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Henning Mankell, der meistgelesene schwedische Romancier und großartiger Menschenkenner, hat einen modernen Detektivroman von atemberaubender Spannung geschrieben. Aber dieses Buch ist noch mehr: ein Roman über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, ein psychologischer Roman und ein großer Gesellschaftsroman. Am Ende siegt die Gerechtigkeit. Aber der Grund, auf dem sie steht, ist längst unterhöhlt. "Die fünfte Frau" wurde zum Buch des Jahres 1998 gewählt.

Produktbeschreibung
Henning Mankell, der meistgelesene schwedische Romancier und großartiger Menschenkenner, hat einen modernen Detektivroman von atemberaubender Spannung geschrieben. Aber dieses Buch ist noch mehr: ein Roman über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, ein psychologischer Roman und ein großer Gesellschaftsroman. Am Ende siegt die Gerechtigkeit. Aber der Grund, auf dem sie steht, ist längst unterhöhlt. "Die fünfte Frau" wurde zum Buch des Jahres 1998 gewählt.
Autorenporträt
Henning Mankell, 1948 als Sohn eines Richters in Stockholm geboren, wuchs in Härjedalen auf. Als 17-jähriger begann er am renommierten Riks-Theater in Stockholm das Regiehandwerk zu lernen. 1972 unternahm er seine erste Afrikareise. Sieben Jahre später erschien sein erster Roman "Das Gefangenenlager, das verschwand". In den kommenden Jahren arbeitete er als Autor, Regisseur und Intendant an verschiedenen schwedischen Theatern. 1985 wurde Henning Mankell eingeladen, beim Aufbau eines Theaters in Maputo, Mosambik, zu helfen. Er begann zwischen den Kontinenten zu pendeln und entschied sich schließlich, überwiegend in Afrika zu leben. Dort ist auch der größte Teil der Wallander-Serie entstanden. Außerdem schrieb Henning Mankell Jugendbücher, von denen mehrere auch in Deutschland ausgezeichnet wurden. 2009 erhielt er den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Henning Mankell verstarb im Oktober 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.1998

Die Löcher in den Wollsocken
Mord in einem grauen Land: Henning Mankells "Die fünfte Frau"

Ein alter Mann stürzt in eine Pfahlgrube, hängt stundenlang in den spitzen Stangen, bis er an seinem Blut erstickt. Ein zweiter wird im Wald gefunden, an einen Baum gebunden und erwürgt, offensichtlich war er wochenlang gefangengehalten worden. Ein dritter ertrinkt, langsam, denn der Sack, in dem er steckt, ist genau so schwer gemacht worden, daß Gewicht und Auftrieb sich eine Weile die Waage halten. Es sind Morde von ausgesuchter Grausamkeit, die Henning Mankells Kommissar Wallander in "Die fünfte Frau" aufklären muß. Die drei Männer kannten sich nicht, nur ihr Tod verbindet sie. Wie sie zu Tode kamen: Damit will der Mörder etwas ausdrücken. Er spricht eine Sprache, die die Polizei entziffern muß.

Wieviel man mitteilen darf, was man verschweigen muß, ist immer das Dilemma, wenn man einen Kriminalroman rezensiert. Hier darf verraten werden, daß der Mörder eine Mörderin ist und ihr Motiv Rache; denn das ist auch dem Leser schnell klar. Mankell läßt ihn ein wenig in die Karten schauen, nimmt für Momente die Perspektive der Opfer, der Täterin ein, ehe er zu Wallander zurückkehrt, um ihn über die ermüdende Ermittlungsarbeit nicht die Leselaune verlieren zu lassen.

Wallander bekommt diese Einblicke natürlich nicht. Da er den Sinn der Morde nicht versteht, das "geheime Zentrum" nicht kennt, kann er nicht gezielt suchen, sondern nur flächig, indem er möglichst genaue Profile der drei toten Männer erstellen läßt, nach möglichen Verbindungen sucht, den geringsten Hinweis überprüft. Das ist manchmal vielversprechend, oft ergebnislos, immer arbeitsintensiv und im Ergebnis schrecklich ermüdend. Polizeiarbeit eben, Routine, auch und gerade bei diesem einzigartigen Fall.

Das muß auch der Leser einsehen, der, von Fernsehkrimis gewöhnt an einen schnellen Aufklärungsrhythmus, sich erst einmal schwertut mit der Entdeckung der Langsamkeit. Endlose Konferenzen, bei denen die Faktenlage ständig gewendet wird, bei der Bekanntes immer noch einmal präsentiert wird, in der Hoffnung auf ein vergessenes Indiz. "In den Zwischenräumen entsteht die Wahrheit." Und tatsächlich zieht sich das Netz allmählich zu, nähern sich die Ermittler dem verborgenen Zentrum der Morde, das der Leser schon kennt. Dann löst die Spannung der Jagd die Spannung der Ermittlung ab.

Ein verborgenes Zentrum hat auch dieser Roman. Der Leser findet es, ziemlich genau in der Mitte plaziert, auf Seite 284. Krimis weisen gemeinhin neben ihrer an der Oberfläche liegenden Moral - "murder doesn't pay" - eine zweite, untergründige auf, die der ersten widerspricht: Viele Verbrechen werden nicht nur aufgeklärt, sondern nachträglich geradezu gerechtfertigt, und manchen Mörder verhaftet die Polizei nur unwillig (oder der Autor läßt ihn der irdischen Gerechtigkeit entgehen).

Dies ist auch hier der Fall, und auch wieder nicht. Es ist die Mörderin, die nach dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" verfährt, und sosehr man die Opfer, sobald man mehr über sie weiß, verabscheut, so inakzeptabel ist und bleibt die Selbstjustiz. Diese Rächerin mißhandelter Frauen ist, wie Kommissar Wallander einmal bemerkt, "ihre eigene Bürgerwehr". Und eine solche Anmaßung unterhöhlt das Rechtssystem selbst, stellt es stärker in Frage als jede profane Mordtat.

Daß es aber zu solchen Morden kommen kann, soll beweisen, daß etwas faul sein muß im Staate Schweden. Was das ist, erklärt der Kommissar seiner Tochter auf Seite 284. Alles Unglück, sagt er, komme daher, daß "wir unsere Wollsocken nicht mehr selbst stopfen". Wie bitte? Jawohl: Darin drücke sich mangelnder Respekt gegenüber den Dingen aus. "Verbrauchen und Wegwerfen wurde zur einzigen Regel, die wirklich alle vereinte."

Zurück zum Stopfgarn - so lautet natürlich nicht die kulturkonservative Moral des Autors Mankell (der ganz wunderbare und preisgekrönte Kinderbücher schreibt und in Moçambique ein Theater leitet), sondern nur die hilflose Erklärung seiner Hauptfigur, der ja seinerseits der Inbegriff eines Pflichtmenschen ist. Wallanders Moral steht in der skandinavischer Tradition der Selbstgeißelung und muß selbst als Symptom verstanden werden. In den Zwischenräumen entsteht die Wahrheit: auch in diesem Kriminalroman, der einen sehr pessimistischen Blick auf Schweden wirft. Auf ein graues Land, in dem wenig gelacht, viel gearbeitet und viel gegrübelt wird und die Zukunft nur die Aussicht verheißt, "daß alles noch schlimmer kommt". MARTIN EBEL

Henning Mankell: "Die fünfte Frau". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Wolfgang Butt. Zsolnay Verlag, Wien und München 1998. 544 S., geb., 39,80 DM.

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Brillant geschrieben. Ariane Mönikes Neue Westfälische 20151013