ein Eindruck des Bogens vermitteln, den das Buch inhaltlich schlägt. Die Klammer bilden Betrachtungen über seine Chancen zum Glück und über die Freude an seinem ausgefüllten Leben. Die Kapitel dazwischen behandeln vor allem Verhältnisse - das von Politik und Moral ebenso wie jenes von Geld und Macht. Solche Passagen erweisen in Tonlage und Perspektive Grossers Wahlverwandtschaft zu Helmut Schmidt, den er mehrfach lobend zitiert. Dabei umfasst der Themenkatalog nahezu die gesamte europäische Zeitgeschichte seit 1945. Auch von den Debatten der vergangenen Jahre bleibt kaum eine außen vor. Finanzmarktkrise, Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab", Präimplantationsdiagnostik, Kritik an der Selbstherrlichkeit von Nicolas Sarkozy: Grosser hat zu allem etwas zu sagen. Das hat wegen der Lust des Autors an der Provokation und seinem Sinn für Ironie einigen Unterhaltungswert, aber ihm geht es um mehr: Er möchte sein Publikum zur kritischen Stellungnahme ermuntern. Die eindringlichsten Passagen sind diejenigen, in denen er keine Antworten gibt, sondern die Fragen nach der ethischen Grundlage für gesellschaftliches und politisches Handeln stellt.
Der Leser erfährt daneben viel über die Einstellungen Grossers zu Sport und Kultur, zur Presse und zur Wissenschaft. Der Autor porträtiert in liebevollen Miniaturen seine Mutter und seine Ehefrau. Vor allem reflektiert Grosser die Grundlagen seiner Spiritualität. Die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben, Begegnungen mit kirchlichen Würdenträgern und mit einfachen Christen, die Frage nach dem Leid in der Welt und nach dem Sinn des Todes füllen ein Drittel des Buches. Sie bilden das geistige Gravitationszentrum des Textes. Grosser lehnt den Kern der christlichen Frohbotschaft ab, die Existenz Gottes und die Erlösung des Menschen durch das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi. Er kritisiert scharf die Verbrechen, Unterdrückung und Intoleranz der Kirche durch die Jahrhunderte. Zugleich teilt er viele Maßgaben, die Gläubige aus der Bergpredigt ableiten, und kokettiert mit der Meinung seiner Zeitgenossen, er sei ein Christ, ohne es zu wissen. Grosser selbst weist dies entschieden zurück und umschreibt sein Verhältnis zu Gläubigen, er wolle "mitempfindend positiv mitwirken". In seinem eigenen Credo käme das Wort "Gott" nicht vor. Es ist das eines engagierten Humanisten, dem Freiheit, Toleranz und Offenheit am höchsten gelten.
BERNHARD GOTTO
Alfred Grosser: Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 288 S., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Johannes Willms kann seine Enttäuschung gar nicht genug betonen. Von Alfred Grossers Lebensrückblick hätte sich Willms wirklich mehr erwartet. Mehr Reflexion, statt bloße Materialanhäufung und Namedropping, mehr darüber, wie sich Grosser als Kind in der französischen Diaspora zurechtfand und wie ausgerechnet er nach dem Krieg zum Aushängeschild deutsch-französischer Verständigung werden konnte. Das Skizzenhafte der Erinnerungen wird für Willms noch schwerer erträglich durch eher assoziative und mitunter vom Ressentiment geprägte Wertungen zu Musik, Theater und Literatur. Willms stößt auf groteske Fehlurteile und auf eine penetrante Eitelkeit des Autors, für die ein aufmerksames Lektorat seiner Meinung nach hätte zuständig sein müssen. Ein mitreißender, für den Leser erkenntnisbringender Lebensbericht, findet er, sieht anders aus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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