Produktdetails
- Verlag: Gerstenberg
- ISBN-13: 9783806751352
- ISBN-10: 3806751358
- Artikelnr.: 20857950
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006Das Louvre-Kaleidoskop
Katy Couprie und Antonin Louchard inszenieren "Die ganze Kunst" als Kindertraum
Welche Eindrücke bleiben nach dem Museumsbesuch im Kopf eines Kindes tatsächlich hängen? Nimmt man gar das Kaliber eines Louvre, der größten enzyklopädischen Gemäldesammlung der Welt, so wird es auch Erwachsenen schwerfallen, die gigantische Bilderwelt zu verarbeiten. Für Kinder haben die beiden französischen Künstler Katy Couprie und Antonin Louchard nun einen Vorschlag. Sie durften viele Nächte im Louvre verbringen, um anschließend ein Buch zu gestalten, das mit den Augen und der spielerischen Herangehensweise von Kindern durch das Museum führt und die nüchternen Hallen auf wunderliche Weise manipuliert. Ähnlich einer filmischen Rückblende zeigt "die ganze Kunst", wie ein Kindertraum nach dem Museumsbesuch aussehen könnte. Das Konzept - eine assoziative Aneinanderkettung von Bildern, ganz ohne Text - hat schon bei ihrem ersten Projekt "Die ganze Welt" viele begeistert.
Ein Kind erfaßt das Buch sofort. Mit dem ersten Aufschlagen taucht es ein in eine Bilderwelt unterschiedlichster Qualitäten: Gemälde, Fotos, Collagen, schnell Gebasteltes oder Gezeichnetes, Installationen, digitale Montagen. Einem Arrangement von ertrinkenden Playmobilmännchen folgen etwa Géricault's Floß der Medusa, das Bild einer steinernen korinthischen Sirenen-Vase, der Holzschnitt einer Meerjungfrau, das skurrile Foto eines Museumswärters mit Schwimmflossen.
Die Bilderfolge läßt sich wie in einem Kaleidoskop weiterdrehen: Mit wahllosem Einstieg, schnell oder langsam, vor- oder zurückblätternd. Alles bleibt offen, das Buch wird von jedem anders betrachtet und gelesen. Eine Altersempfehlung läßt sich kaum abgeben. Der Fünfjährige wird sich einen Sport daraus machen, den roten Faden aufzuspüren und mit dem jeweils nächsten Motiv zu verknüpfen. Er will die Hintergründe eines Gemäldes erfahren, sich Geschichten erzählen lassen oder selbst welche zusammenreimen. Fragend wird er seine Erwachsenen in ihrem Wissen über Mythologie, über Gott und die Welt aus der Reserve locken. Er will die großen Kunstwerke von den übrigen Illustrationen unterscheiden lernen, wie wild hin- und herblättern und das Buch früher oder später auswendig kennen. Dreijährige werden sich eher für einzelne Seiten begeistern, für eine Ritterrüstung, ein napoleonisches Schlachtenbild, eine gekritzelte Kinderzeichnung, die genauso gut von ihm selbst stammen könnte. Noch kleinere Kinder blättern einfach nur und gucken - kompakt und quadratisch liegt das Buch gut in der kleinen Hand. Erkenntnisse werden gewonnen, Horizonte erweitert. Mit großer Leichtigkeit und in aller Ruhe wird hier die Liebe zur Kunst geweckt. Dafür bedarf es noch keiner Aura des Originals.
Natürlich - und das ist ein wichtiger Aspekt - sind Kinder mit diesem Werk auch Entdecker. Sie sind begeistert, wenn sie das blaue Kaninchen finden, das sich in Veroneses "Hochzeit zu Kana" hinter die Balustrade geschmuggelt hat oder sich als "Ludwig Kaninchen XIV" verkleidet. Den Fußball zwischen den Pfoten der Sphinx sieht auch nicht jeder auf den ersten Blick. Bei solchen Fundstücken macht es einfach Spaß, genau hinzuschauen. Ebendiese heitere Grundstimmung macht das Buch für Kinder so leicht zugänglich, ohne dabei die Kunstwerke ins Alberne, Oberflächliche oder krankhaft Niedliche zu ziehen. Kunst wird hier ganz nebenbei aufgenommen, selbstverständlich, als Hintergrund oder Projektionsfläche, vielleicht als neue Realität.
NINA HOLLEIN
Katy Couprie/Antonin Louchard: Die ganze Kunst". Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2006. 256 S., geb., 15,90 [Euro]. Für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Katy Couprie und Antonin Louchard inszenieren "Die ganze Kunst" als Kindertraum
Welche Eindrücke bleiben nach dem Museumsbesuch im Kopf eines Kindes tatsächlich hängen? Nimmt man gar das Kaliber eines Louvre, der größten enzyklopädischen Gemäldesammlung der Welt, so wird es auch Erwachsenen schwerfallen, die gigantische Bilderwelt zu verarbeiten. Für Kinder haben die beiden französischen Künstler Katy Couprie und Antonin Louchard nun einen Vorschlag. Sie durften viele Nächte im Louvre verbringen, um anschließend ein Buch zu gestalten, das mit den Augen und der spielerischen Herangehensweise von Kindern durch das Museum führt und die nüchternen Hallen auf wunderliche Weise manipuliert. Ähnlich einer filmischen Rückblende zeigt "die ganze Kunst", wie ein Kindertraum nach dem Museumsbesuch aussehen könnte. Das Konzept - eine assoziative Aneinanderkettung von Bildern, ganz ohne Text - hat schon bei ihrem ersten Projekt "Die ganze Welt" viele begeistert.
Ein Kind erfaßt das Buch sofort. Mit dem ersten Aufschlagen taucht es ein in eine Bilderwelt unterschiedlichster Qualitäten: Gemälde, Fotos, Collagen, schnell Gebasteltes oder Gezeichnetes, Installationen, digitale Montagen. Einem Arrangement von ertrinkenden Playmobilmännchen folgen etwa Géricault's Floß der Medusa, das Bild einer steinernen korinthischen Sirenen-Vase, der Holzschnitt einer Meerjungfrau, das skurrile Foto eines Museumswärters mit Schwimmflossen.
Die Bilderfolge läßt sich wie in einem Kaleidoskop weiterdrehen: Mit wahllosem Einstieg, schnell oder langsam, vor- oder zurückblätternd. Alles bleibt offen, das Buch wird von jedem anders betrachtet und gelesen. Eine Altersempfehlung läßt sich kaum abgeben. Der Fünfjährige wird sich einen Sport daraus machen, den roten Faden aufzuspüren und mit dem jeweils nächsten Motiv zu verknüpfen. Er will die Hintergründe eines Gemäldes erfahren, sich Geschichten erzählen lassen oder selbst welche zusammenreimen. Fragend wird er seine Erwachsenen in ihrem Wissen über Mythologie, über Gott und die Welt aus der Reserve locken. Er will die großen Kunstwerke von den übrigen Illustrationen unterscheiden lernen, wie wild hin- und herblättern und das Buch früher oder später auswendig kennen. Dreijährige werden sich eher für einzelne Seiten begeistern, für eine Ritterrüstung, ein napoleonisches Schlachtenbild, eine gekritzelte Kinderzeichnung, die genauso gut von ihm selbst stammen könnte. Noch kleinere Kinder blättern einfach nur und gucken - kompakt und quadratisch liegt das Buch gut in der kleinen Hand. Erkenntnisse werden gewonnen, Horizonte erweitert. Mit großer Leichtigkeit und in aller Ruhe wird hier die Liebe zur Kunst geweckt. Dafür bedarf es noch keiner Aura des Originals.
Natürlich - und das ist ein wichtiger Aspekt - sind Kinder mit diesem Werk auch Entdecker. Sie sind begeistert, wenn sie das blaue Kaninchen finden, das sich in Veroneses "Hochzeit zu Kana" hinter die Balustrade geschmuggelt hat oder sich als "Ludwig Kaninchen XIV" verkleidet. Den Fußball zwischen den Pfoten der Sphinx sieht auch nicht jeder auf den ersten Blick. Bei solchen Fundstücken macht es einfach Spaß, genau hinzuschauen. Ebendiese heitere Grundstimmung macht das Buch für Kinder so leicht zugänglich, ohne dabei die Kunstwerke ins Alberne, Oberflächliche oder krankhaft Niedliche zu ziehen. Kunst wird hier ganz nebenbei aufgenommen, selbstverständlich, als Hintergrund oder Projektionsfläche, vielleicht als neue Realität.
NINA HOLLEIN
Katy Couprie/Antonin Louchard: Die ganze Kunst". Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2006. 256 S., geb., 15,90 [Euro]. Für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Kunst und Kinder. Nach dem Anschauen dieses merkwürdigen Bilderbuches klingt das für die Rezensentin viel harmonischer als zuvor. Für ihre Besprechung des Bandes von Katy Couprie und Antonin Louchard hat sich Nina Hollein nämlich kurzerhand die Kinderbrille aufgesetzt. Und siehe da: Wie diese Bilder könnte ein Kindertraum nach dem Museumsbesuch aussehen. Vermutet Hollein mal. Das offene, ohne die "Aura des Originals" auskommende Konzept der assoziativen Aneinanderreihung von Fotos, Gemälden, Gebasteltem oder Collagiertem, bei dem Playmobil auf korinthische Antike folgen kann, findet Hollein indessen so reizvoll, dass sie für das handliche, "Leichtigkeit und Ruhe" bei der Kunstvermittlung ausstrahlende Buch lieber keine Altersempfehlung geben möchte: Spaß am Hinschauen und Entdecken habe schließlich jeder.
© Perlentaucher Medien GmbH
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