Über eine ungewöhnliche Beziehung und die Selbsterforschung einer jungen Frau, die lernt, ihrem eigenen Kopf zu folgen und sich von falschen Vorstellungen zu befreien. Es erklärt, warum Schuldgefühle dick machen und warum einen die Liebe in den Alkohol treiben kann. Warum man sich von der Liebe nicht zuviel versprechen darf. Und dass die Erregung im Kopf nicht weniger spannend ist als die im Körper.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.1996Wilde Indianerin, dicke Ada
Anmut ist eine Zierde: Connie Palmen erzählt von der Freundschaft
Der Schwerpunkt "Niederlande" auf einer der letzten Buchmessen hat die niederländische Literatur bei uns ins Scheinwerferlicht geholt, aber im verborgenen blühte sie vorher keineswegs. Und es sind nicht nur die großen Namen wie Cees Nooteboom oder Harry Mulisch, die in europäischen Verlagslisten auftauchen. Eine erstaunlich stämmige Literatur jüngerer Autoren beginnt sich durchzusetzen. Schon mit ihrem ersten Roman, "Die Gesetze", überzeugte Connie Palmen die Literaturkritik. Die seltene, zumindest selten gelingende Verbindung erzählerischer Lebendigkeit und philosophischer Nachdenklichkeit wurde gerühmt. Sie gehört auch zum neuen Roman "Die Freundschaft".
Wer hier jedoch nur einen Freundschaftsroman erwartet, wird bald in der Freundschaft der Ich-Erzählerin Kit zur ein paar Jahre älteren Ara Symptome der Liebe entdecken. Wer sich aber deshalb auf die Geschichte einer lesbischen Beziehung einstellt, den werden Kits wechselnde Partnerschaften mit Männern irritieren. Die Autorin verweigert die einfachen Lösungen; sowohl die Freundschaft wie auch die Liebe werden für sie nur mit Hilfe "zweier sich widersprechender Vorstellungen" beschreibbar.
Dennoch leidet dieser Roman nicht unter Kopflastigkeit. Vom Blickpunkt dreier Phasen her erschließt sich eine Biographie. Im ersten Teil begegnet uns die Zehn- bis Zwölfjährige als "Wildfang" und "Unruhestifterin" in der Schule. Sie leiht Bücher aus dem "Jungenschrank" aus und wünscht sich in die Wildwest-Welt Karl Mays als Kämpfer hinein, auf keinen Fall als im Wigwam wartende und Wunden leckende Squaw. Andererseits ist sie ein anschmiegsames Kind, das sehr an der Freundin Ara, einem Mädchen mit ungewöhnlicher Eßlust und deutlichem Übergewicht, hängt. Ein As ist sie im Niederländisch-Unterricht.
Im zweiten Teil des Romans spricht die Zwanzigjährige. Noch enger geworden ist die Bindung an Ara. Sie allein zählt. Die Entjungferung war für Kit ein Vorgang ohne nachhaltige Wirkung, wie auch - gegen alle psychologischen Theorien über Kindesmißbrauch - die sexuelle Belästigung der Zwölfjährigen "keinen bleibenden Schaden" hinterlassen hat. Auch jene Entgegensetzungen, die ihrer Freundin Ara Körper, Gefühl und Natur, ihr selbst Geist, Analyse und Kultur zuerteilen, erkennt sie nicht an. Nichts kann für sie Liebe sein, was nicht zugleich den Anfang großer Einsichten bedeutet.
Hatte am Ende des zweiten Teils Kit die Ausbildung an einer pädagogischen Hochschule beendet und sich für ein Universitätsstudium in Psychologie und Philosophie entschieden, so ist die Ich-Erzählerin des dritten Teils bereits Dozentin für Psychologie. Kit hat gerade ein zehnjähriges Verhältnis zu einem (verheirateten) Geliebten gelöst und geht ein neues ein, das wiederum - nach kürzerer Zeit - abgebrochen wird. Allein dauerhaft ist die Freundschaft zu Ara, die sich nun endgültig als Liebe enthüllt.
Connie Palmen gibt dem Roman, mit einem Brief Kits an Ara, einen essayhaften Schluß, der im Entwurf für eine Dissertation zugleich den "zähen, stumpfen Textwülsten" eines Wissenschaftsjargons ade sagt und der Theorie einen "anmutigen" Körper in einer gastfreundlichen Sprache verschafft. Sie führt vor, wie Psychologie und Philosophie, aus ihrer Systemhaftigkeit befreit, Literatur werden können. Dabei verzichtet sie keineswegs auf Mittel fesselnden Erzählens: Die Spannung auf den Fortgang der Biographie bleibt erhalten. Zugleich ist "Die Freundschaft", mit ihren essayistischen und aphoristischen Elementen, ein "moderner" Roman. Ihn angemessen zu übersetzen hatte gewiß ebenso viele Reize wie Schwierigkeiten. Hanni Ehlers, die vor kurzem mit der Übertragung von Leon de Winters Roman "Serenade" aus dem Niederländischen eine leichtere Aufgabe zu lösen hatte, wird der intelligenten Prosa gerecht.
Dem alten Schema der Geschlechterpolarität, das der Frau die Anmut und dem Mann den Geist zuordnete, wird hier auf selten glückliche Weise widersprochen. Wer sich Lesen als Animation der Sinne und des Geistes wünscht, dem sei dieses Buch empfohlen. WALTER HINCK
Connie Palmen: "Die Freundschaft". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 1996. 350 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anmut ist eine Zierde: Connie Palmen erzählt von der Freundschaft
Der Schwerpunkt "Niederlande" auf einer der letzten Buchmessen hat die niederländische Literatur bei uns ins Scheinwerferlicht geholt, aber im verborgenen blühte sie vorher keineswegs. Und es sind nicht nur die großen Namen wie Cees Nooteboom oder Harry Mulisch, die in europäischen Verlagslisten auftauchen. Eine erstaunlich stämmige Literatur jüngerer Autoren beginnt sich durchzusetzen. Schon mit ihrem ersten Roman, "Die Gesetze", überzeugte Connie Palmen die Literaturkritik. Die seltene, zumindest selten gelingende Verbindung erzählerischer Lebendigkeit und philosophischer Nachdenklichkeit wurde gerühmt. Sie gehört auch zum neuen Roman "Die Freundschaft".
Wer hier jedoch nur einen Freundschaftsroman erwartet, wird bald in der Freundschaft der Ich-Erzählerin Kit zur ein paar Jahre älteren Ara Symptome der Liebe entdecken. Wer sich aber deshalb auf die Geschichte einer lesbischen Beziehung einstellt, den werden Kits wechselnde Partnerschaften mit Männern irritieren. Die Autorin verweigert die einfachen Lösungen; sowohl die Freundschaft wie auch die Liebe werden für sie nur mit Hilfe "zweier sich widersprechender Vorstellungen" beschreibbar.
Dennoch leidet dieser Roman nicht unter Kopflastigkeit. Vom Blickpunkt dreier Phasen her erschließt sich eine Biographie. Im ersten Teil begegnet uns die Zehn- bis Zwölfjährige als "Wildfang" und "Unruhestifterin" in der Schule. Sie leiht Bücher aus dem "Jungenschrank" aus und wünscht sich in die Wildwest-Welt Karl Mays als Kämpfer hinein, auf keinen Fall als im Wigwam wartende und Wunden leckende Squaw. Andererseits ist sie ein anschmiegsames Kind, das sehr an der Freundin Ara, einem Mädchen mit ungewöhnlicher Eßlust und deutlichem Übergewicht, hängt. Ein As ist sie im Niederländisch-Unterricht.
Im zweiten Teil des Romans spricht die Zwanzigjährige. Noch enger geworden ist die Bindung an Ara. Sie allein zählt. Die Entjungferung war für Kit ein Vorgang ohne nachhaltige Wirkung, wie auch - gegen alle psychologischen Theorien über Kindesmißbrauch - die sexuelle Belästigung der Zwölfjährigen "keinen bleibenden Schaden" hinterlassen hat. Auch jene Entgegensetzungen, die ihrer Freundin Ara Körper, Gefühl und Natur, ihr selbst Geist, Analyse und Kultur zuerteilen, erkennt sie nicht an. Nichts kann für sie Liebe sein, was nicht zugleich den Anfang großer Einsichten bedeutet.
Hatte am Ende des zweiten Teils Kit die Ausbildung an einer pädagogischen Hochschule beendet und sich für ein Universitätsstudium in Psychologie und Philosophie entschieden, so ist die Ich-Erzählerin des dritten Teils bereits Dozentin für Psychologie. Kit hat gerade ein zehnjähriges Verhältnis zu einem (verheirateten) Geliebten gelöst und geht ein neues ein, das wiederum - nach kürzerer Zeit - abgebrochen wird. Allein dauerhaft ist die Freundschaft zu Ara, die sich nun endgültig als Liebe enthüllt.
Connie Palmen gibt dem Roman, mit einem Brief Kits an Ara, einen essayhaften Schluß, der im Entwurf für eine Dissertation zugleich den "zähen, stumpfen Textwülsten" eines Wissenschaftsjargons ade sagt und der Theorie einen "anmutigen" Körper in einer gastfreundlichen Sprache verschafft. Sie führt vor, wie Psychologie und Philosophie, aus ihrer Systemhaftigkeit befreit, Literatur werden können. Dabei verzichtet sie keineswegs auf Mittel fesselnden Erzählens: Die Spannung auf den Fortgang der Biographie bleibt erhalten. Zugleich ist "Die Freundschaft", mit ihren essayistischen und aphoristischen Elementen, ein "moderner" Roman. Ihn angemessen zu übersetzen hatte gewiß ebenso viele Reize wie Schwierigkeiten. Hanni Ehlers, die vor kurzem mit der Übertragung von Leon de Winters Roman "Serenade" aus dem Niederländischen eine leichtere Aufgabe zu lösen hatte, wird der intelligenten Prosa gerecht.
Dem alten Schema der Geschlechterpolarität, das der Frau die Anmut und dem Mann den Geist zuordnete, wird hier auf selten glückliche Weise widersprochen. Wer sich Lesen als Animation der Sinne und des Geistes wünscht, dem sei dieses Buch empfohlen. WALTER HINCK
Connie Palmen: "Die Freundschaft". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 1996. 350 S., geb., 39,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein leicht erzählter, humorvoller und manchmal auch erkenntnisreicher und immer wieder tiefsinniger Roman."
(Wiener Zeitung)
"Nur wenige Erzähler(innen) können so nuanciert und quasi-autobiographisch über Liebesbeziehungen, Vergeblichkeit, Sucht und Scheu schreiben wie Connie Palmen."
(Süddeutsche Zeitung)
"Ein Glücksfall für ihre Leser: ein brillanter, wunderbar leichthändiger, schnoddriger, ironischer, nichtsdestotrotz philosophischer Roman, getarnt als Entwicklungsroman einer Freundschaft."
(Norddeutscher Rundfunk)
(Wiener Zeitung)
"Nur wenige Erzähler(innen) können so nuanciert und quasi-autobiographisch über Liebesbeziehungen, Vergeblichkeit, Sucht und Scheu schreiben wie Connie Palmen."
(Süddeutsche Zeitung)
"Ein Glücksfall für ihre Leser: ein brillanter, wunderbar leichthändiger, schnoddriger, ironischer, nichtsdestotrotz philosophischer Roman, getarnt als Entwicklungsroman einer Freundschaft."
(Norddeutscher Rundfunk)
»Connie Palmen schreibt tiefsinnige Romane, die warmherzig und unterhaltsam sind trotz messerscharfer Analysen menschlicher Gefühle.« Christa von Bernuth / Elle Elle