Produktdetails
- Verlag: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
- ISBN-13: 9783534147571
- ISBN-10: 353414757X
- Artikelnr.: 24609839
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2002Klempner, schaut auf diese Texte!
Für jedermann: Die frühen römischen Historiker glänzend ediert
Die römische Geschichtsschreibung begann mit Fabius Pictor: Dies ist mehr als eine chronologische Feststellung. Der im ausgehenden dritten Jahrhundert vor Christus schreibende Autor stellte als erster Römer die Geschichte seiner Heimatstadt dar; er selbst hatte am zweiten römisch-karthagischen Krieg teilgenommen und war nach der Niederlage von Cannae im Jahre 216 als Abgesandter des Senats zur Befragung des Delphischen Orakels nach Griechenland geschickt worden. In seiner Darstellung, die mit der mythischen Gründung der Stadt Rom einsetzt, nimmt die selbsterlebte Zeit breiten Raum ein, geht es Fabius Pictor doch auch darum, den römischen Standpunkt etwa bei der Rechtfertigung kriegerischer Auseinandersetzungen zum Ausdruck zu bringen; um das entsprechende historisch vorgebildete Publikum zu erreichen, schrieb der Römer in Griechisch.
Griechisch war die Sprache der ersten dieser Historiker, griechischer Tradition entnommen waren manche Denkfiguren und Deutungen, wie es die beiden Herausgeber am Beispiel der Präsentation der frühen Geschichte der athenischen Demokratie und der römischen Republik exemplifizieren: In Athen bedrohte die sexuelle Gier des Tyrannen Hipparchos die reine Liebe zwischen Harmodios und Aristogeiton, und als Ausweg blieb nur der Tyrannenmord; anschließend wollte das Volk kein neues Unrechtsregime mehr akzeptieren. In Rom entzündete sich der Volkszorn an der Vergewaltigung der Lucretia durch Sextus Tarquinius, was das Ende der Königsherrschaft einläutete.
Das Werk des Fabius Pictor galt rasch als Maßstab für die Zukunft und wurde mit den großen griechischen Meistern wie dem Alexander-Historiker Kallisthenes oder dem wichtigsten westgriechischen Historiker, dem hochgebildeten Timaios, auf eine Stufe gestellt. So geriet Fabius Pictor rasch zum Archegeten einer neuen Literaturgattung, deren Merkmale er prägte. In der Folgezeit - und dies gilt weit über die Republik hinaus - sollten politischer Sachverstand, religiöse Kennerschaft und soziale Autorität die Geschichtsschreiber prägen, die solche Fähigkeiten ihrer aristokratischen Abstammung und der Zugehörigkeit zum Senat verdankten.
Die Anfänge dieser römischen Geschichtsschreibung in der akademischen Lehre zu vermitteln oder allgemein einem an der Antike interessierten Leser zu erschließen war bislang schwierig. Das lag nur zum Teil daran, daß vor den Darstellungen Sallusts und Caesars keine vollständigen Werke vorliegen, sondern nur eine große Zahl von Hinweisen und unterschiedlich langen wörtlichen Zitaten späterer Autoren. Für diese Fragmente bot zwar der "Peter", Hermann Peters "Historicorum Romanorum Reliquiae" von 1914, die bislang verbindliche Sammlung, er war aber aufgrund seiner Einleitungen in lateinischer Sprache, des Verzichts auf Übersetzungen und seines spärlichen Kommentars für das angesprochene Publikum keine Hilfe.
Die "Frühen Römischen Historiker", deren erster von zwei Bänden nun vorliegt, schaffen hier glänzend Abhilfe. Im Zentrum stehen die authentischen Textzeugnisse der antiken Autoren selbst; zu den im Titel genannten treten Lucius Cincius Alimentus, Marcus Porcius Cato, mit dem sich das Lateinische durchsetzte, Aulus Postumius Albinus, Gaius Acilius, Lucius Cassius Hemina, Lucius Calpurnius Piso Frugi, Gaius Sempronius Tuditanus und Gaius Fannius. Jeder der zehn Geschichtsschreiber wird in Hinblick auf Person und Werk so ausführlich vorgestellt, wie dies die häufig spärlichen Informationen gestatten. Anschließend kommt der jeweilige Autor selbst zu Wort. Die Werkfragmente sind nach der Zählung Peters aufgelistet, gelegentlich mit verbesserter Textkonstitution. Der Band bietet den Wortlaut des griechischen oder lateinischen Originals, das ebenso textnah wie ausgezeichnet übersetzt wird; bei Textreferaten aus zweiter Hand legen die Herausgeber den Akzent auf eine - nicht weniger gute - lesbare Übertragung der oft längeren Passagen. An Text und Übersetzung schließt sich der Kommentar an, der den Leser erst in die Lage versetzt, die doch häufig aus dem Zusammenhang gerissenen Textpassagen einordnen zu können. Hierbei galt es, den zeitlichen Rahmen zu skizzieren und die notwendigen Sacherläuterungen zu geben. Neben diesen in jeder Hinsicht geglückten historischen und historiographischen Kommentaren wird weiterführende Literatur für denjenigen geboten, der sich intensiver mit den jeweiligen Ereignissen beschäftigen will. Eine ausführliche Einleitung zu den Voraussetzungen und zur Entwicklung der Gattung ist den Textzeugnissen vorangestellt.
Beck und Walter verweisen auf die Öffentlichkeitswirkung der historischen Texte, wenn diese etwa vor einem großen Publikum vorgelesen wurden. Ciceros Einschätzung des historischen Interesses breiter Kreise ist in der Sprache eines Angehörigen der römischen Oberschicht naturgemäß zeitbedingt formuliert, wenn er darauf abhebt, "daß Menschen geringen sozialen Ranges, ohne Aussicht, je Politik machen zu können, ja sogar Handwerker an der Beschäftigung mit Geschichte Freude finden". Eine Resonanz, wie er sie anspricht, verdient die römische Geschichtsschreibung auch heutzutage und mit ihr dieser Band, der sie einem hoffentlich großen Publikum erschließt.
MANFRED CLAUSS.
Hans Beck, Uwe Walter (Hrsg.): "Die frühen römischen Historiker". Bd. 1: Von Fabius Pictor bis Cn. Gellius. Texte zur Forschung, Bd. 76. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. 384 S., geb., 39,88 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für jedermann: Die frühen römischen Historiker glänzend ediert
Die römische Geschichtsschreibung begann mit Fabius Pictor: Dies ist mehr als eine chronologische Feststellung. Der im ausgehenden dritten Jahrhundert vor Christus schreibende Autor stellte als erster Römer die Geschichte seiner Heimatstadt dar; er selbst hatte am zweiten römisch-karthagischen Krieg teilgenommen und war nach der Niederlage von Cannae im Jahre 216 als Abgesandter des Senats zur Befragung des Delphischen Orakels nach Griechenland geschickt worden. In seiner Darstellung, die mit der mythischen Gründung der Stadt Rom einsetzt, nimmt die selbsterlebte Zeit breiten Raum ein, geht es Fabius Pictor doch auch darum, den römischen Standpunkt etwa bei der Rechtfertigung kriegerischer Auseinandersetzungen zum Ausdruck zu bringen; um das entsprechende historisch vorgebildete Publikum zu erreichen, schrieb der Römer in Griechisch.
Griechisch war die Sprache der ersten dieser Historiker, griechischer Tradition entnommen waren manche Denkfiguren und Deutungen, wie es die beiden Herausgeber am Beispiel der Präsentation der frühen Geschichte der athenischen Demokratie und der römischen Republik exemplifizieren: In Athen bedrohte die sexuelle Gier des Tyrannen Hipparchos die reine Liebe zwischen Harmodios und Aristogeiton, und als Ausweg blieb nur der Tyrannenmord; anschließend wollte das Volk kein neues Unrechtsregime mehr akzeptieren. In Rom entzündete sich der Volkszorn an der Vergewaltigung der Lucretia durch Sextus Tarquinius, was das Ende der Königsherrschaft einläutete.
Das Werk des Fabius Pictor galt rasch als Maßstab für die Zukunft und wurde mit den großen griechischen Meistern wie dem Alexander-Historiker Kallisthenes oder dem wichtigsten westgriechischen Historiker, dem hochgebildeten Timaios, auf eine Stufe gestellt. So geriet Fabius Pictor rasch zum Archegeten einer neuen Literaturgattung, deren Merkmale er prägte. In der Folgezeit - und dies gilt weit über die Republik hinaus - sollten politischer Sachverstand, religiöse Kennerschaft und soziale Autorität die Geschichtsschreiber prägen, die solche Fähigkeiten ihrer aristokratischen Abstammung und der Zugehörigkeit zum Senat verdankten.
Die Anfänge dieser römischen Geschichtsschreibung in der akademischen Lehre zu vermitteln oder allgemein einem an der Antike interessierten Leser zu erschließen war bislang schwierig. Das lag nur zum Teil daran, daß vor den Darstellungen Sallusts und Caesars keine vollständigen Werke vorliegen, sondern nur eine große Zahl von Hinweisen und unterschiedlich langen wörtlichen Zitaten späterer Autoren. Für diese Fragmente bot zwar der "Peter", Hermann Peters "Historicorum Romanorum Reliquiae" von 1914, die bislang verbindliche Sammlung, er war aber aufgrund seiner Einleitungen in lateinischer Sprache, des Verzichts auf Übersetzungen und seines spärlichen Kommentars für das angesprochene Publikum keine Hilfe.
Die "Frühen Römischen Historiker", deren erster von zwei Bänden nun vorliegt, schaffen hier glänzend Abhilfe. Im Zentrum stehen die authentischen Textzeugnisse der antiken Autoren selbst; zu den im Titel genannten treten Lucius Cincius Alimentus, Marcus Porcius Cato, mit dem sich das Lateinische durchsetzte, Aulus Postumius Albinus, Gaius Acilius, Lucius Cassius Hemina, Lucius Calpurnius Piso Frugi, Gaius Sempronius Tuditanus und Gaius Fannius. Jeder der zehn Geschichtsschreiber wird in Hinblick auf Person und Werk so ausführlich vorgestellt, wie dies die häufig spärlichen Informationen gestatten. Anschließend kommt der jeweilige Autor selbst zu Wort. Die Werkfragmente sind nach der Zählung Peters aufgelistet, gelegentlich mit verbesserter Textkonstitution. Der Band bietet den Wortlaut des griechischen oder lateinischen Originals, das ebenso textnah wie ausgezeichnet übersetzt wird; bei Textreferaten aus zweiter Hand legen die Herausgeber den Akzent auf eine - nicht weniger gute - lesbare Übertragung der oft längeren Passagen. An Text und Übersetzung schließt sich der Kommentar an, der den Leser erst in die Lage versetzt, die doch häufig aus dem Zusammenhang gerissenen Textpassagen einordnen zu können. Hierbei galt es, den zeitlichen Rahmen zu skizzieren und die notwendigen Sacherläuterungen zu geben. Neben diesen in jeder Hinsicht geglückten historischen und historiographischen Kommentaren wird weiterführende Literatur für denjenigen geboten, der sich intensiver mit den jeweiligen Ereignissen beschäftigen will. Eine ausführliche Einleitung zu den Voraussetzungen und zur Entwicklung der Gattung ist den Textzeugnissen vorangestellt.
Beck und Walter verweisen auf die Öffentlichkeitswirkung der historischen Texte, wenn diese etwa vor einem großen Publikum vorgelesen wurden. Ciceros Einschätzung des historischen Interesses breiter Kreise ist in der Sprache eines Angehörigen der römischen Oberschicht naturgemäß zeitbedingt formuliert, wenn er darauf abhebt, "daß Menschen geringen sozialen Ranges, ohne Aussicht, je Politik machen zu können, ja sogar Handwerker an der Beschäftigung mit Geschichte Freude finden". Eine Resonanz, wie er sie anspricht, verdient die römische Geschichtsschreibung auch heutzutage und mit ihr dieser Band, der sie einem hoffentlich großen Publikum erschließt.
MANFRED CLAUSS.
Hans Beck, Uwe Walter (Hrsg.): "Die frühen römischen Historiker". Bd. 1: Von Fabius Pictor bis Cn. Gellius. Texte zur Forschung, Bd. 76. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. 384 S., geb., 39,88 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Bisher waren viele der in diesem ersten von zwei Bänden zu frühen römischen Historikern versammelten Texte nur in einem Buch von 1914 zu haben: unübersetzt, sogar die Einleitung war lateinisch geschrieben. Diese neue Ausgabe ist also dringend nötig - und, noch erfreulicher, sie ist, wie der Rezensent Manfred Clauss findet, auch rundherum gelungen. Geboten werden einerseits die Originale (von den in griechischer Sprache geschriebenen Anfängen bis zu Marcus Porcius Cato und seinen Nachfolgern, die lateinisch schrieben), andererseits aber auch Übersetzungen, die der Rezensent für "ausgezeichnet" hält. Die Kommentare und Sachinformationen zu den einzelnen Autoren sind so "ausführlich" wie angesichts der Überlieferungslage möglich, die strengen historiografischen Erläuterungen scheinen Clauss "in jeder Hinsicht geglückt". Ein Band, so sein Resümee, der nicht nur fürs Proseminar bestens taugt, sondern auch dem "interessierten Leser" ans Herz zu legen ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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