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Produktdetails
  • Verlag: Wernersche Verlagsges.
  • Seitenzahl: 192
  • Abmessung: 280mm
  • Gewicht: 1070g
  • ISBN-13: 9783884621172
  • Artikelnr.: 29375571
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.10.1995

Herrschaftstraum und pastorale Phantasie
Pierre André Lablaudes liebevolle Geschichte der Parkanlagen von Versailles

Am Anfang war der Garten. So schreibt es zumindest Pierre-André Lablaude in seiner Geschichte der Schloßanlage von Versailles, deren Gestaltung er von den Anforderungen einer Parklandschaft und nicht von der Architektur geprägt sieht. Einst bescheidene Jagdresidenz, entfaltete sich Versailles unter dem Regime des Sonnenkönigs zum Hauptschauplatz höfischer Festkultur. Ludwig XIV. behandelte dennoch die kaum seinen repräsentativen Bedürfnissen entsprechende, altmodische Anlage des Parks, wie sie sein Vater hatte vornehmen lassen, mit erstaunlichem Respekt. Wie die zeitgenössischen Pläne zeigen, beherrschte die traditionelle geometrische Felderung mit ihren Broderiemustern immer noch das inzwischen Petit Parc genannte, dem Schloß unmittelbar vorgelagerte Gelände.

Heute sind die Gärten von Versailles mit ihren sich überlagernden Entwicklungsphasen nur noch für den Spezialisten entzifferbar, nicht nur, weil sie in weiten Teilen zerstört sind, sondern weil das Wissen um die Vielschichtigkeit der in ihnen eingeschriebenen Ordnungsprinzipien und Machtansprüche verschüttet ist. Mit Ludwig XIV. ist der Park nicht länger Refugium, sondern ein Raum, der Zivilisation und Staatsmacht repräsentiert. Aus den beschnittenen Hecken, den künstlichen Wasserläufen und den blühenden Orangenbäumen spricht die Stimme eines Herren über Natur und Jahreszeiten, deren Gesetze mittels gläserner Gewächshäuser und aufwendiger Technik gebrochen wurden. Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts - der Hof hat seinen Sitz längst wieder in Paris - materialisieren sich pastorale Phantasien in der Gestaltung des Parks. Inmitten einer nun freier wuchernden Vegetation wird auf Initiative Marie Antoinettes der legendäre Hameau mitsamt Bauernhof eingerichtet.

Die zahlreichen Wandlungen des Geschmacks und der repräsentativen Bedürfnisse hatten den Austausch auch solcher Bäume zur Folge, die nicht wegen Überalterung ersetzt werden mußten. Weiteren Schaden nahm die Vegetation durch mißlingende Umpflanzungen. Lablaude schreibt sich den Ärger über ein Bild des Gartens von der Seele, das den geschichtshungrigen Besucher glauben macht, er bewege sich im Schatten von Bäumen, die Le Nôtre persönlich gepflanzt habe. Sein liebevoll und üppig bebildertes Buch ist als demonstrative Gegendarstellung gemeint, die die Vorstellung vom vollendeten und unwandelbaren Garten ins Reich der Träume verweist.

Lablaude konfrontiert uns mit den heiklen Problemen der Gartendenkmalpflege. Nur mühsam lassen sich über Entwürfe, Pläne und historische Ansichten die verschiedenen Entwicklungsphasen eines Parks rekonstruieren. Selbst wenn dies gelingt, bleibt die schwierige Frage, welcher Zustand als der "originale" wiederherzustellen ist. Über die Genauigkeit der Umsetzung von der gezeichneten Anlage in geordnete, beschnittene Pflanzen lassen sich lediglich Spekulationen anstellen. Unklar ist auch, wann ein Park als angemessene Umsetzung eines Entwurfs angesehen wurde, ja ob dies überhaupt jemals Anspruch und Ziel gewesen ist. Für derartige Überlegungen gibt es einen konkreten Anlaß: Ein Orkan hat 1990 den ohnehin altersschwachen Baumbestand in Versailles so drastisch dezimiert, daß die Neubepflanzung unausweichlich ist. Mit Lablaude ist dem gerupften Klienten, dessen Zukunft derzeit verhandelt wird, ein leidenschaftlicher Anwalt gewonnen. BEATE SÖNTGEN

Pierre-André Lablaude: "Die Gärten von Versailles." Mit einem Vorwort von Jean-Pierre Babelon. Aus dem Französischen von Ferdinand Werner. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1995. 192 S., 200 Farb- u. S-W-Abb., geb., 89,- DM.

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