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Wenn Ohnmacht zur Macht wird - die Zukunft gehört den Frauen
Es sind scheinbar gewöhnliche Alltagsszenen: ein nigerianisches Mädchen am Pool. Die Tochter einer Londoner Gangsterfamilie. Eine US-amerikanische Politikerin. Doch sie alle verbindet ein Geheimnis: Von heute auf morgen haben Frauen weltweit die Gabe - sie können mit ihren Händen starke elektrische Stromstöße aussenden. Ein Ereignis, das die Machtverhältnisse und das Zusammenleben aller Menschen unaufhaltsam, unwiederbringlich und auf schmerzvolle Weise verändern wird.

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Produktbeschreibung
Wenn Ohnmacht zur Macht wird - die Zukunft gehört den Frauen

Es sind scheinbar gewöhnliche Alltagsszenen: ein nigerianisches Mädchen am Pool. Die Tochter einer Londoner Gangsterfamilie. Eine US-amerikanische Politikerin. Doch sie alle verbindet ein Geheimnis: Von heute auf morgen haben Frauen weltweit die Gabe - sie können mit ihren Händen starke elektrische Stromstöße aussenden. Ein Ereignis, das die Machtverhältnisse und das Zusammenleben aller Menschen unaufhaltsam, unwiederbringlich und auf schmerzvolle Weise verändern wird.
Autorenporträt
Naomi Alderman ist in London aufgewachsen und studierte in Oxford und an der University of East Anglia. Für ihren Roman »Die Gabe« wurde sie mit dem Women's Prize for Fiction ausgezeichnet. »Die Gabe«, für Amazon Prime spektakulär verfilmt, wurde außerdem von der »New York Times«, der »Washington Post« und der »Los Angeles Times« zum Roman des Jahres gekürt, sowie von Barack Obama und Bill Gates persönlich empfohlen. Naomi Alderman ist Mitglied der Royal Society of Literature, ihre Werke wurden in über fünfunddreißig Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt in London.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

"Die Gabe" ist mit Margaret Atwoods "Report der Magd" verglichen worden. Beide Werke sind große Gedankenexperimente, beide sind in eine Rahmenerzählung eingefasst, die die eigentliche Geschichte in einen fiktiven historischen Kontext stellt. Während Desfreds Geschichte in "Report der Magd" selbst ein historisches Dokument ist, ist "Die Gabe" der erste historische Roman eines fiktiven Schriftstellers. Eingeleitet wird er durch einen Briefwechsel dieses Autors mit einer älteren, erfolgreicheren Schriftstellerin, die ihn liebevoll-herablassend einen "frechen Kerl" nennt, weil er tatsächlich Szenen "mit männlichen Soldaten, männlichen Polizisten und ‚Jungsbanden'" eingebaut hat. Am Ende der Geschichte steht also unser Status quo, leicht verschoben. Die eigentliche Erzählung beginnt in unserer Gegenwart, als Mädchen überall auf der Erde die Fähigkeit entwickeln, Stromstöße mit ihren Händen auszuteilen. Die plötzliche körperliche Überlegenheit der Frauen löst eine Revolution aus. Revolutionen sind für gewöhnlich blutige Angelegenheiten. Naomi Alderman folgt Roxy, der 14-jährigen Tochter eines Drogenbosses, dem jungen Journalisten Tunde und Allie, einer verwaisten Jugendlichen mit der Stimme der Göttin (oder ihrer Mutter) im Kopf, die eine Religion begründet.

© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2018

Die Macht des Schmerzes
Naomi Alderman entwirft in „Die Gabe“ eine Welt, in der Frauen plötzlich das starke Geschlecht sind
Auf die Frage, worin sich die Lebensrealitäten von Männern und Frauen unterscheiden, soll die Schriftstellerin Margaret Atwood einmal gesagt haben: „Männer haben Angst, dass Frauen über sie lachen. Frauen haben Angst, dass Männer sie umbringen.“ Die Tatsache, dass ein durchschnittlicher Mann immer stärker ist als eine durchschnittliche Frau, lässt Mädchen überall auf der Welt mit Warnungen im Ohr aufwachsen, die ihr Leben lang nachhallen: Geh im Dunkeln nicht allein nach Hause. Fahr lieber nicht per Anhalter. Kauf dir ein K.O.-Spray, nur zur Vorsicht.
Der satirische Science-Fiction-Roman „Die Gabe“ der Londoner Autorin Naomi Alderman kehrt diese Prämisse um. Er erzählt von einer Welt, in der Frauen diejenigen sind, deren Kraft gefürchtet wird. Und er erzählt, wie diese Umkehr der physischen Machtverhältnisse die Gesellschaft grundlegend verändert.
In den USA ist „Die Gabe“ im vergangenen Herbst erschienen – kurz vor Beginn der „Me too“-Debatte. Barack Obama setzte den Roman auf die Liste seiner Bücher des Jahres, die New York Times tat es ihm gleich. Einen viel zeitgemäßeren Roman hätte es nicht geben können.
Der große Wandel beginnt mit Einzelfällen: Junge Frauen, die plötzlich Stromschläge verteilen wie Zitteraale. Mädchen, die sich Internetvideos schicken, in denen sie elektrische Lichtbögen zwischen ihren Händen britzeln lassen. Schließlich aber wird es ernst. In einem nigerianischen Supermarkt verletzt eine Frau einen Mann durch Berührung mit ihrer Hand so schwer, dass er bewusstlos zu Boden geht. „Lächel doch mal“, hatte er zu ihr gesagt.
Quasi über Nacht ist in Aldermans Szenario Mädchen und jungen Frauen ein neues Organ gewachsen, mit dem sie Elektrizität erzeugen können. Es wird der „Strang“ genannt und darin klingt schon an, dass dieser merkwürdige Muskel am Schlüsselbein zum metaphorischen Phallus der Frauen werden wird. Vom sanften Kribbeln auf der Haut bis zum tödlichen Stromschlag können sie – mit etwas Übung – jede Intensität aus ihren Händen schießen lassen. Weibliche Babys werden mit dem Strang geboren, junge Frauen können die Kraft in älteren erwecken. Nach ein paar Monaten gibt es weltweit kaum noch eine Frau ohne die „Gabe“.
Woher die Frauen ihre plötzliche Elektrokraft haben, ist umstritten. Die einen sprechen von einer chemischen Waffe aus dem Zweiten Weltkrieg, die erst jetzt ihre Wirkung entfaltet. Andere sehen in ihr ein recht spätes, Einlenken Gottes – oder der „Göttin“, wie eine junge religiöse Führerin sagt. Sie nennt sich Mother Eve und will von nun an Maria, die Mutter Gottes, an Stelle des Sohnes verehrt sehen.
Naomi Alderman hat in der ersten Hälfte des Romans spürbar Spaß daran, das Erwachen dieser Kraft und ihre Folgen als befriedigende Rachefantasie auszumalen. In Indien ziehen weibliche Mobs über Märkte, die Frauen zuvor nicht allein betreten konnten. Auf dem Balkan bringen die Opfer von Frauenhandel und Sex-Sklaverei ihre Peiniger um. In Saudiarabien wird die Regierung gestürzt. In den liberalen Demokratien vollzieht sich der Umbruch etwas subtiler: Jungs verkleiden sich als Mädchen, um stärker zu wirken. Die Moderatorin einer Nachrichtensendung bekommt einen attraktiven jungen Mann als Sidekick, der nicht mehr als den Unterhaltungsteil am Ende vorträgt.
Wie sich die Machtverhältnisse auch in westlichen Ländern umkehren, zeigt Alderman sehr eindrücklich am Beispiel einer ihrer Hauptfiguren: Als Margot Cleary, stellvertretende Bürgermeisterin einer US-amerikanischen Stadt, zum ersten Mal nach Aktivierung ihrer „Gabe“ an einem Konferenztisch sitzt, ist sie äußerlich dieselbe wie zuvor. Innen aber ist alles anders. „Sie könnte sie töten“, denkt Cleary über ihre männlichen Vorgesetzten. „Es ist egal, dass sie es nicht tun sollte und auch nie tun wird. Wichtig ist, dass sie es könnte. Die Fähigkeit, Schmerzen zuzufügen, ist eine ganz besondere Art von Reichtum.“
Doch die „Gabe“ führt bei Naomi Alderman nicht zu einem feministischen Utopia, einer Welt voller Empathie und freundlichem Pragmatismus wie die Schriftstellerin Charlotte Perkins Gilman sie sich in ihrem feministischen Science-Fiction-Roman „Herland“ von 1915 ausmalte. Alderman ist nicht so optimistisch. Sie steht eher in der skeptischen Tradition von Margaret Atwood, die ihr während des Schreibens an „Die Gabe“ als Mentorin zur Seite stand. Naomi Alderman lässt in ihrem Roman auf sonst leeren Zwischenseiten einen Countdown laufen, der bei einem Ereignis endet, das nur als „Verheerung“ bezeichnet wird. Der Umsturz der Frauen bringt ein Matriarchat hervor, das genauso brutal und ungerecht ist, wie die schlimmsten Auswüchse des patriarchalen Systems es heute sind.
Die zweite Hälfte des Buchs liest sich stellenweise wie von antifeministischen Männerrechtlern zusammendeliriert: Im ersten Frauenstaat, der auf dem Balkan entsteht, dürfen Männer bald nichts mehr ohne die Zustimmung eines weiblichen Vormunds tun. Das Autofahren wird ihnen verboten. Durch die Kriegsgebiete ziehen vergewaltigende und mordende Frauenbanden. Für spätere Jahrzehnte deuten „archäologische Funde“ auf männliche Genitalverstümmelung hin. Es wird erwähnt, dass männliche Föten gezielt abgetrieben werden und Babys getötet. Das liest sich schrecklich. Aber es weist auch schmerzhaft darauf hin, dass viele Frauen heute tatsächlich unter solchen schrecklichen, absurden Zuständen leben müssen.
Alderman geht es mit „Die Gabe“ um etwas anderes als den alten Traum von einer besseren, weil weiblich regierten Welt. Der englische Originaltitel lautet nicht umsonst „The Power“. Das Wort ist doppeldeutig, es heißt sowohl „Kraft“ als auch „Macht“. In diesem Einklang von körperlicher und gesellschaftlicher Überlegenheit steckt die Perfidie dieses klugen Buchs. Denn die Erkenntnis ist ernüchternd, dass politische und wirtschaftliche Machtverhältnisse auch in hochzivilisierten Gesellschaften heute nicht viel mehr sind als eine Abstraktion von körperlicher Kraft. Alderman zeigt, darin liegt die tiefe Düsternis ihrer nur scheinbar rettenden Idee, dass auch moderne Gesellschaften diesen Grundmechanismus von Machterlangung und -erhalt nicht überwunden haben.
Noch dunkler dräut im Hintergrund dieser Erkenntnis eine weitere Frage: Kann es reale Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern überhaupt geben, wenn die durchschnittliche Verteilung von Muskelmasse so bleibt wie sie ist? Ist es naiv zu glauben, dass „Me too“-Debatten und Frauenquote irgendwann auch die banal physischen Aspekte männlicher Herrschaft bezwingen werden? So plausibel Aldermans Szenario sein mag, dass zu große Macht jeden korrumpiert, egal ob Mann oder Frau: Wie schön wäre es, auch einmal wieder eine positive Utopie lesen zu dürfen, die ausbuchstabiert, wie eine Gesellschaft funktionieren könnte, die Macht und Herrschaft nicht einem Geschlecht zuordnet.
KATHLEEN HILDEBRAND
Der Umsturz der Frauen bringt
ein brutales, ungerechtes
Matriarchat hervor
Naomi Alderman: Die Gabe. Roman. Aus dem Englischen von Sabine Thiele. Wilhelm Heyne Verlag, München 2018. 464 Seiten, 16,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Für Susanne Lenz ist Naomi Aldermans Roman keine Dystopie, sondern ein Spiegel der furchtbaren Gegenwart. Dass Frauen Männer mit Stromschlägen aus einem neu gewachsenen Organ niederstrecken können wie im Buch, ist allerdings nicht real. Lenz zieht aus dieser kleinen aber wirkungsvollen Abweichung Nervenkitzel und allerhand Gedankenanstöße. Den vier Hauptfiguren im Text folgt sie einigermaßen atemlos, wenn die Kraft- und Machtverhältnisse sich plötzlich umkehren. Durch den fiktiven Dreh erfährt Lenz, wie das Machtgefälle auch im Kleinsten wirkt, aber auch, dass die Macht die Frauen ebenso korrumpiert wie zuvor die Männer. Eine bessere Gesellschaft bewirken die neue Superpower nicht. Und das ist dann schließlich doch dystopisch.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Visionärer Thiller zwischen "Die Tribute von Panem" und "Der Report der Magd" mit verstörendem Suchtpotential.« GRAZIA