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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2008

Zum Leuchtturm
Ingvar Ambjørnsen lotet das hartgesottene Krimi-Genre aus
Wie ein Handbuch fürs Überleben beginnt dieser Roman, hektisch und wirr, auf einer nächtlichen Landstraße an der Küste Norwegens. Fillip Morberg kommt mit den Eltern nicht mehr klar, er lebt bei seinem Onkel Ernst, aber nun ist er fort aus Oslo und muss sich Gedanken machen, wie er sich mit den Erwachsenen arrangieren sollte. Noch dringlicher aber: wie er auf die Straßensperre der Polizei vor ihm reagieren soll – immerhin hockt er am Steuer eines gestohlenen Toyota und einen Führerschein kann er mit seinen fünfzehneinhalb Jahren auch nicht vorweisen. Fillip wendet, wird verfolgt, kann sich in einen Kiefernwald flüchten, wo plötzlich Miles Davis die Führung übernimmt – aus einem Haus am Meer erschallt dessen „In a Silent Way”, die einzige unter den fünfhundert Jazzplatten des Onkels, die Fillip jederzeit erkennt. Im Bootsschuppen neben dem Haus findet Fillip Unterschlupf, ein paar Gummistiefel, die ihm die Füße vor dem Abfrieren bewahren, und ein Boot, das ihn hinaus bringt, auf eine Leuchtturm-Insel. Er findet Vorräte, spontane Helfer, einen sehr interessierten Onkel Ernst, der ihm – er ist Kriminalreporter – bei der Klärung des Falles und seiner persönlichen Probleme hilft . . .
Parallel dazu eine zweite Fluchtbewegung. Ein Mädchen taucht unter. Sie will verschwinden, will ein neues Leben, in Spanien. Also inszeniert sie – der jugendliche Abenteuertraum – ihren Tod in den Wellen. Davor war sie noch an einem Coup beteiligt, um das nötige Geld zu beschaffen. Wie die beiden Geschichten sich begegnen, sich verwickeln, wieder auseinander driften, das macht die Bewegung dieses Buchs aus. Der Bankraub geht irgendwie schief, das Mädchen, das sich Ragna nennt, muss nun herausbekommen, wo das Geld steckt. Aber neben Ragna und ihren Freunden, den Amateuren, ist auch ein Krimineller beteiligt, einer, der in großen Beträgen rechnet und brutal seine Interessen durchsetzt. Einer, der von sechs Toten redet, wenn er sechshunderttausend Kronen meint . . .
Geld bedeutet Tod. Geld bedeutet Leben. Mit energischem Drive und mit nordisch schroffer Poesie hat Ingvar Ambjørnsen das klassische amerikanische Noir-Genre in den norwegischen Schärengürtel transponiert. Mit einem Helden, der sich oft eine Spur zu männlich gibt – weil er das Ende der Jugend spürt, der Freiheit. Ein tolles Außenseiterbuch, existentialistisch, wie jeder gute Krimi: „Ich hatte das Gefühl, hier nicht allein zu sein. Dass irgendwer in der Dunkelheit stand und mich beobachtete”, reflektiert Fillip bei einem Zwischenspiel auf einem Friedhof. „Vor den Toten hatte ich keine Angst, mir machte eher der Gedanke an die Lebenden zu schaffen. Die Lebenden, die auf Erden wandelten, halb verrückt vor Hass und Geldgier . . .” FRITZ GÖTTLER
INGVAR AMBJØRNSEN: Die Gangster von Steinsund. Ein Fall für Fillip Moberg. Aus dem Norweg. v. Gabriele Haefs. Sauerländer 2007. 128 S., 9,90 Euro.
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