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Wann wurde die schweizerische Eidgenossenschaft eine Republik? Die modische Suche nach republikanischen Traditionen erwartet diese automatischdort, wo sich keine fürstliche Territorialherrschaft etablierte. Thomas Maissen stellt dagegen die Frage, wann und in welchen semantischen Zusammenhängen das Wort "Republic" im eidgenössischen Umfeld auftauchte. Der Autor analysiert systematisch die obrigkeitliche Darstellung der gesamten Eidgenossenschaft in Ikonographie, Architektur, Zeremoniell und Literatur. Diese Studie präsentiert am schweizerischen Beispiel, aber in einem gesamteuropäischen…mehr

Produktbeschreibung
Wann wurde die schweizerische Eidgenossenschaft eine Republik? Die modische Suche nach republikanischen Traditionen erwartet diese automatischdort, wo sich keine fürstliche Territorialherrschaft etablierte. Thomas Maissen stellt dagegen die Frage, wann und in welchen semantischen Zusammenhängen das Wort "Republic" im eidgenössischen Umfeld auftauchte. Der Autor analysiert systematisch die obrigkeitliche Darstellung der gesamten Eidgenossenschaft in Ikonographie, Architektur, Zeremoniell und Literatur. Diese Studie präsentiert am schweizerischen Beispiel, aber in einem gesamteuropäischen Kontext, erstmals den Übergang vom Reichsverständnis und Reichsrecht zum westlichen Staats- und Völkerrecht und stellt die gesellschaftlichen Träger des Prozesses vor, der den souveränen Staat schuf.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Dr. Thomas Maissen ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2008

Halb zog es sie, halb sank sie hin

Die Republik, ein Kind der absoluten Monarchie: Thomas Maissens provokante Studie erklärt, wie die Schweiz zu ihrer Souveränität fand.

Beim Thema Souveränität geht den unabhängigen Schweizern die Souveränität schnell verloren. Die Verwirrung beginnt bereits bei der Frage, wer im Land souverän sei. In der Bundesverfassung steht: "Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist." Man möchte meinen, der Begriff sei damit genug strapaziert, für die Gralshüter der direkten Demokratie liegen die Dinge aber anders: Der Souverän ist das Volk und wird von Bern genauso bedroht wie von Brüssel.

Wie die Alpenrepublik zu ihren Souveränitäten gefunden hat, wird in der preisgekrönten Studie von Thomas Maissen über das Staatsverständnis der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft minutiös nachgezeichnet. Die Hauptthese des Buches lautet, dass erst das Souveränitätskonzept von Jean Bodin die Voraussetzung für eine Wahrnehmung der Eidgenossenschaft als Republik geschaffen habe. Die Sprengkraft dieser Behauptung erschließt sich erst, wenn man sie den derzeit gängigen Theorien über Republikanismus und Republiken in der Neuzeit gegenüberstellt. Fast allen ist gemeinsam, dass sie das republikanische und das monarchische Herrschaftsdenken als zwei getrennte Welten verstehen.

Bei Maissen jedoch ist die Republik ein Kind der absoluten Monarchie. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass diese Genealogie für ganz Europa gelte. Warum? Maissen betrachtet die sprachliche und bildliche Gestalt der Republik, kaum ihre Verfassungsrealität und politische Praxis. Seiner Argumentation liegt ein historisches Entwicklungsmodell der Politiktheorie in drei Stufen zugrunde: Die erste umfasst die Zeit vor Bodin, in welcher weder die aristotelische Staatslehre noch das Römische Recht, noch das ständische Privilegiendenken Hand für eine theoretische Opposition von Republik und Monarchie geboten hätten; so seien Venedig und Frankreich, später die idealtypischen Verkörperungen dieser Opposition, beide als Mischverfassungen beschrieben worden.

Mit Bodins absolutistischer Staatstheorie ging das nicht mehr, wurde nun doch der Sitz der souveränen Gewalt das entscheidende Kriterium. Mit seiner auf die französische Monarchie zugeschnittenen Theorie brachte Bodin aristokratische und demokratische Herrschaftsverbände unter Legitimationszwang. Deren Anhänger versuchten, Bodin mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, und erhoben die souveräne Mehrherrschaft zum neuen Idealstaat. So kam es zur "Geburt der Republic" aus dem Geist des Absolutismus.

Fragt man nach dem Beitrag der Schweiz, so bestand er in erster Linie darin, ausländischen Gelehrten als Projektionsfläche zu dienen. Die intellektuelle Arbeit wurde vorwiegend in den Niederlanden und in Frankreich geleistet, ihre Frucht den Eidgenossen aus interessenpolitischem Kalkül dargeboten: Wollten die Niederländer die Schweiz zur "Schwesterrepublik" machen, um ihre militärische Unterstützung gegen expansive Monarchien zu erhalten, so verfolgten französische Diplomaten das Ziel, die Eidgenossen endgültig vom Reich und damit von ihrem Dauerrivalen Habsburg abzunabeln. Folgt man Maissens Ausführungen, entsteht der Eindruck, dass die Schweizer ihr republikanisches Selbstverständnis in der Form von diplomatischen Geschenken erhalten haben, ohne zu begreifen, was die Bescherung zu bedeuten hatte. Selbst als die Eidgenossenschaft im Westfälischen Frieden zur souveränen Macht erklärt wurde, reagierten die politischen Eliten des Landes noch überwiegend ratlos.

Was die Schweiz zu einem faszinierenden Fall macht, ist ihre allmähliche Anverwandlung des republikanischen Absolutismus. Diese fand, obwohl 1648 die Souveränität des Bundes besiegelt worden war, auf der Ebene der Kantone statt. Wie Maissen detailliert darlegt, bot ihnen der Status als Republik handfeste Vorteile: Sie konnten die Zwischengewalten im eigenen Territorium ausschalten, eine säkulare Verständigungsbasis zu andersgläubigen Orten aufbauen und ausländischen Mächten wenn auch nicht auf gleicher Augenhöhe, so doch auf gleichem Boden begegnen. Insgesamt stellte der Republikanismus damit ein antidemokratisches und antiegalitäres Herrschaftsinstrument dar, das die Schweiz jedoch, anders als die Territorien des Reiches, schon im siebzehnten Jahrhundert auf den Weg nach Westen brachte.

Maissens Studie besticht auch durch die Breite ihrer Betrachtung bei größtmöglicher Quellennähe. Sie gehört zur seltenen Sorte Bücher, die auch jenen imponieren müssen, denen sie gegen den Strich gehen. Die Bedingungen für eine fruchtbare Debatte sind damit ideal - sie müsste nur noch lanciert werden. Um dem ein bisschen nachzuhelfen: Ist eine "Historisierung des Republikanismus" wirklich zu erreichen, indem man Antike und Humanismus aus seiner Geschichte verabschiedet? Und: Stand die Eidgenossenschaft nach 1648 als eine souveräne Republik von souveränen Republiken überhaupt auf dem Boden von Bodins Staatslehre, oder wurde sie nicht einfach, um mit Wolfgang "Pufendorf" Reinhard zu sprechen, ein gut getarntes Mönschterle?

CASPAR HIRSCHI

Thomas Maissen: "Die Geburt der Republik". Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 672 S., geb., 59,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Clausdieter Schott kann Thomas Maissen für seine Untersuchung "Die Geburt der Republic" gar nicht genug loben. In seiner recht gelehrten Besprechung nennt er das Werk einen "Meilenstein der schweizerischen Geschichtsschreibung". Denn so diffizil die Materie sei, so lesbar habe Maissen sie dargestellt. Wie Schotts Darstellung entnehmen, spürt Maissen dabei der Entwicklung der verfassungsrechtlichen Grundbegriffe nach, um die Staatswerdung der Schweiz darzulegen, deren nicht-monarchisches, souveränes Republikverständnis sich im 17. Jahrhundert herausbildet.

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