Produktdetails
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-13: 9783608913798
- ISBN-10: 3608913793
- Artikelnr.: 06316867
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.1996Nicht viel mehr als eine Vision
Lernende Organisation - Allgemeinplätze, unterhaltsam präsentiert
Peter M. Senge: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation.Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1996, 562 Seiten, 68 DM.
Viele Führungskräfte fragen sich heute, was kommt nach Lean Management und Reengineering. Peter M. Senge, der am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology) forscht und lehrt und sicherlich nicht ganz nebenbei auch beratend tätig ist, hat hierauf eine vermeintlich schlüssige Antwort: die lernende Organisation. Seiner Meinung nach werden die Unternehmen nur dann in der Lage sein, die Herausforderungen des globalen, turbulenten Wettbewerbs zu bestehen, wenn sie fünf Disziplinen beherrschen: persönliche Entwicklung der Mitarbeiter, Veränderung der mentalen Modelle, das heißt der Sichtweisen der Realität (im Unternehmen verwurzelte, tradierte Paradigmen), Entwurf gemeinsamer Visionen, Lernen im Team und vor allem Systemdenken. Er weiß zu berichten, daß sich die Veränderung der mentalen Modelle, die das Handeln der Menschen in einer Organisation prägen, und die Einführung des Systemdenkens, das darauf zielt, daß die Organisationsmitglieder nicht einfach nur lineare Ursache-Wirkung-Beziehungen wahrnehmen, sondern auch Rückkopplungsschleifen erkennen und begreifen, als besonders schwieriges Unterfangen erweisen.
Senge meint, daß sich sein Konzept von anderen aktuellen Konzepten des Veränderungsmanagements durch die Tiefe der theoretischen Fundierung und den Reichtum der Methoden positiv abhebt. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die zweifellos richtige Erkenntnis, daß sich Veränderungsmanagement nicht in der radikalen Veränderung der Organisationsstrukturen und -prozesse erschöpft, sondern andere Denkweisen und Interaktionsweisen erfordert. Wandel, schreibt Senge, erfordere nicht nur die Umgestaltung der manifestierten Strukturen, sondern auch der mentalen Modelle der Organisationsmitglieder.
Wer die Kondition aufbringt, das viel zu dickleibige und zu weitschweifige Buch zu lesen, fragt sich nach vollbrachtem Werk, was er nun wirklich Neues erfahren hat - mehr noch, was er konkret tun sollte, um sein Unternehmen auf den Kurs "lernende Organisation" zu bringen. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung des Konzeptes läßt ihn das vorliegende Buch leider allein, denn es ist zwar unterhaltsam geschrieben, enthält aber kaum mehr als Allgemeinplätze. Wahrscheinlich bleibt dem Leser aus der Praxis nur die Lösung, schnell zum Hörer zu greifen und Senge und dessen Team mit einem entsprechenden wohldotierten Beratungsauftrag zu beglücken.
Wenn man die Verbreitung der "lernenden Organisation" in deutschen Unternehmen kritisch verfolgt, so muß man feststellen, daß dieses Thema eher zögernd akzeptiert wird. In Zeiten, in denen es um die Wiedergewinnung der Wettbewerbsstärke und die Steigerung des Shareholder-Value geht, sind die Unternehmen offenbar eher an harten Fakten interessiert, als sich auf die kaum greifbare Vision "lernende Organisation" einzulassen. Das vorliegende Buch vermag die Skepsis nicht zu entkräften. Es dient der Sache sicherlich nicht, daß die amerikanische Ausgabe von 1990 erst sechs Jahre später in Deutschland auf den Markt kommt und damit zu einem Zeitpunkt erscheint, zu dem das Thema in den Vereinigten Staaten schon längst seinen Zenit überschritten hat. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, daß sich der Autor selbst ein Danaergeschenk macht, wenn er trocken feststellt: "Die lernende Organisation gibt es nicht, es ist eine Vision - eine Richtung, in die sich eine Organisation entwickeln sollte." Ob eine solch frappierend offene und wohl auch zutreffende Aussage unter enormem Erfolgsdruck stehende Unternehmensleiter besonders anzuspornen vermag, auf die Marathonstrecke "lernende Organisation" zu gehen, erscheint mehr als zweifelhaft: Schon zu viele Visionen haben sich als Illusionen erwiesen; sie sind im rauhen Wind des globalen Wettbewerbs wie Seifenblasen zerplatzt. ROBERT FIETEN
(Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lernende Organisation - Allgemeinplätze, unterhaltsam präsentiert
Peter M. Senge: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation.Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1996, 562 Seiten, 68 DM.
Viele Führungskräfte fragen sich heute, was kommt nach Lean Management und Reengineering. Peter M. Senge, der am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology) forscht und lehrt und sicherlich nicht ganz nebenbei auch beratend tätig ist, hat hierauf eine vermeintlich schlüssige Antwort: die lernende Organisation. Seiner Meinung nach werden die Unternehmen nur dann in der Lage sein, die Herausforderungen des globalen, turbulenten Wettbewerbs zu bestehen, wenn sie fünf Disziplinen beherrschen: persönliche Entwicklung der Mitarbeiter, Veränderung der mentalen Modelle, das heißt der Sichtweisen der Realität (im Unternehmen verwurzelte, tradierte Paradigmen), Entwurf gemeinsamer Visionen, Lernen im Team und vor allem Systemdenken. Er weiß zu berichten, daß sich die Veränderung der mentalen Modelle, die das Handeln der Menschen in einer Organisation prägen, und die Einführung des Systemdenkens, das darauf zielt, daß die Organisationsmitglieder nicht einfach nur lineare Ursache-Wirkung-Beziehungen wahrnehmen, sondern auch Rückkopplungsschleifen erkennen und begreifen, als besonders schwieriges Unterfangen erweisen.
Senge meint, daß sich sein Konzept von anderen aktuellen Konzepten des Veränderungsmanagements durch die Tiefe der theoretischen Fundierung und den Reichtum der Methoden positiv abhebt. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die zweifellos richtige Erkenntnis, daß sich Veränderungsmanagement nicht in der radikalen Veränderung der Organisationsstrukturen und -prozesse erschöpft, sondern andere Denkweisen und Interaktionsweisen erfordert. Wandel, schreibt Senge, erfordere nicht nur die Umgestaltung der manifestierten Strukturen, sondern auch der mentalen Modelle der Organisationsmitglieder.
Wer die Kondition aufbringt, das viel zu dickleibige und zu weitschweifige Buch zu lesen, fragt sich nach vollbrachtem Werk, was er nun wirklich Neues erfahren hat - mehr noch, was er konkret tun sollte, um sein Unternehmen auf den Kurs "lernende Organisation" zu bringen. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung des Konzeptes läßt ihn das vorliegende Buch leider allein, denn es ist zwar unterhaltsam geschrieben, enthält aber kaum mehr als Allgemeinplätze. Wahrscheinlich bleibt dem Leser aus der Praxis nur die Lösung, schnell zum Hörer zu greifen und Senge und dessen Team mit einem entsprechenden wohldotierten Beratungsauftrag zu beglücken.
Wenn man die Verbreitung der "lernenden Organisation" in deutschen Unternehmen kritisch verfolgt, so muß man feststellen, daß dieses Thema eher zögernd akzeptiert wird. In Zeiten, in denen es um die Wiedergewinnung der Wettbewerbsstärke und die Steigerung des Shareholder-Value geht, sind die Unternehmen offenbar eher an harten Fakten interessiert, als sich auf die kaum greifbare Vision "lernende Organisation" einzulassen. Das vorliegende Buch vermag die Skepsis nicht zu entkräften. Es dient der Sache sicherlich nicht, daß die amerikanische Ausgabe von 1990 erst sechs Jahre später in Deutschland auf den Markt kommt und damit zu einem Zeitpunkt erscheint, zu dem das Thema in den Vereinigten Staaten schon längst seinen Zenit überschritten hat. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, daß sich der Autor selbst ein Danaergeschenk macht, wenn er trocken feststellt: "Die lernende Organisation gibt es nicht, es ist eine Vision - eine Richtung, in die sich eine Organisation entwickeln sollte." Ob eine solch frappierend offene und wohl auch zutreffende Aussage unter enormem Erfolgsdruck stehende Unternehmensleiter besonders anzuspornen vermag, auf die Marathonstrecke "lernende Organisation" zu gehen, erscheint mehr als zweifelhaft: Schon zu viele Visionen haben sich als Illusionen erwiesen; sie sind im rauhen Wind des globalen Wettbewerbs wie Seifenblasen zerplatzt. ROBERT FIETEN
(Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main