Als Bundesverteidigungsminister Gregor Berger nachts vor seiner Berliner Wohnung erschossen wird, ist dies für die Republik ein Schock. Doch das Verbrechen kommt dem Medienberater der Regierungspartei gerade recht. Zu verlockend ist die Idee, die Gattin des Ermordeten für den Wahlkampf einzuspannen. Klara Berger glaubt, das Heft in der Hand behalten zu können. Aber sie weiß nichts von den Machenschaften im Verteidigungsministerium ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2007Das ist ja gar nicht Peter Struck
Heimchen im Wahlkampf: Ulrike Sommers Roman "Die Gattin"
Eine Farbkombination von Giftgrün und Blutrot springt jeden an, der das jüngste Buch von Ulrike Sommer zur Hand nimmt. Wendet er es, findet er auf der Rückseite unter dem Titel "Die Gattin" den Zusatz "Politiker und andere Verbrecher". Das klingt nach Überstunden an der Klischeebedienmaschine. Doch dann die Überraschung: die Widmung. Sie ist nur sechs Zeilen lang und sei daher in Gänze zitiert: "Ich widme dieses Buch meinem Mann Michael Sommer und Peter Struck, der Verteidigungsminister war, als ich ,die Gattin' schrieb. Keiner dieser beiden Männer hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Gregor Berger." Das ist die beste Stelle des Buches.
Ulrike Sommer ist die Gattin des DGB-Vorsitzenden und scheint den Sozialdemokraten Struck zumindest so gut zu kennen, dass sie ihm ein Buch widmet. Und wer oder was ist Gregor Berger? Der ist vor allem tot, schon nach acht Seiten. Zwei Kugeln wohnen, ach, in seiner Brust, vielleicht auch mehr. So genau erfährt der Leser es nicht, ist auch nicht nötig. Gregor Berger war, als er starb, Bundesminister der Verteidigung, genauso, wie Struck es war, als das Buch entstand.
Warum macht die Autorin das: widmet Peter Struck ein Buch und lässt jene Figur, die im Buch seinen Posten innehat, gleich zu Beginn von Mordbuben ins Jenseits befördern, ohne dass die Leibwächter etwas hätten ausrichten können? Aus einem simplen Grund: Nur diese kuriose Konstruktion, diese Frage trägt den Leser bis auf die letzte Seite dessen, was folgt, was als "Politthriller" angepriesen wird, aber nichts anderes ist als eine Räuberpistole.
Die spielt im sogenannten politischen Berlin, also an jenen Orten rund um das Brandenburger Tor, an denen Politiker, Manager, Lobbyisten und Journalisten ihr Wesen treiben. Im Mittelpunkt stehen das Verteidigungsministerium, das Kanzleramt, die Zentrale der "Regierungspartei", das Hotel "Adlon", die Arbeits- und die Schlafstätte eines Medienberaters sowie ein Fernsehstudio. Alle Akteure erfüllen alle Vorurteile: Politiker sind ausschließlich machtversessen, hohe Beamte korrupt, Medienberater beides, Journalisten nicht minder. Die Geschichte ist rasch erzählt: Der Böse, der wirklich Böse ist Bergers Staatssekretär. Der macht dunkle Geschäfte mit den (auch ziemlich bösen) Amerikanern. Die haben ein Virus entdeckt, einen biologischen Kampfstoff, und der Staatssekretär lässt es nebst Gegenmittel heimlich an Bundeswehrsoldaten testen. Eines der unfreiwilligen Versuchskaninchen stirbt, was vertuscht wird.
Kurz darauf stirbt Berger, was sich nicht vertuschen lässt; die "Regierungspartei" und deren Generalsekretär wollen das auch gar nicht. Vielmehr kommen sie auf die absurde Idee, angesichts miserabler Umfragewerte und einer in wenigen Wochen ins Haus stehenden Bundestagswahl die im Taunus lebende und politisch restlos unbedarfte Witwe Bergers als "Friedensengel" in den Wahlkampf einzubauen. Sie hatte bis dahin das Heimchen am Herd gegeben und schrecklich darunter gelitten, dass Berger sie nicht für voll nahm. Der Leser versteht den Mann, wenn er miterleben darf, wie himmelschreiend naiv seine Witwe sich auf den völlig unrealistischen Plan des Generalsekretärs der "Regierungspartei" einlässt und danach alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Das ist noch so ein Trick der Autorin, die derart erbarmungslos mit ihrer Hauptfigur umgeht, wie das nur Frauen mit Frauen können: Bis auf Seite 467 schleift sie den Leser hinter sich her, bevor sie die Gattin endlich die erlösenden Worte über sich selbst denken lässt: "Wie dumm konnte ein einzelner Mensch sein? Wie naiv und jämmerlich dämlich?"
Diese Erleuchtung kommt der Witwe auf dem Flug nach Rumänien. Dort soll sie einen kriegerischen Konflikt zwischen Rumänen und Ungarn beilegen (obwohl sie bis dahin nur Tischdecken für ihr Privathaus falsch ausgesucht und ein bisschen an der Universität geforscht hat). Der Bundeskanzler hat sie dorthin geschickt, um wenigstens einen Versuch zu unternehmen, die Amerikaner von einem militärischen Eingreifen abzuhalten. Sollte das nicht klappen, ist er auch opportunistisch genug, einem amerikanischen Krieg als guter Verbündeter zuzustimmen. Eigentlich war ihm das ohnehin die sympathischere Version.
Doch haben der böse Kanzler und der noch bösere Staatssekretär die Friedensmission mit einem teuflischen Plan unterlegt: Sie wollen die Witwe ein mit dem Virus verseuchtes Gastgeschenk überreichen lassen. Dann sterben die aufmüpfigen Rumänen (oder die Ungarn? - egal), Deutschland ist die Friedensmacht, und die Amerikaner sind angeschmiert. Die Sache fliegt in letzter Sekunde auf, die Guten überleben, der Staatssekretär flieht, der Kanzler tritt zurück.
Und nun die alles entscheidende Frage: Welche Rolle hatte Berger? Na klar, Berger war der Gute! Er war zwar dämlich genug, sich von seinem Staatssekretär lange Zeit hinters Licht führen zu lassen. Aber dann hat er dessen Spiel doch durchblickt und fand es ganz und gar abscheulich. Das hat er etwas zu deutlich artikuliert, weshalb er schon nach acht Seiten nicht mehr mitspielen darf. Aber immerhin ist er sauber geblieben.
Irgendwie muss man bei der Lektüre immer an Peter Struck denken. Hatte der etwa auch solche Probleme mit seinem Kanzler Schröder? War er vielleicht böse, weil Schröder die rot-grüne Bundesregierung aufs Spiel gesetzt und bei diesem Spiel verloren hat? Man hört ja solche Gerüchte. Aber am Ende bleibt es eine müßige Frage. Schließlich sagt uns die Autorin doch eindeutig, dass Struck mit Berger nichts zu tun hat. Ein Glück.
ECKART LOHSE
Ulrike Sommer: "Die Gattin". Politthriller. Verlag Droemer Knaur, München 2006. 512 S., br., 8,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heimchen im Wahlkampf: Ulrike Sommers Roman "Die Gattin"
Eine Farbkombination von Giftgrün und Blutrot springt jeden an, der das jüngste Buch von Ulrike Sommer zur Hand nimmt. Wendet er es, findet er auf der Rückseite unter dem Titel "Die Gattin" den Zusatz "Politiker und andere Verbrecher". Das klingt nach Überstunden an der Klischeebedienmaschine. Doch dann die Überraschung: die Widmung. Sie ist nur sechs Zeilen lang und sei daher in Gänze zitiert: "Ich widme dieses Buch meinem Mann Michael Sommer und Peter Struck, der Verteidigungsminister war, als ich ,die Gattin' schrieb. Keiner dieser beiden Männer hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Gregor Berger." Das ist die beste Stelle des Buches.
Ulrike Sommer ist die Gattin des DGB-Vorsitzenden und scheint den Sozialdemokraten Struck zumindest so gut zu kennen, dass sie ihm ein Buch widmet. Und wer oder was ist Gregor Berger? Der ist vor allem tot, schon nach acht Seiten. Zwei Kugeln wohnen, ach, in seiner Brust, vielleicht auch mehr. So genau erfährt der Leser es nicht, ist auch nicht nötig. Gregor Berger war, als er starb, Bundesminister der Verteidigung, genauso, wie Struck es war, als das Buch entstand.
Warum macht die Autorin das: widmet Peter Struck ein Buch und lässt jene Figur, die im Buch seinen Posten innehat, gleich zu Beginn von Mordbuben ins Jenseits befördern, ohne dass die Leibwächter etwas hätten ausrichten können? Aus einem simplen Grund: Nur diese kuriose Konstruktion, diese Frage trägt den Leser bis auf die letzte Seite dessen, was folgt, was als "Politthriller" angepriesen wird, aber nichts anderes ist als eine Räuberpistole.
Die spielt im sogenannten politischen Berlin, also an jenen Orten rund um das Brandenburger Tor, an denen Politiker, Manager, Lobbyisten und Journalisten ihr Wesen treiben. Im Mittelpunkt stehen das Verteidigungsministerium, das Kanzleramt, die Zentrale der "Regierungspartei", das Hotel "Adlon", die Arbeits- und die Schlafstätte eines Medienberaters sowie ein Fernsehstudio. Alle Akteure erfüllen alle Vorurteile: Politiker sind ausschließlich machtversessen, hohe Beamte korrupt, Medienberater beides, Journalisten nicht minder. Die Geschichte ist rasch erzählt: Der Böse, der wirklich Böse ist Bergers Staatssekretär. Der macht dunkle Geschäfte mit den (auch ziemlich bösen) Amerikanern. Die haben ein Virus entdeckt, einen biologischen Kampfstoff, und der Staatssekretär lässt es nebst Gegenmittel heimlich an Bundeswehrsoldaten testen. Eines der unfreiwilligen Versuchskaninchen stirbt, was vertuscht wird.
Kurz darauf stirbt Berger, was sich nicht vertuschen lässt; die "Regierungspartei" und deren Generalsekretär wollen das auch gar nicht. Vielmehr kommen sie auf die absurde Idee, angesichts miserabler Umfragewerte und einer in wenigen Wochen ins Haus stehenden Bundestagswahl die im Taunus lebende und politisch restlos unbedarfte Witwe Bergers als "Friedensengel" in den Wahlkampf einzubauen. Sie hatte bis dahin das Heimchen am Herd gegeben und schrecklich darunter gelitten, dass Berger sie nicht für voll nahm. Der Leser versteht den Mann, wenn er miterleben darf, wie himmelschreiend naiv seine Witwe sich auf den völlig unrealistischen Plan des Generalsekretärs der "Regierungspartei" einlässt und danach alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Das ist noch so ein Trick der Autorin, die derart erbarmungslos mit ihrer Hauptfigur umgeht, wie das nur Frauen mit Frauen können: Bis auf Seite 467 schleift sie den Leser hinter sich her, bevor sie die Gattin endlich die erlösenden Worte über sich selbst denken lässt: "Wie dumm konnte ein einzelner Mensch sein? Wie naiv und jämmerlich dämlich?"
Diese Erleuchtung kommt der Witwe auf dem Flug nach Rumänien. Dort soll sie einen kriegerischen Konflikt zwischen Rumänen und Ungarn beilegen (obwohl sie bis dahin nur Tischdecken für ihr Privathaus falsch ausgesucht und ein bisschen an der Universität geforscht hat). Der Bundeskanzler hat sie dorthin geschickt, um wenigstens einen Versuch zu unternehmen, die Amerikaner von einem militärischen Eingreifen abzuhalten. Sollte das nicht klappen, ist er auch opportunistisch genug, einem amerikanischen Krieg als guter Verbündeter zuzustimmen. Eigentlich war ihm das ohnehin die sympathischere Version.
Doch haben der böse Kanzler und der noch bösere Staatssekretär die Friedensmission mit einem teuflischen Plan unterlegt: Sie wollen die Witwe ein mit dem Virus verseuchtes Gastgeschenk überreichen lassen. Dann sterben die aufmüpfigen Rumänen (oder die Ungarn? - egal), Deutschland ist die Friedensmacht, und die Amerikaner sind angeschmiert. Die Sache fliegt in letzter Sekunde auf, die Guten überleben, der Staatssekretär flieht, der Kanzler tritt zurück.
Und nun die alles entscheidende Frage: Welche Rolle hatte Berger? Na klar, Berger war der Gute! Er war zwar dämlich genug, sich von seinem Staatssekretär lange Zeit hinters Licht führen zu lassen. Aber dann hat er dessen Spiel doch durchblickt und fand es ganz und gar abscheulich. Das hat er etwas zu deutlich artikuliert, weshalb er schon nach acht Seiten nicht mehr mitspielen darf. Aber immerhin ist er sauber geblieben.
Irgendwie muss man bei der Lektüre immer an Peter Struck denken. Hatte der etwa auch solche Probleme mit seinem Kanzler Schröder? War er vielleicht böse, weil Schröder die rot-grüne Bundesregierung aufs Spiel gesetzt und bei diesem Spiel verloren hat? Man hört ja solche Gerüchte. Aber am Ende bleibt es eine müßige Frage. Schließlich sagt uns die Autorin doch eindeutig, dass Struck mit Berger nichts zu tun hat. Ein Glück.
ECKART LOHSE
Ulrike Sommer: "Die Gattin". Politthriller. Verlag Droemer Knaur, München 2006. 512 S., br., 8,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Reserviert äußert sich Eckart Lohse über Ulrike Sommers Roman "Die Gattin". Der Stoff, der hier geboten wird, wirkt auf ihn recht hanebüchen. Jedenfalls entpuppt sich der als "Politthriller" angepriesene Roman für ihn als reine "Räuberpistole". Die Geschichte um die Ermordung des deutschen Verteidigungsministers, hinter der dessen Staatssekretär steckt, der mit den Amerikanern einen biologischen Kampfstoff an Bundeswehrsoldaten erprobt, hält Lohse für krude konstruiert. Zuviel wird es ihm, wenn die Regierung die völlig unbedarfte Gattin des toten Verteidigungsministers, bisher das Heimchen am Herd, im Wahlkampf als Friedensengel benutzt und sie auf allerlei heikle Missionen schickt. Dass sämtliche Akteure alle Vorurteile erfüllen, Politiker machtversessen, Beamte korrupt, Medienberater und Journalisten beides sind, fällt da nicht weiter ins Gewicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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