Die Untersuchung von Robert Mandrou ist der erste Versuch, Fragestellungen und Methoden, die von französischen Historikern im Umkreis der Zeitschrift 'Annales' entwickelt wurden, auf ein Thema der deutschen Geschichte in der Frühen Neuzeit anzuwenden. Sie steht in der französischen Tradition einer Sozialgeschichte der ländlichen Gebiete, in der die Investitionen reicher Bürger in Grundbesitz und dessen zentrale Rolle für einen sozialen Aufstieg analysiert wurden. In diesem Buch geht es um vier Fragenkomplexe. Zunächst: Gaben die Bürger, die in Grundbesitz investierten, bewußt ihre 'Bürgerlichkeit' preis oder wollten sie in den Adel aufsteigen? Für die Fugger war Grundbesitz eine Geldanlage, die zwar weniger rentabel war als etwa der Handel, dafür aber wesentlich sicherer. Die zweite Frage bezieht sich auf die Tatsache, daß Bürger vorzugsweise Grundherrschaften kauften: War das ein Anzeichen für die Beständigkeit oder für eine Krise des Grundherrenstandes? Als drittes wird die Attraktivität des Adels für bürgerliche Schichten im Ancien Regime analysiert. Und schließlich fragt Mandrou nach Möglichkeiten, die anhand französischer Beispiele gewonnenen Erkenntnisse zu verallgemeinern und auf das gesamte frühneuzeitliche Europa auszudehnen. An der Schnittstelle von Sozial- und Kulturgeschichte angesiedelt, nimmt diese Studie Tendenzen der heutigen Geschichtswissenschaft vorweg: die Untersuchung sozio-ökonomischer Verhaltensweisen aus kulturanthropologischer Perspektive, mikrohistorische Analyse und der Einsatz vergleichender Forschung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.1998Kleinkredit bringt auch Zins
Wie die Fugger fuggerten: Robert Mandrou gräbt auf ihren Ländereien das Geheimnis ihrer Millionen aus
Dürers berühmtes Porträt Jakob Fuggers des Jüngeren, genannt "des Reichen" (1459 bis 1525), könnte ein Idealbild des modernen Kapitalisten sein. Es zeigt eine frühneuzeitliche Physiognomie, die der Gegenwart unmittelbar nahe scheint - ein Gesicht, das von wacher Intelligenz, gelassenem Machtbewußtsein, Realismus, aber auch von jener Kälte spricht, deren es in Krisen bedarf. So einer, das glaubt man sofort, verstand es, selbst einen Kaiser in die Schranken zu weisen. Man wickle Dürers Fugger in anthrazitfarbenes Tuch mit Nadelstreifen, binde ihm eine Krawatte um und nehme ihm die golddurchwirkte Haube vom Kopf: Unbesehen gäbe er einen Manager unserer Tage ab.
Mit dem großem Augsburger hat der Fugger-Mythos seinen harten Kern. "Fugger", das heißt: ein schon den Zeitgenossen legendärer Reichtum; ein Imperium aus Banken und Bergwerken, in dem die Sonne nicht untergeht; Kredite für Päpste und Kaiser; Geldverdienen mit Härte und Geschick; eben "fuggern" , wie eine Wortschöpfung des sechzehnten Jahrhunderts lautete. Er wolle sich keinen ruhigen Lebensabend gönnen, vielmehr "winnen, dieweil er könne", soll Jakob Fugger einmal gesagt haben. Dabei hatte der kulturelle Habitus der Fugger nicht nur solche modernen Seiten. Noch Jakob Fugger, der auf Dürers Bild wie ein Bruder Machiavellis wirkt, stiftete voll Jenseitsangst mit einem Teil seines Riesenvermögens die "Fuggerei", eine Armensiedlung in einem Stadtteil Augsburgs, um mit diesem guten Werk das Hauptkonto mit seinem Gott ins Gleichgewicht zu bringen.
Einen weniger bekannten Aspekt untersucht Robert Mandrou: die Rolle der Fugger als Grundbesitzer im Umland der Reichsstadt Augsburg. Jakob und seine Nachfolger, Strategen eines weltweit operierenden Konzerns, begegnen in dieser schlanken Studie als Partner - und mehr noch als Kontrahenten - schwäbischer Bauern, die ihnen Abgaben und Frondienste zu leisten haben, Kredite von ihnen nehmen; über die sie zu Gericht sitzen.
Das Werk hat heute den Rang eines Klassikers. Die französische Originalausgabe erschien 1969, in der Reihe "Civilisations et Mentalités" - und doch liest sich der Text in der Übersetzung von Eckart Birnstiel wie eine gerade erst geschriebene Abhandlung zu einem nach wie vor aktuellen Thema. Sein Autor war einer der Protagonisten der "französischen historischen Revolution", die von der Zeitschrift "Annales" ausging. Robert Mandrou (1921 bis 1984) hat bedeutende Studien zur französischen Kultur- und Mentalitätengeschichte verfaßt: beispielsweise geht es um das Leseverhalten des "gemeinen Mannes", um Hexenwahn und Volksaufstände; vielleicht am originellsten ist seine Einführung in das frühneuzeitliche Frankreich, eine methodisch bahnbrechende "historische Psychologie" des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Mandrou ist der letzte Schüler von Lucien Febvre gewesen; er wurde auch dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für "Sozialgeschichte der Mentalitäten der frühen Neuzeit" an der École pratique des Hautes Etudes in Paris.
Man merkt dem Fugger-Buch diese Kindschaft an. Statistiken, Kurven, Diagramme und Karten bilden ihr Gerüst; der Verfasser markiert allerdings auch die Grenzen der Aussagefähigkeit seines Quellenmaterials. Er will nicht in erster Linie eine Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Schwabens oder zur fuggerschen Unternehmenshistorie liefen, sondern hat sein Buch als Studie zur Sozialpsychologie einer frühneuzeitlichen Kaufmannsfamilie konzipiert. Es geht um Fragen der Mentalität einer Sippe, die Mandrou wegen der Monumentalität, ja Monstrosität ihres wirtschaftlichen Erfolges geradezu als "Karikatur" ihres Standes erscheint. Mandrou fragt nach den Motiven für die bedeutenden Investitionen, die das städtische Bürgertum im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert für den Erwerb von Grundbesitz, Adelstiteln und Ämtern tätigte.
Als Mandrous Buch zum ersten Mal erschien, wurde in Frankreich und Italien darüber diskutiert, ob dieser Prozeß als "Feudalisierung" oder gar als "Refeudalisierung" - wie mit etwas verwirrender Terminologie gesagt wurde - zu begreifen sei; ob er einen Sieg des Handelskapitalismus über die Adelsgesellschaft bedeute, oder ob er - wie von marxistischer Seite argumentiert wurde - einem "Verrat" des Bürgertums an seinen Klasseninteressen gleichkomme. Dagegen wurde ins Feld geführt, daß ökonomische Gründe für diese Land-und Ämterkäufe hinter dem Ziel, "symbolisches Kapital" anzusammeln, zurückgestanden hätten. Das soziale Koordinatensystem der aufgestiegenen Bürger sei von Werten wie "Prestige" und "Ehre" bestimmt worden; mehr noch, der Drang zum Erwerb von Grund und Boden wurde zum Kennzeichen des bürgerlichen Habitus erklärt. In der deutschen Forschung wurde weiterhin die These vertreten, speziell den Fuggern sei es langfristig um den Aufbau eines eigenen Territorialstaates in Süddeutschland gegangen; im übrigen hätten sie mit ihren Investitionen in Immobilien nur auf krisenhafte wirtschaftliche Entwicklungen reagiert. Die Landkäufe spiegelten insofern vor allem den Versuch der Risikominimierung durch die Diversifikation von Investitionsstrategien. Antworten Mandrous auf diese Fragen fallen differenziert aus. Seine Analyse bringt zunächst ans Licht, daß sich die Landkäufe der Fugger lohnten. Über 2,5 Millionen Gulden haben sie bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges investiert, eine ungeheure Summe; nicht mehr als ein Drittel dieses Betrages hatte Jakob Fugger 1519 für die legendäre Wahl Karls V. zum Kaiser zur Verfügung gestellt. Unter dem Strich warfen die Dörfer, die Höfe, Felder und Wälder zwar weniger ab als Bergbau, Großhandel und Wechselgeschäfte. Die Rendite lag mit bis zu sechs Prozent aber deutlich über der damals üblichen Kapitalverzinsung von fünf Prozent. Dazu kamen Gewinne aus dem Geschäft mit Kleinkrediten, die an die Bauern vergeben wurden - bescheidene Profite, die, so Mandrou, nicht zu vernachlässigen seien: "Bei den Fuggern wird überhaupt nichts vernachlässigt."
Als Grundherren waren sie also ebenso erfolgreich wie als Bankiers. Nicht, weil sie administrative Neuerungen oder grundlegend andere Wirtschaftsweisen eingeführt hätten, sondern indem sie ihr rationales und energisches Management in diese Sparte ihrer Unternehmungen übertrugen. Dabei respektierten sie überkommene Strukturen, und manche Mitglieder der Familie legten Verhaltensmuster an den Tag, die eigentlich der bäuerlichen Ökonomie zugehörten. Was die Fugger von anderen bürgerlichen "Landlords" unterschied, war neben der Effizienz der Bewirtschaftung vor allem die Zähigkeit, mit der sie an einmal erworbenem Grundbesitz festhielten.
Als "feudalisierte" Bürger erscheinen die Fugger in Mandrous Buch nicht, vielmehr als städtische Aristokraten, die sich - aus wirtschaftlichen Erwägungen - die Spielregeln des grundherrschaftlichen Systems so gründlich angeeignet hatten, daß sie sie virtuos beherrschten. Den Stil adeligen Landlebens übernahmen sie erst nach und nach; repräsentative Renaissanceschlösser zeugen davon. Der Augsburger Palastkomplex blieb im sechzehnten Jahrhundert ihr sozialer Mittelpunkt, hier pflegten sie, von exquisiter Kunst umgeben, patrizische Lebensformen, die sie in die Nähe der Nobilität rückten; oder, besser gesagt, über sie hinaus - denn die Dimension schwäbischer Krautjunker hatte diese Familie von Bankiers, Staatsmännern und Handelsherren längst weit hinter sich gelassen.
Merkwürdig ist eigentlich nur, daß Mandrous Buch erst jetzt übersetzt vorliegt; überhaupt hatte es, wie Etienne François in seinem luziden Einleitungsessay ausführt, mit der Rezeption des Werkes in Deutschland seine eigene Bewandtnis. Vielfach wurden die unorthodoxen Methoden der "Annales"-Historiker - etwa die Versuche, selbst Gefühle quantitativ zu fassen - schlicht für "links" oder für "kommunistisch" gehalten. Heute sind solche Simplifikationen glücklicherweise diskreditiert. BERND ROECK
Robert Mandrou: "Die Fugger als Grundbesitzer in Schwaben, 1560 bis 1618". Eine Fallstudie sozioökonomischen Verhaltens am Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Aus dem Französischen von Eckart Birnstiel. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 136. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997. 206 S., Karten, geb., 48,- DM.
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Wie die Fugger fuggerten: Robert Mandrou gräbt auf ihren Ländereien das Geheimnis ihrer Millionen aus
Dürers berühmtes Porträt Jakob Fuggers des Jüngeren, genannt "des Reichen" (1459 bis 1525), könnte ein Idealbild des modernen Kapitalisten sein. Es zeigt eine frühneuzeitliche Physiognomie, die der Gegenwart unmittelbar nahe scheint - ein Gesicht, das von wacher Intelligenz, gelassenem Machtbewußtsein, Realismus, aber auch von jener Kälte spricht, deren es in Krisen bedarf. So einer, das glaubt man sofort, verstand es, selbst einen Kaiser in die Schranken zu weisen. Man wickle Dürers Fugger in anthrazitfarbenes Tuch mit Nadelstreifen, binde ihm eine Krawatte um und nehme ihm die golddurchwirkte Haube vom Kopf: Unbesehen gäbe er einen Manager unserer Tage ab.
Mit dem großem Augsburger hat der Fugger-Mythos seinen harten Kern. "Fugger", das heißt: ein schon den Zeitgenossen legendärer Reichtum; ein Imperium aus Banken und Bergwerken, in dem die Sonne nicht untergeht; Kredite für Päpste und Kaiser; Geldverdienen mit Härte und Geschick; eben "fuggern" , wie eine Wortschöpfung des sechzehnten Jahrhunderts lautete. Er wolle sich keinen ruhigen Lebensabend gönnen, vielmehr "winnen, dieweil er könne", soll Jakob Fugger einmal gesagt haben. Dabei hatte der kulturelle Habitus der Fugger nicht nur solche modernen Seiten. Noch Jakob Fugger, der auf Dürers Bild wie ein Bruder Machiavellis wirkt, stiftete voll Jenseitsangst mit einem Teil seines Riesenvermögens die "Fuggerei", eine Armensiedlung in einem Stadtteil Augsburgs, um mit diesem guten Werk das Hauptkonto mit seinem Gott ins Gleichgewicht zu bringen.
Einen weniger bekannten Aspekt untersucht Robert Mandrou: die Rolle der Fugger als Grundbesitzer im Umland der Reichsstadt Augsburg. Jakob und seine Nachfolger, Strategen eines weltweit operierenden Konzerns, begegnen in dieser schlanken Studie als Partner - und mehr noch als Kontrahenten - schwäbischer Bauern, die ihnen Abgaben und Frondienste zu leisten haben, Kredite von ihnen nehmen; über die sie zu Gericht sitzen.
Das Werk hat heute den Rang eines Klassikers. Die französische Originalausgabe erschien 1969, in der Reihe "Civilisations et Mentalités" - und doch liest sich der Text in der Übersetzung von Eckart Birnstiel wie eine gerade erst geschriebene Abhandlung zu einem nach wie vor aktuellen Thema. Sein Autor war einer der Protagonisten der "französischen historischen Revolution", die von der Zeitschrift "Annales" ausging. Robert Mandrou (1921 bis 1984) hat bedeutende Studien zur französischen Kultur- und Mentalitätengeschichte verfaßt: beispielsweise geht es um das Leseverhalten des "gemeinen Mannes", um Hexenwahn und Volksaufstände; vielleicht am originellsten ist seine Einführung in das frühneuzeitliche Frankreich, eine methodisch bahnbrechende "historische Psychologie" des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Mandrou ist der letzte Schüler von Lucien Febvre gewesen; er wurde auch dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für "Sozialgeschichte der Mentalitäten der frühen Neuzeit" an der École pratique des Hautes Etudes in Paris.
Man merkt dem Fugger-Buch diese Kindschaft an. Statistiken, Kurven, Diagramme und Karten bilden ihr Gerüst; der Verfasser markiert allerdings auch die Grenzen der Aussagefähigkeit seines Quellenmaterials. Er will nicht in erster Linie eine Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Schwabens oder zur fuggerschen Unternehmenshistorie liefen, sondern hat sein Buch als Studie zur Sozialpsychologie einer frühneuzeitlichen Kaufmannsfamilie konzipiert. Es geht um Fragen der Mentalität einer Sippe, die Mandrou wegen der Monumentalität, ja Monstrosität ihres wirtschaftlichen Erfolges geradezu als "Karikatur" ihres Standes erscheint. Mandrou fragt nach den Motiven für die bedeutenden Investitionen, die das städtische Bürgertum im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert für den Erwerb von Grundbesitz, Adelstiteln und Ämtern tätigte.
Als Mandrous Buch zum ersten Mal erschien, wurde in Frankreich und Italien darüber diskutiert, ob dieser Prozeß als "Feudalisierung" oder gar als "Refeudalisierung" - wie mit etwas verwirrender Terminologie gesagt wurde - zu begreifen sei; ob er einen Sieg des Handelskapitalismus über die Adelsgesellschaft bedeute, oder ob er - wie von marxistischer Seite argumentiert wurde - einem "Verrat" des Bürgertums an seinen Klasseninteressen gleichkomme. Dagegen wurde ins Feld geführt, daß ökonomische Gründe für diese Land-und Ämterkäufe hinter dem Ziel, "symbolisches Kapital" anzusammeln, zurückgestanden hätten. Das soziale Koordinatensystem der aufgestiegenen Bürger sei von Werten wie "Prestige" und "Ehre" bestimmt worden; mehr noch, der Drang zum Erwerb von Grund und Boden wurde zum Kennzeichen des bürgerlichen Habitus erklärt. In der deutschen Forschung wurde weiterhin die These vertreten, speziell den Fuggern sei es langfristig um den Aufbau eines eigenen Territorialstaates in Süddeutschland gegangen; im übrigen hätten sie mit ihren Investitionen in Immobilien nur auf krisenhafte wirtschaftliche Entwicklungen reagiert. Die Landkäufe spiegelten insofern vor allem den Versuch der Risikominimierung durch die Diversifikation von Investitionsstrategien. Antworten Mandrous auf diese Fragen fallen differenziert aus. Seine Analyse bringt zunächst ans Licht, daß sich die Landkäufe der Fugger lohnten. Über 2,5 Millionen Gulden haben sie bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges investiert, eine ungeheure Summe; nicht mehr als ein Drittel dieses Betrages hatte Jakob Fugger 1519 für die legendäre Wahl Karls V. zum Kaiser zur Verfügung gestellt. Unter dem Strich warfen die Dörfer, die Höfe, Felder und Wälder zwar weniger ab als Bergbau, Großhandel und Wechselgeschäfte. Die Rendite lag mit bis zu sechs Prozent aber deutlich über der damals üblichen Kapitalverzinsung von fünf Prozent. Dazu kamen Gewinne aus dem Geschäft mit Kleinkrediten, die an die Bauern vergeben wurden - bescheidene Profite, die, so Mandrou, nicht zu vernachlässigen seien: "Bei den Fuggern wird überhaupt nichts vernachlässigt."
Als Grundherren waren sie also ebenso erfolgreich wie als Bankiers. Nicht, weil sie administrative Neuerungen oder grundlegend andere Wirtschaftsweisen eingeführt hätten, sondern indem sie ihr rationales und energisches Management in diese Sparte ihrer Unternehmungen übertrugen. Dabei respektierten sie überkommene Strukturen, und manche Mitglieder der Familie legten Verhaltensmuster an den Tag, die eigentlich der bäuerlichen Ökonomie zugehörten. Was die Fugger von anderen bürgerlichen "Landlords" unterschied, war neben der Effizienz der Bewirtschaftung vor allem die Zähigkeit, mit der sie an einmal erworbenem Grundbesitz festhielten.
Als "feudalisierte" Bürger erscheinen die Fugger in Mandrous Buch nicht, vielmehr als städtische Aristokraten, die sich - aus wirtschaftlichen Erwägungen - die Spielregeln des grundherrschaftlichen Systems so gründlich angeeignet hatten, daß sie sie virtuos beherrschten. Den Stil adeligen Landlebens übernahmen sie erst nach und nach; repräsentative Renaissanceschlösser zeugen davon. Der Augsburger Palastkomplex blieb im sechzehnten Jahrhundert ihr sozialer Mittelpunkt, hier pflegten sie, von exquisiter Kunst umgeben, patrizische Lebensformen, die sie in die Nähe der Nobilität rückten; oder, besser gesagt, über sie hinaus - denn die Dimension schwäbischer Krautjunker hatte diese Familie von Bankiers, Staatsmännern und Handelsherren längst weit hinter sich gelassen.
Merkwürdig ist eigentlich nur, daß Mandrous Buch erst jetzt übersetzt vorliegt; überhaupt hatte es, wie Etienne François in seinem luziden Einleitungsessay ausführt, mit der Rezeption des Werkes in Deutschland seine eigene Bewandtnis. Vielfach wurden die unorthodoxen Methoden der "Annales"-Historiker - etwa die Versuche, selbst Gefühle quantitativ zu fassen - schlicht für "links" oder für "kommunistisch" gehalten. Heute sind solche Simplifikationen glücklicherweise diskreditiert. BERND ROECK
Robert Mandrou: "Die Fugger als Grundbesitzer in Schwaben, 1560 bis 1618". Eine Fallstudie sozioökonomischen Verhaltens am Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Aus dem Französischen von Eckart Birnstiel. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 136. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997. 206 S., Karten, geb., 48,- DM.
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