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Günter Kunert ist ein Chronist der besonderen Art. Er übermittelt uns erstaunliche Nachrichten aus Osmosistan und Dahlak; so heißen zwei obskure Länder, zwischen denen seltsame Schiffsladungen mit (zumeist wenig brauchbaren) Bügelmaschinen unterwegs sind, und die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie sind ebenso Erfindungen des Autors wie zahllose Sprichwörter und Lebensweisheiten, die gleichwohl immer wieder bekannten Persönlichkeiten oder Schriftstellern untergeschoben werden. Man erkennt noch die Herkunft, aber sie sind nicht selten ins Überraschende und Gegenläufige, Surreale gewendet,…mehr

Produktbeschreibung
Günter Kunert ist ein Chronist der besonderen Art. Er übermittelt uns erstaunliche Nachrichten aus Osmosistan und Dahlak; so heißen zwei obskure Länder, zwischen denen seltsame Schiffsladungen mit (zumeist wenig brauchbaren) Bügelmaschinen unterwegs sind, und die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie sind ebenso Erfindungen des Autors wie zahllose Sprichwörter und Lebensweisheiten, die gleichwohl immer wieder bekannten Persönlichkeiten oder Schriftstellern untergeschoben werden. Man erkennt noch die Herkunft, aber sie sind nicht selten ins Überraschende und Gegenläufige, Surreale gewendet, denn 'nach Adam Ries gibt es auch für Mathematiker eine Verführung, zu beweisen, dass zweimal zwei fünf ist'. Meldungen aus der Ferne und Beobachtungen in der Nähe werden in Kunerts Fantasie verwandelt und ironisch, satirisch, grotesk verzerrt und voller Spaß und Unernst dargeboten. 1964 hat der Autor diese Aufzeichnungen begonnen, nicht zuletzt, um sich auf diese Weise einen 'Emergency Exit' aus beengten Verhältnissen zu schaffen und ihnen eine komische und irreale Seite abzugewinnen. Entstanden ist eine Sammlung von Einfällen, kurzen Betrachtungen, Späßen, verzerrten Perspektiven, mikroskopischen Durchblicken, Momentaufnahmen, Spott und Hohn.Man liest und staunt. Tatsächlich: Günter Kunert ist der bedeutendste literarische Essayist unter den deutschen Literaten der Gegenwart. Sensibel, aber nie sentimental. Lakonisch aus Genauigkeit. Und was selten ist: Tapfer vor dem Freund.Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung
Autorenporträt
Günter Kunert, geb. 1929 in Berlin, reiste 1979 aus der DDR in die Bundesrepublik aus und lebt heute in Itzehoe. Für sein außerordentlich vielfältiges und umfangreiches Werk - Gedichte, Essays, Reisebücher, ein Roman, Erzählungen, Kinderbücher, Theaterstücke, Filmdrehbücher - wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet. Seit 2005 ist er Präsident des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.2011

Kunerts Sudelbücher

Günter Kunerts Domänen sind neben der Lyrik kleine literarische Formen wie Essays, Feuilletons, Porträts, Aphorismen. Von den rund 10 000 vorhandenen Notaten und Tagesskizzen erscheinen jetzt nach und nach Auswahlausgaben, etwa als "Nachrichten aus Ambivalencia" (2001) - sehr passend in der Reihe "Göttinger Sudelblätter". Nicht weniger lichtenbergisch geht es nun im gleichen Verlag um "Die Geburt der Sprichwörter": Zu beobachten ist ein geistreicher Schalk und Wortakrobat, der gegen den Strich denkt und schreibt. Neben Reflexionen und Traumerzählungen - von mehr als sprichwörtlicher Länge - finden sich überall funkelnde Pointen und Aperçus, glückliche Wortschöpfungen ("Negationsrat") und zurechtgebogene Zitate ("Geballte Fäuste arbeiten nicht, Karl Marx"), Nachdenkliches und Keckes ("Wo geglaubt wird, fallen Späne! Pius X."), Schräges ("Skrupelose ist eine eingebildete Krankheit") und Kalauerndes ("Sich der Gewohnheit entwöhnen"). Kunert will sich dem alten Magister Tinius anverwandeln, der zwar nicht mehr für Bücher mordet, aber Gedanken vollstreckt. Aus dem alten Bibliomanen ist ein neuer Logomane und Kognitomane geworden. (Günter Kunert: "Die Geburt der Sprichwörter". Wallstein Verlag, Göttingen, 142 S., geb., 17,90 [Euro].) kos

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2011

In Osmosistan
Günter Kunert erfindet,
verrätselt und deutet Sprichwörter
Im Jahre 1964, also anderthalb Jahrzehnte vor seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik, habe er mit diesen Notizen begonnen, verrät Günter Kunert, doch solche Datierungen sind in seinem jüngsten Buch die Ausnahme. Was der 1929 in Berlin geborene Lyriker, Erzähler und Essayist hier zu Papier gebracht und teils prominenten Sprichwortgebern untergeschoben hat, fällt nicht nur zeitlich, sondern auch formal aus jedem Rahmen, steht hier scheinbar kontextlos da, als Bruchstücke von keinem Ganzen, als Torsi nie vollendeter Essays, als Fragmente von Gedankenreisen durch die seltsamen Länder Dahlak und Osmosistan. Als „zersplitterte Gesten“ will Kunert die Notate verstanden wissen, von denen er unter dem Titel „Die Geburt der Sprichwörter“ einen weiteren Schwarm in die Öffentlichkeit entlässt. Doch worauf zielen diese Gesten?
„Ewig währt am längsten!“, zitiert Kunert ein „Osmotisches Sprichwort“. Ironie, Spottlust und sein besonderer Sinn für das Absurde und Skurrile sind oft federführend: Die Definition „Terminologie: die Fortsetzung der Entfremdung mit anderen Mitteln“ etwa wird Herbert Marcuse zugeschrieben und Arthur Rimbaud die Einsicht: „Das Kunststück besteht darin, beizeiten aufzuhören.“ Ob Clausewitz über die Indienstnahme seines Diktums vom Krieg als der Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zum Behufe der Kritik soziologischen Fachjargons erbaut wäre? Ob Rimbaud sein frühes Ende als Kunststück verstanden hätte? Ohne Rückendeckung durch einen vertiefenden Kontext vermögen solche Bonmots kaum gegen kritische Nachfragen zu bestehen.
So beginnt man unwillkürlich, sich die Umstände herbeizudenken, die Kunert in Swiftscher Manier über seltsame Länder fabulieren lassen, über seine Abstecher in die kurze Blütezeit chinesischer Seeherrschaft, in die Gefilde von Riesenkraken und Androiden. Zeitungslektüre, historische und naturwissenschaftliche Berichte, Science Fiction, die DDR nach dem Mauerbau und die politischen und poetologischen Diskurse jener Zeit bilden die Mutterlauge, aus denen diese Stücke entstanden sind. Gerade ihr fragmentarischer Charakter macht diese „zersplitterten Gesten“ also zu Indizien für die inneren Abläufe jenes fortwährenden Schöpfungsprozesses, aus dem Günter Kunerts gesamtes Werk hervorgegangen ist.
ULRICH BARON
GÜNTER KUNERT: Die Geburt der Sprichwörter. Wallstein Verlag, Göttingen 2011. 140 Seiten, 17,90 Euro.
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'Gerade ihr fragmentarischer Charakter macht diese 'zersplitterten Gesten' zu Indizien für die inneren Abläufe jenes fortwährenden Schöpfungsprozesses, aus dem Günter Kunerts gesamtes Werk hervorgegangen ist.'(Ulrich Baron, Süddeutsche Zeitung,