Die Poesie von Mohammed Bennis aus Marokko zählt zu den schönsten, aber auch eigenwilligsten Dichtungen der Gegenwart. Der Dichter aus Arabien hat sowohl den klassisch-islamischen Bildungsweg durchlaufen als auch das frankophone Schulsystem, und beides verbindet sich in seinem Werk zu einer untrennbaren Einheit von großer, oft komplexer Verdichtung. Der Titel "Die Gabe der Leere" ist durchaus programmatisch zu verstehen: Unversehens beginnen die Worte, zu leben und das Leben zu preisen, das sich den Gefahren der Erstarrung sowie jeder sprachlichen und gedanklichen Unterdrückung widersetzt. Die Poesie von Mohammed Bennis aus Marokko zählt zu den schönsten, aber auch eigenwilligsten Dichtungen der Gegenwart. Der Dichter aus Arabien hat sowohl den klassisch-islamischen Bildungsweg durchlaufen als auch das frankophone Schulsystem, und beides verbindet sich in seinem Werk zu einer untrennbaren Einheit von großer, oft komplexer Verdichtung. Der Titel "Die Gabe der Leere" ist durchaus programmatisch zu verstehen: Unversehens beginnen die Worte zu leben und das Leben zu preisen, das sich den Gefahren der Erstarrung sowie jeder sprachlichen und gedanklichen Unterdrückung widersetzt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2012Worthimmel
Gedichte des Marokkaners Mohammed Bennis
Die Zeiten, in denen sich europäische Dichter auf einem west-östlichen Diwan behaglich als Zwilling ihrer orientalischen Kollegen einrichteten, sind leider lange vorbei. Tief ist der Graben zwischen den Sprachen und noch tiefer der zwischen den Kulturen geworden - Globalisierung hin, Internet her -, allzu wenig hört und liest man hierzulande aus dem riesigen Fundus traditioneller und moderner Lyrik, die in arabischer Sprache verfasst wurde und wird.
Dabei sind Geschichte, Kultur und die konfliktreiche Gegenwart der arabischen und persischen Welt ohne deren Dichtung kaum zu verstehen. Die Wortkünstler dort haben dabei heute ihren westlichen Kollegen gegenüber einen gewaltigen Vorteil: Während hierzulande kaum ein Dichter die orientalische Lyrik gut kennt und noch dazu im Original lesen kann, beherrschen die meisten postkolonialen Autoren westliche Sprachen, allen voran die der einstigen Kolonialmächte, und kennen westliche Dichtung und Prosa bestens. So auch der 1948 im marokkanischen Fes geborene Mohammed Bennis, der neben dem Syrer Adonis und dem 2008 verstorbenen Palästinenser Mahmud Darwisch als einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen arabischen Dichtung gilt. Dank der Arbeit der Stiftung Lyrik Kabinett kommen wir nun in den Genuss einer kleinen Auswahl aus dem vielseitigen OEuvre des heute an der Universität von Rabat Literatur lehrenden Bennis. Zuvor waren seine Gedichte nur in Anthologien zu lesen.
In seinem aufschlussreichen Nachwort beschreibt der Übersetzer Stephan Milich diese Dichtung als zwischen dem Französischen und dem Arabischen schmerzhaft oszillierend. Auch der Bezug zur eigenen Geschichte und literarischen Tradition sei spannungsbeladen zwischen "Respekt und Rebellion". Quälend und erstrebenswert zugleich wird hier nicht nur eine gewisse Hauslosigkeit wahrgenommen, sondern in starken Metaphern auch eine Bedrohung der eigenen lyrischen Tradition spürbar. Da ist in den Versen von "Rissen in der Vertrautheit" die Rede, von einer "Ernte der Nachfahren des Echos", das "Schweigen" sein wird, von "schmerzhaftem Staub", der das lyrische Ich umhüllt, von "Auslöschung" und von Sprachen, die an den "Grenzen zur Verwüstung" verstummen. Man spürt in den Versen ästhetische Strenge, die eine Art Schutzpanzer sein mag. In einer Welt der Ideologien wird es immer schwerer, seine Dichtung gegen diese Geister zu verteidigen. Die Leere wird immer mehr zu einer Gabe, die es zu schützen gilt. Das Gedicht wird in diesem Gefecht zum Zufluchtsort, zum "Gästehaus", in dem das Ich sprechen kann, ohne Rücksicht auf die Identität. Die Tradition der modernen französischen Dichtung, die die Rebellion lehrt, ist ebenso spürbar wie die Verbundenheit mit der eigenen Kultur. Der ein oder andere wird in diesem verstörenden "Himmel der Worte" auch an Paul Celan denken, jenen von der Zeitenschrunde geprägten polyglotten Kosmopoliten wider Willen.
SABINE BERKING
Mohammed Bennis: "Die Gabe der Leere". Ausgewählte Gedichte.
Aus dem Arabischen von Stephan Milich. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser. Hanser Verlag, München 2012. 85 S., geb., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gedichte des Marokkaners Mohammed Bennis
Die Zeiten, in denen sich europäische Dichter auf einem west-östlichen Diwan behaglich als Zwilling ihrer orientalischen Kollegen einrichteten, sind leider lange vorbei. Tief ist der Graben zwischen den Sprachen und noch tiefer der zwischen den Kulturen geworden - Globalisierung hin, Internet her -, allzu wenig hört und liest man hierzulande aus dem riesigen Fundus traditioneller und moderner Lyrik, die in arabischer Sprache verfasst wurde und wird.
Dabei sind Geschichte, Kultur und die konfliktreiche Gegenwart der arabischen und persischen Welt ohne deren Dichtung kaum zu verstehen. Die Wortkünstler dort haben dabei heute ihren westlichen Kollegen gegenüber einen gewaltigen Vorteil: Während hierzulande kaum ein Dichter die orientalische Lyrik gut kennt und noch dazu im Original lesen kann, beherrschen die meisten postkolonialen Autoren westliche Sprachen, allen voran die der einstigen Kolonialmächte, und kennen westliche Dichtung und Prosa bestens. So auch der 1948 im marokkanischen Fes geborene Mohammed Bennis, der neben dem Syrer Adonis und dem 2008 verstorbenen Palästinenser Mahmud Darwisch als einer der bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen arabischen Dichtung gilt. Dank der Arbeit der Stiftung Lyrik Kabinett kommen wir nun in den Genuss einer kleinen Auswahl aus dem vielseitigen OEuvre des heute an der Universität von Rabat Literatur lehrenden Bennis. Zuvor waren seine Gedichte nur in Anthologien zu lesen.
In seinem aufschlussreichen Nachwort beschreibt der Übersetzer Stephan Milich diese Dichtung als zwischen dem Französischen und dem Arabischen schmerzhaft oszillierend. Auch der Bezug zur eigenen Geschichte und literarischen Tradition sei spannungsbeladen zwischen "Respekt und Rebellion". Quälend und erstrebenswert zugleich wird hier nicht nur eine gewisse Hauslosigkeit wahrgenommen, sondern in starken Metaphern auch eine Bedrohung der eigenen lyrischen Tradition spürbar. Da ist in den Versen von "Rissen in der Vertrautheit" die Rede, von einer "Ernte der Nachfahren des Echos", das "Schweigen" sein wird, von "schmerzhaftem Staub", der das lyrische Ich umhüllt, von "Auslöschung" und von Sprachen, die an den "Grenzen zur Verwüstung" verstummen. Man spürt in den Versen ästhetische Strenge, die eine Art Schutzpanzer sein mag. In einer Welt der Ideologien wird es immer schwerer, seine Dichtung gegen diese Geister zu verteidigen. Die Leere wird immer mehr zu einer Gabe, die es zu schützen gilt. Das Gedicht wird in diesem Gefecht zum Zufluchtsort, zum "Gästehaus", in dem das Ich sprechen kann, ohne Rücksicht auf die Identität. Die Tradition der modernen französischen Dichtung, die die Rebellion lehrt, ist ebenso spürbar wie die Verbundenheit mit der eigenen Kultur. Der ein oder andere wird in diesem verstörenden "Himmel der Worte" auch an Paul Celan denken, jenen von der Zeitenschrunde geprägten polyglotten Kosmopoliten wider Willen.
SABINE BERKING
Mohammed Bennis: "Die Gabe der Leere". Ausgewählte Gedichte.
Aus dem Arabischen von Stephan Milich. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser. Hanser Verlag, München 2012. 85 S., geb., 14,90 [Euro].
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