Wenn du keinen Ausweg mehr siehst ...
Für den Prolog wählte die Autorin als Tempus das Präsens. Die Handlung findet auf einem Polizeirevier statt, und der Leser wird direkt Zeuge einer Vernehmung. Noch erfährt man jedoch nicht, um welches Verbrechen es sich explizit handelt. Man kommt nicht
umhin, der Neugier nachzugeben und weiterzublättern.
Die Haupt-Story beginnt mit dem, was "vorher"…mehrWenn du keinen Ausweg mehr siehst ...
Für den Prolog wählte die Autorin als Tempus das Präsens. Die Handlung findet auf einem Polizeirevier statt, und der Leser wird direkt Zeuge einer Vernehmung. Noch erfährt man jedoch nicht, um welches Verbrechen es sich explizit handelt. Man kommt nicht umhin, der Neugier nachzugeben und weiterzublättern.
Die Haupt-Story beginnt mit dem, was "vorher" geschah.
Charlotte und Harriet sind Freundinnen. Während Charlotte als moderne Trendsetter-Mutter agiert, ist Harriet eher zurückhaltend und behält - wie für eine Übermutter typisch - ihre 4-jährige Tochter Alice stets im Auge. Überraschenderweise stimmt sie auf Charlottes Drängen hin zu, Alice bei ihr zu lassen, um an einem Buchhalterseminar teilzunehmen. Sicher ein mutiger Schritt für sie. Die Autorin beschreibt hier ziemlich ausdrucksstark die enge Bindung und die übertriebene Angst von Harriet um ihre Tochter. Und wie das Schicksal es will, ist Alice, wegen einem Moment der Unachtsamkeit, plötzlich aus Charlottes Obhut verschwunden.
»Also hat sie nicht hingesehen«, fuhr Brian fort. »Hat nicht auf meine Tochter aufgepasst, genau wie ich gesagt habe. Wahrscheinlich war sie an ihrem Handy. Das sieht man dauernd – Mütter, die ihre Kinder ignorieren, weil sie mit ihren Telefonen beschäftigt sind. Die meiste Zeit haben sie keine Ahnung, wo ihre Kinder überhaupt sind. [...]« (Zitat Position 914)
Als Mutter konnte ich beide Rollen aufgrund der schriftstellerischen Authentizität nachvollziehen, und mir zog sich das Herz zusammen. Das folgende Zitat war tatsächlich auch mein erster Gedanke, nachdem ich das Verschwinden der Kleinen mitverfolgt habe.
»Ich weiß nicht, ob es schlimmer ist, das eigene Kind zu verlieren oder das von jemand anderem.» (Zitat Position 1860)«
Während Charlotte für ihre Nachlässigkeit den Unmut der Öffentlichkeit zu spüren bekommt, erfährt der Leser auch mehr über Harriets Mann Brian, der mysteriös und undurchsichtig daherkommt. Die ohnehin schon heikle Lage spitzt sich mit jedem Kapitel mehr zu, und man fängt an zu mutmaßen, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Dabei wird dem Leser ausreichend Platz für eigene Vermutungen gelassen. Man darf miträtseln, mitfiebern, mitleiden. Die Autorin greift der Dramatik wegen gern in die Trickkiste und platziert kleine Cliffhanger zu den Kapitelenden, sodass man regelrecht vorangetrieben wird. Und als ab der Mitte des Buches die Handlung unerwartet in eine andere Richtung geht, ist der Spannungsbogen gänzlich am Höhepunkt angelangt.
In der zweiten Hälfte des Buches wird dann quasi parallel zur Vernehmung im Polizeirevier erklärt, was es mit der Entführung auf sich hat und welche Beweggründe es für diese gab. Der temporeiche Plot endet in einem traurigen und zugleich erleichternden Ende.
Persönliches Fazit: Ein psychologisch gut konstruierter Roman, der emotional und spannend bis zum Ende war. Empfehlenswert für alle, die gern mithibbeln und sich beinahe atemlos durch die Story jagen lassen.