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Politiker haben offenbar genug von Lobbyisten. "Lobbyisten in die Produktion" empfahl der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zu Beginn des Jahres 2006 ironisch. Erstmals greift ein führender Politiker in Deutschland die Lobbyisten scharf an. Seine Kollegin, die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, forderte während der Koalitionsverhandlungen, den Lobbyisten "keinen Fuß mehr in die Tür" setzen zu lassen, bis nicht wichtige Weichenstellungen für das Gesundheitssystem getroffen sind. Und doch glauben viele Politiker auf den Rat der Lobbyisten nicht verzichten zu können und nehmen bereitwillig…mehr

Produktbeschreibung
Politiker haben offenbar genug von Lobbyisten. "Lobbyisten in die Produktion" empfahl der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zu Beginn des Jahres 2006 ironisch. Erstmals greift ein führender Politiker in Deutschland die Lobbyisten scharf an. Seine Kollegin, die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, forderte während der Koalitionsverhandlungen, den Lobbyisten "keinen Fuß mehr in die Tür" setzen zu lassen, bis nicht wichtige Weichenstellungen für das Gesundheitssystem getroffen sind. Und doch glauben viele Politiker auf den Rat der Lobbyisten nicht verzichten zu können und nehmen bereitwillig ihre Dienste entgegen. Politiker wechseln immer häufiger nach ihrer Politikkarriere die Seite und versilbern ihr Insiderwissen als Lobbyisten.
Dieses Buch bietet einen umfassenden Einblick in das Labyrinth des Lobbyismus. Zahlreiche Studien und Fallbeispiele machen die tägliche Arbeit der Interessengruppen transparenter. Das Buch zeigt Strukturen und Zusammenhänge der legalen und illegalen Interessendurchsetzung auf und beschreibt, mit welchen Machttechniken Lobbygruppen Politik und Gesellschaft zunehmend beeinflussen. Welche Auswirkungen hat der ausufernde Lobbyismus auf Parlament und Demokratie? Diese Frage beantworten die Autoren in diesem Sammelband kritisch, analytisch und hintergründig.

Autorenporträt
Thomas Leif ist Politikwissenschaftler und Chefreporter Fernsehen beim Südwestfunk, Landessender Mainz; Vorsitzender netzwerk recherche. Dr. Rudolf Speth ist Politikwissenschaftler und Privatdozent am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2006

Schleierhaftes Gewerbe
Ein weiterer Versuch, den Lobbyismus zu durchleuchten
Fast 2000 amtlich registrierte Lobbygruppen gibt es in Berlin, schätzungsweise 4500 bis 5000 Interessenvertreter sind rund um den Bundestag mit seinen 614 Abgeordneten und in den Ministerien unterwegs. In Brüssel sollen es sogar 10 000 bis 15 000 sein, die die 732 Abgeordneten des Europaparlaments, die Kommission und die EU-Behörden umschwirren. Lobbyisten, unter denen es schillernde Figuren (Beispiel: Moritz Hunzinger) gibt, haben ein miserables Image, das von spektakulären Fällen (Stichwort: Waffenhandel) geprägt ist. Mangelndes Wissen, aber auch selbst ausgebreitete Schleier der Geheimniskrämerei haben einen Mythos geschaffen, der sich um diese Berufsgruppe herumrankt. „Strippenzieher” ist ein häufig verwendeter Begriff, ebenso „die fünfte Gewalt”, die der „vierten”, den Journalisten, folgt.
„Der Lobbyist hat das Ziel”, erläutert einer der gewieftesten von ihnen, Wolf-Dieter Zumpfort, früher FDP, jetzt TUI, „die Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, für das eigene Unternehmen so zu verändern, dass die Unternehmensaktivitäten durch diese politische Einflussnahme am wenigsten berührt werden.” Jürgen Merschmeier, früher Journalist und CDU-Sprecher, jetzt Multi-Berater, steuert eine andere, hübsche Deutung bei: „Lobbying ist darauf gerichtet, politische Entscheidungsträger von der Richtigkeit bestimmter ideeller, wirtschaftlicher, administrativer oder gesetzgeberischer Maßnahmen zu überzeugen.”
Durch Lobbying, das an Bedeutung
gewinnt, wird nicht steuerbarer Einfluss und unkontrollierte Macht ausgeübt, Lobbyismus vollzieht sich abseits der
öffentlichen Aufmerksamkeit und gefährdet demokratische Transparenz.
So lässt sich die gängige Kritik zusammenfassen. Thomas Leif, Chefreporter beim Südwestrundfunk und Vorsitzender des netzwerk recherche, und Rudolf Speth, Politikwissenschaftler an der
Freien Universität Berlin, sowie eine Reihe weiterer Autoren durchleuchten das Gestrüpp des Lobbyismus von verschiedenen Seiten. Anders als Cerstin Gammelin und Götz Hamann in ihrem stellenweise reißerischen Buch „Die Strippenzieher” (SZ vom 8. Oktober 2005) sind hier die Fakten nüchtern gegeneinandergestellt.
So hat auch die These Platz, Lobbyismus sei eine berechtigte institutionalisierte Form der Interessenvermittlung, die der Konsensbildung dient und somit ins parlamentarische System passt. Allenfalls klare Verfahrensregeln seien nötig, um den Lobbyismus nicht jenseits eines demokratieverträglichen Rahmens wuchern zu lassen. Die Kernfragen sind: Dient Lobbyismus einem partikularen Spezialinteresse oder letztlich dem Gemeinwohl? Geht es um harmloses Argumentieren, Beraten und Verhandeln oder um unzulässiges Einwirken auf Entscheidungsprozesse, indem Druck ausgeübt wird - bis hin zu Bestechung?
Auswüchse werden geschildert, Skandale erwähnt, unverfrorenes Handeln wird angeprangert. Insofern tragen Leif/Speth ebenso wie Gammelin/Hamann dazu bei, Dunkelfelder aufzuhellen und Milchglas durchsichtiger zu machen. Aber es gibt ja sogar Abgeordnete, die neben ihren Mandaten die Interessen wichtiger Unternehmen, Verbände oder Organisationen vertreten - Interessenverquickungen, die allerdings vom Prinzip des freien Mandats demokratisch gewählter Abgeordneter gedeckt sind.
Auch diesen Missstand zeigt das Buch auf, ohne ein schlüssiges Rezept anzubieten, wie dem entgegenzuwirken wäre. Zu einem wirklichen Problem werden Lobbyisten, wenn sie demokratische Regeln als Störfaktoren ihres Tuns betrachten und sie auszuschalten versuchen. So haben sie gelegentlich leichtes Spiel, auch das wird deutlich, weil sie auf überforderte Parlamentarier und - besonders in Brüssel - auf eine weitgehend kontrollfreie Bürokratie treffen, die ihnen willig folgt. So sind in Brüssel wie in Berlin Geflechte entstanden, in denen übrigens Journalisten mitmischen, die sich - ähnlich wie vom Bundesnachrichtendienst - einspannen lassen, um Informationen hin- und herzutragen und sich für interessengeleitete Kampagnen zur Verfügung stellen.
Etwas ratlos bleibt der von diesem Buch wohlinformierte Leser zurück, weil eine Definition nicht geliefert wird, vielleicht nicht geliefert werden kann: Wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen Politikberatung, Public Relations, Lobbying, Public Affairs, Consultants, Rechtsberatern, Unternehmensberatung, hier und da auch noch vermischt mit Unternehmenskommunikation und Werbung. Es bleibt nicht einfach, diese schleierhafte Welt zu durchschauen.
HELMUT LÖLHÖFFEL
THOMAS LEIF, RUDOLF SPETH (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. 366 Seiten, 19,90 Euro.
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"Die Einblicke sind durchweg auf den Punkt geschrieben und belegen die Feldkompetenz der AutorInnen, die selbst in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig sind (Wissenschaft, Journalismus, Verbände). Abschließend werden Einblicke in neuere Entwicklungen im Bereich des Lobbying gegeben." Soziologische Revue, 01/2009

"Der Blick hinter die Kulissen wird durch die Autoren aus Wirtschaft, Politik und Journalismus ermöglicht und enthüllt auf interessante und leicht zu lesende Weise das komplexe Gefüge des modernen Lobbyismus." www.vincentz-berlin.de, 20.10.2008

"Für alle ehrenamtlichen Verbandsmitglieder und uns Verbandsleute ist dieser [...] 360seitige Band ein Muss." Fachverbandsrundschreiben Batterien, Elektrowärmanlagen und Transformatoren und Stromversorgungen, 15.12.2006

"[...] Rudolf Speths Analysen zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) [sind] ein echter Gewinn." www.poli-c.de, 15.12.2006

"Als Sammelband lebt das Buch von seiner thematischen Vielfalt. Besonders die Beiträge zu bisher wenig behandelten Akteuren sind spannend." www.e-politik.de, 17.10.2006

"Ein Verdienst des Buches ist es [...], die Zusammenhänge von Politik und Interessengruppen verdeutlicht sowie spezifische Methoden des Lobbying aufgedeckt zu haben." Politik & Kommunikation, 05/2006

"Es handelt sich um ein überlegt zusammengestelltes, von kompetenten Autoren spannend geschriebenes, für Insider und Externe aufschlussreiches Werk über ein zentrales Feld des politischen decision making process [...]. Eine Lektüre, die sich lohnt." Verbände Report, 03/2006

"Der Band [...] bietet eine facettenreiche und anspruchsvolle Darstellung des Lobbyismus in Deutschland." Stuttgarter Nachrichten, 10.04.2006

"In zahlreichen Beiträgen beschreiben Journalisten und Politologen, wie Energie-, Agro- und Pharmaindustrie, Gewerkschaften oder Umweltverbände mit gezielten Informationen und Vorschlägen versuchen, denGesetzgebungsprozess zu beeinflussen." Berliner Zeitung, 25.02.2006
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