Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 2,92 €
  • Gebundenes Buch

Istanbul, im Frühjahr 1914. Die Welt steht kurz vor dem Ausbruch eines großen, blutigen Krieges. Was, wenn der Konflikt vermeidbar wäre? Wenn eine Maschine sich die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet des Elektromagnetismus zunutze machen und das Denken jeden einzelnen Menschen beeinflussen könnte? Wenn diese Maschine dafür sorgen würde, dass es nie wieder Krieg gäbe?
Die Suche nach den Antworten auf diese Fragen führt den jungen Türken Celal weg aus Istanbul, wo er ein bescheidenes Dasein als Verfasser erotischer Literatur führt. Eine abenteuerliche Reise durch Europa beginnt. Quer durch
…mehr

Produktbeschreibung
Istanbul, im Frühjahr 1914. Die Welt steht kurz vor dem Ausbruch eines großen, blutigen Krieges. Was, wenn der Konflikt vermeidbar wäre? Wenn eine Maschine sich die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet des Elektromagnetismus zunutze machen und das Denken jeden einzelnen Menschen beeinflussen könnte? Wenn diese Maschine dafür sorgen würde, dass es nie wieder Krieg gäbe?

Die Suche nach den Antworten auf diese Fragen führt den jungen Türken Celal weg aus Istanbul, wo er ein bescheidenes Dasein als Verfasser erotischer Literatur führt. Eine abenteuerliche Reise durch Europa beginnt. Quer durch einen Kontinent, der geradewegs in die Katastrophe zu stürzen droht.

Autorenporträt
Özgür Mumcu ist Journalist, Schriftsteller und Jurist. Er zählt zu den angesehensten und kritischsten Stimmen der Türkei. Mumcu lehrt Internationales Recht an der Galatasaray-Universität in Istanbul und schreibt für die türkische Zeitung "Cumhuriyet". 2016 nahm er stellvertretend für seine Kollegen bei "Cumhuriyet" den Alternativen Nobelpreis an. Die Zeitung wurde für das "furchtlose Eintreten für die Meinungsfreiheit in der Türkei" ausgezeichnet. Sein Vater, Ugur Mumcu, war ein berühmter investigativer Journalist; er wurde 1993 durch ein Bombenattentat ermordet. "Die Friedensmaschine" ist Özgür Mumcus erster Roman.

Gerhard Meier, geboren 1957, lebt seit 1986 in Lyon und übersetzt literarische Werke aus dem Türkischen und Französischen, unter anderem von Orhan Pamuk, Zülfü Livaneli, Amin Maalouf, Henri Troyat und Sait Faik. 2014 erhielt er für sein Gesamtwerk den Paul-Celan-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018

Ein bisschen Frieden

Steampunk-Abenteuer um 1900: Özgür Mumcu, früher Kolumnist bei der Zeitung "Cumhuriyet", legt ein eindrucksvolles Romandebüt vor.

Von Karen Krüger

Dieses Buch steckt voller doppeldeutiger Figuren, Bilder und Begegnungen. Da ist etwa der größenwahnsinnige anarchistische Schwede, der in Paris als Maler scheitert, deshalb in Kairo zum Sufi wird und danach in Belgrad als feuerspuckender Derwisch in seinen Selbstmord tanzt und dabei Dutzende von Zirkusbesuchern mit ins Jenseits befördert. Da ist auch der Istanbuler Schlachthofbesitzer, der vor dem Opferfest per Telegramm hundert Stiere bestellt, aber tausend geliefert bekommt. Ein ungeschickter Telegrafenbeamte hatte sich leider vertippt. Das Heer aus Stieren kann natürlich niemand bändigen. Sie rennen alles und jeden über den Haufen und terrorisieren wochenlang die Stadt. Als einer der Stiere sich gerade anschickt, einen feinen Istanbuler Herrn aufzuspießen, kann der Straßenjunge Celal das Tier überwältigen. Zum Dank wird Celal adoptiert und fortan in Reichtum und Bildung gebadet. Er wird Jurist und heimlicher Autor erotischer Romane über falsche Eunuchen, Sexgelage in Karawansereien und unersättliche Haremsdamen. In Frankreich, wo der Orientalismus gerade wilde Blüten treibt, reißen Parlamentarier, Bergarbeiter und Generäle sich gleichermaßen um die verbotene Literatur und machen Celal zu einem noch vermögenderen Mann.

Der junge Celal steht im Mittelpunkt des rasant erzählten Steampunk-Abenteuers von Özgür Mumcu. "Die Friedensmaschine" ist das beeindruckende Debüt des Einundvierzigjährigen, der Jura an der Istanbuler Galatasaray-Universität lehrt und lange Kolumnist der türkischen Oppositionszeitung "Cumhuriyet" war.

Ein verpatztes Duell zwingt Celal, Istanbul in Richtung Frankreich zu verlassen. Es ist das Jahr 1902, und neue Erfindungen verleihen der Welt ein neues Gesicht. Wer übers Meer möchte, besteigt ein Dampfschiff, für Überlandfahrten nimmt man statt der Kutsche jetzt lieber den Zug. In Paris gerät Celal in einen Geheimzirkel, der einen schrecklichen Krieg über Europa heraufziehen sieht. Nur eine neue Maschine - die Friedensmaschine - kann ihrer Ansicht nach die Krise abwenden. Ihr Erfinder behauptet, sie könnte die Menschen durch das Aussenden elektromagnetischer Wellen friedliebender machen. Ihre Wirkung beruht auf einer autoritären Manipulation des menschlichen Geistes. Die Freunde finden, dass das Abwenden eines Krieges wichtiger ist, als den freien Willen zu respektieren.

Bevor die Maschine in Gang gesetzt werden kann, muss Celal in der Rolle eines serbischen Offiziers eine Revolution anzetteln und als Zirkusartist seinen Kopf in das Maul eines Löwen halten. Die Löwenbändigerin ist Céline, die entzückende Illustratorin seiner erotischen Romane. Die beiden können sich nur mit Mühe eines unbekannten Dritten erwehren, der ganz andere Ziele mit der Friedensmaschine verfolgt.

Özgür Mumcu ist klug genug, zu direkte Anspielungen mit der Lage in der Türkei zu vermeiden. Man spürt aber, dass er sich mit Despoten, Fake News und Verschwörungstheorien auskennt. Er musste schon als sehr junger Mensch erfahren, wohin eine Einteilung der Welt in "wir" und "sie" führt: Özgür Mumcu ist der Sohn von Ugur Mumcu, dem bekanntesten Investigativjournalisten der Türkei. Wie Jahre später sein Sohn, arbeitete er für die "Cumhuriyet". Er recherchierte über dunkle Machenschaften staatlicher Organe, als ihn im Januar 1993 eine Autobombe vor seinem Haus tötete. Einige radikale Islamisten wurden wegen des Mordes verurteilt. Hinweise, auch türkische Sicherheitskräfte seien an dem Attentat beteiligt, ignorierte die Justiz. Gut möglich, dass Mumcu einigen Politikern zu nahe gekommen war.

Auf diesem schmalen Grat bewegt sich mittlerweile auch Özgür Mumcu. Anfang 2015 sollte er wegen Beleidigung des Staatspräsidenten vier Jahre ins Gefängnis. Das Gericht sprach ihn frei. Auch die ultranationalistische Partei MHP versucht, Mumcu zum Schweigen zu bringen. In einer ganzseitigen Zeitungsanzeige, die kurz nach den Präsidentschaftswahlen erschien, listete sie 59 Journalisten namentlich als "Verleumder" auf - unter ihnen Özgür Mumcu. Man werde sie "nicht vergessen", sie hätten eine "Diffamierungskampagne" geführt.

Schreiben ist in der Türkei schon immer ein Wagnis gewesen. Doch immer gab es dort Menschen, die dem kritischen Wort trotzdem treu bleiben. In der "Cumhuriyet", für die sein Vater und dann Mumcu selbst arbeitete, hat kürzlich eine nationalistische Altherrenriege, die nichts von all dem hält, die Leitung übernommen. Einige Journalisten, unter ihnen Özgür Mumcu, haben daraufhin ihre Schreibtische geräumt. Alles andere wäre auch enttäuschend gewesen, denn man kann sich den neugierigen Freigeist Mumcu nur auf einem Stuhl vorstellen, wie er ihn in seinem Roman beschreibt: "Ein guter Stuhl sollte einem Fohlen auf zittrigen Beinen gleichen. Und tut das auch meistens. Wer auf einem Stuhl sitzt, denkt daher ganz anders als jemand auf einer Bank." Wer Mumcu bisher nur als analytischen Kommentator kannte, entdeckt ihn jetzt als großen Erzähler.

Özgür Mumcu: "Die Friedensmaschine".

Roman.

Aus dem Türkischen von Gerhard Meier. btb Verlag, München 2018. 288 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr