Serena lebt mit ihrem Vater und ihren Ziegen in Frip, einer kleinen Stadt am Meer. Doch in Frip gibt es ein Problem - die Gapper. Gapper sind niedliche tennisballgroße orangefarbene Wesen. Aber Gapper lieben Ziegen. Sie stürzen sich mit einem schrillen Freudenschrei auf sie, sobald sie eine entdecken. Dummerweise ist Capables Ziegenweide am besten zu erreichen. Und Serena muss Tag für Tag ihre Ziegen von den lästigen Gappern befreien. Ihre Nachbarn denken gar nicht daran, ihr zu helfen. Eines Tages jedoch wendet sich das Schicksal und die Nachbarn sind nun auf Serenas Hilfe angewiesen. Dank Serenas Großherzigkeit gelingt es, das Problem von Frip zu lösen, und schließlich sind sogar die Gapper zufrieden ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2005Häuserrücken
Ein skurriles Kinderbuch über das so schwere Miteinander
Achtung, hier kommen ausgefahrene Ellenbogen und sehr viel Sinn! Wie in einer jüdischen Fabel wird mit den "Gappern von Frip" eine recht aktuelle Geschichte entwickelt. Dabei ist die Handlung wie die Gestaltungweise ungewöhnlich. Schauplatz des Geschehens ist das kleine, am Meer gelegene Örtchen mit Namen Frip. Es besteht nur aus drei windschiefen Hütten, in denen drei Familien mit ihren Kindern und Ziegen leben. Eine märchenhaft einfache Grundkonstellation also. Irritierend ist allerdings die Mühsal der Kinder von Frip: Tagein, tagaus müssen sie ihre Ziegen durch unermüdliches Bürsten von hartnäckigen Gappern befreien. Gapper sind leuchtend orangefarbene kugelige Wesen mit nur wenig Verstand. Vorzugsweise machen sie es sich auf Ziegen gemütlich und setzen sich unter kreischendem Freudengeschrei in deren Fell fest. Als Einzelwesen mögen Gapper nur nervig wie eine Klette sein, als Invasion indes werden sie bedrohlich.
Dies muß das kleine Mädchen Serena erfahren, als eines Tages die ganze Gappertruppe nur auf ihre Weide und die Ziegen krabbelt. Während die Nachbarkinder fröhliche, bürstenfreie Zeiten erleben dürfen, kann Serena bald ihre Aufgabe allein nicht mehr bewältigen. Als sie ihre Nachbarn um Hilfe bittet, wird sie scharf zurückgewiesen: Jeder müsse für sich selbst sorgen, man habe genug mit sich zu tun. Prompt rückt auch schon eine Schleppmannschaft an, die die Häuser der Nachbarn schnell in gehörigen Sicherheitsabstand rücken. Was für ein unbarmherziges Miteinander!
Die aktuellen Bezüge der Geschichte sind deutlich. Der amerikanische Autor George Saunders zeichnet ein beklemmendes Porträt unserer Ellbogengesellschaft und überspitzt das nachbarschaftliche Verhalten fast sarkastisch bis ins Tragikomische. Wenn die Beispielgeschichte nicht zur Moralpredigt gerät, liegt das an der Improvisationslust des Textes, an seiner Art, ins Uferlose drauflos zu schwadronieren und nicht zuletzt an der ständigen Eskalation seiner Komik. Man hört der Geschichte an, daß sie in einer lebendigen familiären Erzählsituation entstand und gemeinsam mit den Töchtern des Autors weitergesponnen wurde.
Die traumverlorenen, aquarellierten Illustrationen von Lane Smith verbildlichen vor allem die symbolische Ebene der Handlung. Smith bedient sich dabei eines ungewöhnlichen Stilmixes: Einerseits greift er auf die mythisch dunklen Motive eines Marc Chagall zurück, hier scheinen die Bilder in Öl gefertigt; dann wieder weisen sie als Montagen und Collagen auf die Gestaltungsformen der Moderne; manche Szenen muten surrealistisch an, schräge Bildausschnitte verfremden die Darstellungen zusätzlich. Dazwischen sieht man comicartige, mit modernem Strich gezeichnete einfache Kindfiguren. Die leuchtend farbenen Gapper erinnern an heiteres Fantasy-Getier.
Auch in der Wahl seiner Techniken gelingt es Lane Smith, außergewöhnliche Stimmungen zu erzeugen. Hier dient ihm übermaltes Zeitungspapier als Hintergrund, dort scheint er seine Bilder mit Leinwänden zu unterlegen, die eine vergilbte brüchige Patina aufweisen. Einige seiner Aquarelle wirken wie auf poröses Mauerwerk aufgetragen. Die stumpfe Farbigkeit vergangener Anstriche scheint durchzuleuchten und verleiht den Bildern eine melancholische Strenge. Smiths verrückte Bildgeschichten führen in eine eigene märchenhafte und dabei ganz moderne Welt. So ergänzen sich der Bild- und der Textkünstler. Gemeinsam erzählen sie eine hintergründige Geschichte, die aufwecken soll und zugleich zum Träumen verleitet.
CAROLINE ROEDER
George Saunders: "Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip". Illustrationen von Lane Smith. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Frank Heibert. Bloomsbury Verlag, Berlin 2004. 92 S. geb., 12,90 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein skurriles Kinderbuch über das so schwere Miteinander
Achtung, hier kommen ausgefahrene Ellenbogen und sehr viel Sinn! Wie in einer jüdischen Fabel wird mit den "Gappern von Frip" eine recht aktuelle Geschichte entwickelt. Dabei ist die Handlung wie die Gestaltungweise ungewöhnlich. Schauplatz des Geschehens ist das kleine, am Meer gelegene Örtchen mit Namen Frip. Es besteht nur aus drei windschiefen Hütten, in denen drei Familien mit ihren Kindern und Ziegen leben. Eine märchenhaft einfache Grundkonstellation also. Irritierend ist allerdings die Mühsal der Kinder von Frip: Tagein, tagaus müssen sie ihre Ziegen durch unermüdliches Bürsten von hartnäckigen Gappern befreien. Gapper sind leuchtend orangefarbene kugelige Wesen mit nur wenig Verstand. Vorzugsweise machen sie es sich auf Ziegen gemütlich und setzen sich unter kreischendem Freudengeschrei in deren Fell fest. Als Einzelwesen mögen Gapper nur nervig wie eine Klette sein, als Invasion indes werden sie bedrohlich.
Dies muß das kleine Mädchen Serena erfahren, als eines Tages die ganze Gappertruppe nur auf ihre Weide und die Ziegen krabbelt. Während die Nachbarkinder fröhliche, bürstenfreie Zeiten erleben dürfen, kann Serena bald ihre Aufgabe allein nicht mehr bewältigen. Als sie ihre Nachbarn um Hilfe bittet, wird sie scharf zurückgewiesen: Jeder müsse für sich selbst sorgen, man habe genug mit sich zu tun. Prompt rückt auch schon eine Schleppmannschaft an, die die Häuser der Nachbarn schnell in gehörigen Sicherheitsabstand rücken. Was für ein unbarmherziges Miteinander!
Die aktuellen Bezüge der Geschichte sind deutlich. Der amerikanische Autor George Saunders zeichnet ein beklemmendes Porträt unserer Ellbogengesellschaft und überspitzt das nachbarschaftliche Verhalten fast sarkastisch bis ins Tragikomische. Wenn die Beispielgeschichte nicht zur Moralpredigt gerät, liegt das an der Improvisationslust des Textes, an seiner Art, ins Uferlose drauflos zu schwadronieren und nicht zuletzt an der ständigen Eskalation seiner Komik. Man hört der Geschichte an, daß sie in einer lebendigen familiären Erzählsituation entstand und gemeinsam mit den Töchtern des Autors weitergesponnen wurde.
Die traumverlorenen, aquarellierten Illustrationen von Lane Smith verbildlichen vor allem die symbolische Ebene der Handlung. Smith bedient sich dabei eines ungewöhnlichen Stilmixes: Einerseits greift er auf die mythisch dunklen Motive eines Marc Chagall zurück, hier scheinen die Bilder in Öl gefertigt; dann wieder weisen sie als Montagen und Collagen auf die Gestaltungsformen der Moderne; manche Szenen muten surrealistisch an, schräge Bildausschnitte verfremden die Darstellungen zusätzlich. Dazwischen sieht man comicartige, mit modernem Strich gezeichnete einfache Kindfiguren. Die leuchtend farbenen Gapper erinnern an heiteres Fantasy-Getier.
Auch in der Wahl seiner Techniken gelingt es Lane Smith, außergewöhnliche Stimmungen zu erzeugen. Hier dient ihm übermaltes Zeitungspapier als Hintergrund, dort scheint er seine Bilder mit Leinwänden zu unterlegen, die eine vergilbte brüchige Patina aufweisen. Einige seiner Aquarelle wirken wie auf poröses Mauerwerk aufgetragen. Die stumpfe Farbigkeit vergangener Anstriche scheint durchzuleuchten und verleiht den Bildern eine melancholische Strenge. Smiths verrückte Bildgeschichten führen in eine eigene märchenhafte und dabei ganz moderne Welt. So ergänzen sich der Bild- und der Textkünstler. Gemeinsam erzählen sie eine hintergründige Geschichte, die aufwecken soll und zugleich zum Träumen verleitet.
CAROLINE ROEDER
George Saunders: "Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip". Illustrationen von Lane Smith. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Frank Heibert. Bloomsbury Verlag, Berlin 2004. 92 S. geb., 12,90 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ziemlich neugierig war der Rezensent Maik Söhler auf George Saunders' erstes Kinderbuch - schließlich ist Saunders eher als Autor "apokalyptischer Zukunftserzählungen" bekannt, so dass man sich fragen könne, welche Düsternis er beabsichtige, in die Kinderzimmer zu bringen. Doch von der Geschichte um das Kuhkaff Frip und den Kampf gegen die verbiesterten Gapper ("tennisballgroße Wesen", die sich klettenhaft an die Dorfziegen heften und diese davon abhalten, Milch zu geben, zum Verhängnis der Dorfbewohner) ist der Rezensent total aus dem Häuschen. Eines Tages, erzählt er, sind es nur noch die Ziegen der kleinen Serena, die von den Gappern befallen werden, und da sie keine Hilfe von den anderen, mittlerweile verschonten Ziegenhütern erhält, muss sie auf "drastische Maßnahmen" zurückgreifen. Dies sei auch die Botschaft, die in dieser düster-harmonischen "Parabel über die Überwindung von Egoismus, Neid und Missgunst" stecke: "Alles ändert sich, wenn du nur die Initiative ergreifst und dich nicht auf andere verlässt". Bemerkenswert findet der Rezensent, wie "drastisch" Saunders die menschlichen Eigenschaften darstellt. Insofern korrespondiere sein "unverwechselbarer, lakonisch-harter Stil" hervorragend mit Lane Smiths "fantastischen", "teilweise surrealistischen" und "alles andere als lieblichen" Illustrationen. Kurzum: Beim Umblättern wisse man gar nicht, was man zuerst tun soll: schauen oder lesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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