Adam Fischer zählt zu den weltweit begehrtesten Dirigenten - zu seinem 70. Geburtstag am 9. September 2019 zeichnet Andreas Oplatka den Werdegang dieses großen Künstlers nach.
Ob mit Philharmonikern oder Kammerorchestern, ob italienische Oper, Wiener Klassik, Wagner oder Haydn: Adam Fischer zählt zu den weltweit begehrtesten Dirigenten der Gegenwart. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie in Budapest gelang es ihm früh, für die Ausbildung in Wien die kommunistische Heimat zu verlassen. Als interessierter politischer Geist wurde er zu einem Vorkämpfer für die Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs und verfolgt bis heute die Politik in Ungarn äußerst kritisch. Andreas Oplatka zeichnet in seiner Biografie den Werdegang dieses großen Künstlers nach, der in seiner Bedeutung an die Vorbilder Carlos Kleiber und Nikolaus Harnoncourt immer näher heranrückt.
Ob mit Philharmonikern oder Kammerorchestern, ob italienische Oper, Wiener Klassik, Wagner oder Haydn: Adam Fischer zählt zu den weltweit begehrtesten Dirigenten der Gegenwart. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie in Budapest gelang es ihm früh, für die Ausbildung in Wien die kommunistische Heimat zu verlassen. Als interessierter politischer Geist wurde er zu einem Vorkämpfer für die Durchlässigkeit des Eisernen Vorhangs und verfolgt bis heute die Politik in Ungarn äußerst kritisch. Andreas Oplatka zeichnet in seiner Biografie den Werdegang dieses großen Künstlers nach, der in seiner Bedeutung an die Vorbilder Carlos Kleiber und Nikolaus Harnoncourt immer näher heranrückt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2019Freude an Haydn, Leiden an Ungarn
Kein Mann der großen Gesten, doch von künstlerischem Gewicht: Andreas Oplatkas Biographie des Dirigenten Ádám Fischer
"Dirigieren heißt, den Musikern zu helfen, besser zu spielen" - der Spruch ist vielleicht weniger demütig, als er klingt. Denn schließlich muss man sich dafür erst einmal zutrauen, wirklich zu wissen, was einem Ensemble fachlich wie psychologisch guttut. Trotzdem wirkt er im aktuellen, mediengetriebenen Zirkus dirigentischer Eitelkeiten erstaunlich geerdet und antielitär; bestens passend also zu Ádám Fischer, von dem er stammt: diesem bescheiden selbstbewussten Künstler, zu dessen siebzigstem Geburtstag am kommenden Montag nun eine Biographie erschienen ist, die den Weg des in Ungarn geborenen und im deutschen Sprachraum sozialisierten Künstlers zu den führenden Theatern und Orchestern nachzeichnet.
Ihr Autor Andreas Oplatka hat dafür ausführlich mit Fischer selbst, mit Familienangehörigen und vielen Musikern, die unter Leitung des Dirigenten gespielt haben, gesprochen. Bei sichtlicher Nähe und Geneigtheit zu seinem Helden bevorzugt er dabei eine Tonlage wohlwollend gelassener, abgeklärt überblickender Halbdistanz, die sehr sachlich (und auf persönlichen Feldern wie dem Familienleben des Künstlers oder dem Binnenverhältnis der beiden dirigierenden Brüder Ádám und Iván auch recht diskret) bleibt und sich nie zu euphorischen Wallungen hinreißen lässt. Man spürt Oplatkas Schulung als Historiker und langjähriger politischer Redakteur der "Neuen Züricher Zeitung: kein Musik-Insider, sondern einer, der sich interessiert-sorgfältig an seinen Gegenstand heranarbeitet.
Das hat Vor- und Nachteile: Da gibt es einerseits eine große Behutsamkeit der Betrachtung, ein sorgsames Erwägen des Für und Wider gerade an jenen biographischen Kipppunkten, die Stagnationen oder sogar Rückschläge bewirkten und im Buch nicht verschwiegen werden; paradigmatisch dafür stehen Kapitelüberschriften wie "Zeit der Zweifel" oder "Leiden an Ungarn". Nebenfelder - kleine Exkurse zur Theatergeschichte und zum Wirken bedeutender, für Fischer prägender Kollegen, aber auch zu seiner Kochkunst und seinen sonstigen außermusikalischen Interessen - werden freundlich gestreift, ohne sich geschwätzig auszubreiten.
Fischers politisches Engagement hingegen, sein beharrliches Eintreten für die Menschenrechte und seine tief skeptische Sicht auf das aktuelle politische Tableau seines Heimatlandes bilden in ihrer kritischen Würdigung durch den Biographen fast so etwas wie einen Kontrapunkt: eine durchgängige zweite Stimme zur künstlerischen Entwicklung des Dirigenten, die ihn bis an die Wiener Staatsoper, nach Bayreuth, Salzburg und an die Scala geführt hat, während er seine Chefposten eher an Institutionen der guten zweiten Reihe, wie aktuell bei den Düsseldorfer Symphonikern, einnimmt.
Andererseits waltet da gerade angesichts dessen, wie der Künstler selbst seine Anliegen zwar eher leise, doch mit Nachdruck vertritt, vielleicht manchmal schon ein wenig zu viel Diplomatie. So im Nachvollzug jener von Oplatka fast gelassen referierten Farce, bei der im orchestrierten Zusammenwirken eines finanzstarken Egomanen und einer opportunistischen (im Gefolge der Ibiza-Affäre mittlerweile auf Abruf stehenden) Landesregierung das burgenländische Haydn-Festival nach drei erfolgreichen Jahrzehnten erdrosselt wurde. Das Unternehmen war seit seiner Gründung 1987, damals noch über den Eisernen Vorhang hinweg, ein Herzensanliegen Fischers - und seine Abwicklung ein wenig amüsanter Beweis, wie man mit genügend Geld sogar die kulturelle Identität einer ganzen Region ausverkaufen kann. Für den Dirigenten war das durchaus auch mit persönlichen Demütigungen verbunden. Bei zwei kulturpolitisch ähnlich blamablen Vorgängen - der beabsichtigten Eliminierung des durch Fischer geleiteten Dänischen Kammerorchesters und seiner staatlich instrumentierten Vertreibung von der Budapester Staatsoper - findet Oplatka dann etwas entschiedenere Worte.
Wenn sich der Autor bei der Bewertung von Fischers eigentlichem künstlerischem Profil, den Besonderheiten seiner Interpretation und Wirkung, deutlich zurücknimmt und weitgehend auf diverse Kritiker- und Musikerstimmen zurückgreift, die einen Eindruck von dessen einfühlsamer Arbeitsweise und nachhaltiger Ausstrahlung im Feld zwischen Wiener Klassik und Gustav Mahler vermitteln, ist das legitim und sachgerecht. Wo es freilich um den Komplex "Regietheater" geht, bekommt man vorübergehend den Eindruck, dass Oplatka hier nicht mehr - wie über weite Strecken und zum Vorteil des Ganzen - gleichsam mit der wägend-zurückhaltenden Stimme seines Protagonisten spricht, sondern nun im Gegenteil der Dirigent als Kronzeuge für den Unmut seines Biographen über das, was diesem auf den Bühnen missfällt, herhalten muss. Auch mischen sich gegen Ende, wenn jenseits des Lebensgeschichtlichen übergreifendere Fragestellungen referiert werden, manche Plattitüden unter - etwa in den Vergleichen zwischen Orchester-, Wirtschafts- und Staatsführung. Daraus mag leichter Überdruss entstehen, aber kein ernsthafter Schaden: Entscheidend bleibt das feinfühlige Porträt eines feinfühligen Künstlers, der sich selbst nie als Mittelpunkt, sondern zuerst als Diener und Vermittler versteht - und damit die Ohren selbst für solche Werke neu öffnet, die man schon rundum zu kennen glaubte.
GERALD FELBER
Andreas Oplatka:
"Die ganze Welt ist
ein Orchester". Der Dirigent Ádám Fischer. Biografie.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2019. 287 S., geb., 25,- [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kein Mann der großen Gesten, doch von künstlerischem Gewicht: Andreas Oplatkas Biographie des Dirigenten Ádám Fischer
"Dirigieren heißt, den Musikern zu helfen, besser zu spielen" - der Spruch ist vielleicht weniger demütig, als er klingt. Denn schließlich muss man sich dafür erst einmal zutrauen, wirklich zu wissen, was einem Ensemble fachlich wie psychologisch guttut. Trotzdem wirkt er im aktuellen, mediengetriebenen Zirkus dirigentischer Eitelkeiten erstaunlich geerdet und antielitär; bestens passend also zu Ádám Fischer, von dem er stammt: diesem bescheiden selbstbewussten Künstler, zu dessen siebzigstem Geburtstag am kommenden Montag nun eine Biographie erschienen ist, die den Weg des in Ungarn geborenen und im deutschen Sprachraum sozialisierten Künstlers zu den führenden Theatern und Orchestern nachzeichnet.
Ihr Autor Andreas Oplatka hat dafür ausführlich mit Fischer selbst, mit Familienangehörigen und vielen Musikern, die unter Leitung des Dirigenten gespielt haben, gesprochen. Bei sichtlicher Nähe und Geneigtheit zu seinem Helden bevorzugt er dabei eine Tonlage wohlwollend gelassener, abgeklärt überblickender Halbdistanz, die sehr sachlich (und auf persönlichen Feldern wie dem Familienleben des Künstlers oder dem Binnenverhältnis der beiden dirigierenden Brüder Ádám und Iván auch recht diskret) bleibt und sich nie zu euphorischen Wallungen hinreißen lässt. Man spürt Oplatkas Schulung als Historiker und langjähriger politischer Redakteur der "Neuen Züricher Zeitung: kein Musik-Insider, sondern einer, der sich interessiert-sorgfältig an seinen Gegenstand heranarbeitet.
Das hat Vor- und Nachteile: Da gibt es einerseits eine große Behutsamkeit der Betrachtung, ein sorgsames Erwägen des Für und Wider gerade an jenen biographischen Kipppunkten, die Stagnationen oder sogar Rückschläge bewirkten und im Buch nicht verschwiegen werden; paradigmatisch dafür stehen Kapitelüberschriften wie "Zeit der Zweifel" oder "Leiden an Ungarn". Nebenfelder - kleine Exkurse zur Theatergeschichte und zum Wirken bedeutender, für Fischer prägender Kollegen, aber auch zu seiner Kochkunst und seinen sonstigen außermusikalischen Interessen - werden freundlich gestreift, ohne sich geschwätzig auszubreiten.
Fischers politisches Engagement hingegen, sein beharrliches Eintreten für die Menschenrechte und seine tief skeptische Sicht auf das aktuelle politische Tableau seines Heimatlandes bilden in ihrer kritischen Würdigung durch den Biographen fast so etwas wie einen Kontrapunkt: eine durchgängige zweite Stimme zur künstlerischen Entwicklung des Dirigenten, die ihn bis an die Wiener Staatsoper, nach Bayreuth, Salzburg und an die Scala geführt hat, während er seine Chefposten eher an Institutionen der guten zweiten Reihe, wie aktuell bei den Düsseldorfer Symphonikern, einnimmt.
Andererseits waltet da gerade angesichts dessen, wie der Künstler selbst seine Anliegen zwar eher leise, doch mit Nachdruck vertritt, vielleicht manchmal schon ein wenig zu viel Diplomatie. So im Nachvollzug jener von Oplatka fast gelassen referierten Farce, bei der im orchestrierten Zusammenwirken eines finanzstarken Egomanen und einer opportunistischen (im Gefolge der Ibiza-Affäre mittlerweile auf Abruf stehenden) Landesregierung das burgenländische Haydn-Festival nach drei erfolgreichen Jahrzehnten erdrosselt wurde. Das Unternehmen war seit seiner Gründung 1987, damals noch über den Eisernen Vorhang hinweg, ein Herzensanliegen Fischers - und seine Abwicklung ein wenig amüsanter Beweis, wie man mit genügend Geld sogar die kulturelle Identität einer ganzen Region ausverkaufen kann. Für den Dirigenten war das durchaus auch mit persönlichen Demütigungen verbunden. Bei zwei kulturpolitisch ähnlich blamablen Vorgängen - der beabsichtigten Eliminierung des durch Fischer geleiteten Dänischen Kammerorchesters und seiner staatlich instrumentierten Vertreibung von der Budapester Staatsoper - findet Oplatka dann etwas entschiedenere Worte.
Wenn sich der Autor bei der Bewertung von Fischers eigentlichem künstlerischem Profil, den Besonderheiten seiner Interpretation und Wirkung, deutlich zurücknimmt und weitgehend auf diverse Kritiker- und Musikerstimmen zurückgreift, die einen Eindruck von dessen einfühlsamer Arbeitsweise und nachhaltiger Ausstrahlung im Feld zwischen Wiener Klassik und Gustav Mahler vermitteln, ist das legitim und sachgerecht. Wo es freilich um den Komplex "Regietheater" geht, bekommt man vorübergehend den Eindruck, dass Oplatka hier nicht mehr - wie über weite Strecken und zum Vorteil des Ganzen - gleichsam mit der wägend-zurückhaltenden Stimme seines Protagonisten spricht, sondern nun im Gegenteil der Dirigent als Kronzeuge für den Unmut seines Biographen über das, was diesem auf den Bühnen missfällt, herhalten muss. Auch mischen sich gegen Ende, wenn jenseits des Lebensgeschichtlichen übergreifendere Fragestellungen referiert werden, manche Plattitüden unter - etwa in den Vergleichen zwischen Orchester-, Wirtschafts- und Staatsführung. Daraus mag leichter Überdruss entstehen, aber kein ernsthafter Schaden: Entscheidend bleibt das feinfühlige Porträt eines feinfühligen Künstlers, der sich selbst nie als Mittelpunkt, sondern zuerst als Diener und Vermittler versteht - und damit die Ohren selbst für solche Werke neu öffnet, die man schon rundum zu kennen glaubte.
GERALD FELBER
Andreas Oplatka:
"Die ganze Welt ist
ein Orchester". Der Dirigent Ádám Fischer. Biografie.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2019. 287 S., geb., 25,- [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Das feinfühlige Porträt eines feinfühligen Künstlers, der sich selbst nie als Mittelpunkt, sondern zuerst als Diener und Vermittler versteht - und damit die Ohren selbst für solche Werke neu öffnet, die man schon rundum zu kennen glaubte." Gerald Felber, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.19
"Die akribische und materialreiche Biographie zeigt Fischer nicht nur als Musiker, sondern auch als Menschen: als einen Mann von Witz, als glühenden Verfechter grenzüberschreitenden kulturellen Denkens und als einen kritischen Beobachter sozialer Entwicklungen." Christoph Vratz, SWR2 Treffpunkt Klassik, 26.08.19
"Man erfährt in dieser Biografie nichts an Society-trächtigem Nervenkitzel, dafür umso mehr über das Ethos (und die Verantwortung) des 'Musikmachens'." Karl Harb, Salzburger Nachrichten, 26.08.19
"Die akribische und materialreiche Biographie zeigt Fischer nicht nur als Musiker, sondern auch als Menschen: als einen Mann von Witz, als glühenden Verfechter grenzüberschreitenden kulturellen Denkens und als einen kritischen Beobachter sozialer Entwicklungen." Christoph Vratz, SWR2 Treffpunkt Klassik, 26.08.19
"Man erfährt in dieser Biografie nichts an Society-trächtigem Nervenkitzel, dafür umso mehr über das Ethos (und die Verantwortung) des 'Musikmachens'." Karl Harb, Salzburger Nachrichten, 26.08.19