Eine Übersetzerin und vier der namhaftesten Lyriker in deutscher Sprache haben sich einer gewaltigen Aufgabe gestellt: Sie haben sämtliche Gedichte, die Yeats in mehr als 50 Jahren geschrieben hat, neu übersetzt. Damit liegt zum ersten Mal dieses reiche und in seiner poetischen Vielfältigkeit nicht zu überbietende lyrische Werk eines der bedeutendsten Dichter der europäischen Literatur in kongenialen Übersetzungen komplett auf Deutsch vor. Ein Meilenstein in der Veröffentlichungsgeschichte des genialen irischen Dichters.
Er beschwor die keltische Dämmerung und segelte in seinen Träumen nach Byzanz, er beutete sein Liebesunglück literarisch aus und lebte in einer eigenen esoterischen Welt. Er gründete ein Nationaltheater, besang den Freiheitskampf seines Volkes und wurde Senator des irischen Freistaats: William Butler Yeats (1865-1939) ist eine der vielseitigsten und widersprüchlichsten Gestalten der europäischen Moderne und unbestritten einer der ganz großen Dichter des 20. Jahrhunderts. In den fünfzig Jahren seines Schaffens haben ihn alle großen Zeitgenossen bewundert, für nachwachsende Lyrikergenerationen wurde er immer wieder zu einem der ihren.
1923 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Sein reiches, wildes und mit äußerstem Formwillen geschriebenes lyrisches Werk liegt nun erstmals vollständig auf Deutsch vor - in komplett neu erstellten Übersetzungen.
Dieser gewaltigen Aufgabe haben sich Marcel Beyer, Mirko Bonné, Gerhard Falkner und Norbert Hummelt, vier der besten deutschsprachigen Lyriker unserer Zeit, gestellt, dazu die Übersetzerin Christa Schuenke, die für ihre Übertragung der Sonette William Shakespeares gefeiert worden ist. Ihre kongenialen Übersetzungen treffen den Ton, den Yeats angeschlagen hat, in unserer heutigen Sprache. 35 Jahre nachdem William Butler Yeats zum ersten Mal im Luchterhand Verlag erschien, ist jetzt mit dem »deutschen Yeats« die Lebenssumme des großen Lyrikers endlich hierzulande zugänglich - ein Meilenstein in der Veröffentlichungsgeschichte dieses großen irischen Lyrikers.
Ausstattung: Buchbinde
Er beschwor die keltische Dämmerung und segelte in seinen Träumen nach Byzanz, er beutete sein Liebesunglück literarisch aus und lebte in einer eigenen esoterischen Welt. Er gründete ein Nationaltheater, besang den Freiheitskampf seines Volkes und wurde Senator des irischen Freistaats: William Butler Yeats (1865-1939) ist eine der vielseitigsten und widersprüchlichsten Gestalten der europäischen Moderne und unbestritten einer der ganz großen Dichter des 20. Jahrhunderts. In den fünfzig Jahren seines Schaffens haben ihn alle großen Zeitgenossen bewundert, für nachwachsende Lyrikergenerationen wurde er immer wieder zu einem der ihren.
1923 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Sein reiches, wildes und mit äußerstem Formwillen geschriebenes lyrisches Werk liegt nun erstmals vollständig auf Deutsch vor - in komplett neu erstellten Übersetzungen.
Dieser gewaltigen Aufgabe haben sich Marcel Beyer, Mirko Bonné, Gerhard Falkner und Norbert Hummelt, vier der besten deutschsprachigen Lyriker unserer Zeit, gestellt, dazu die Übersetzerin Christa Schuenke, die für ihre Übertragung der Sonette William Shakespeares gefeiert worden ist. Ihre kongenialen Übersetzungen treffen den Ton, den Yeats angeschlagen hat, in unserer heutigen Sprache. 35 Jahre nachdem William Butler Yeats zum ersten Mal im Luchterhand Verlag erschien, ist jetzt mit dem »deutschen Yeats« die Lebenssumme des großen Lyrikers endlich hierzulande zugänglich - ein Meilenstein in der Veröffentlichungsgeschichte dieses großen irischen Lyrikers.
Ausstattung: Buchbinde
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2006Dichter im Morgengrauen
William Butler Yeats ist endlich auf deutsch zu entdecken
Natürlich fällt es leicht, darüber herzuziehen. Was sollten aufgeklärte Zeitgenossen auch anderes als Spott und Tadel dafür aufbringen, daß ein offensichtlich sprachbegabter Dichter seine Kunst an Kinderkram verschwendet und von Elfen, Drachen, indischen Brahmanen, Naturidyllen oder Geistertänzen schreibt? Schlimmer kann es nur noch kommen, wenn er die herbeigeschriebenen Wesen mit der Wirklichkeit verwechselt und in spiritistischen Séancen auch noch den Dialog mit ihnen sucht. Natürlich kam es genau so: Allen Ernstes wollte er behaupten, daß sich Verstorbene ihm offenbar wie Dealer anboten, "Metaphern für die Dichtung zu bringen", wenn er sich mit ihnen über ein geeignetes Medium einließ. Das ging selbst Sympathisanten zu weit. Nach dem Tod von William Butler Yeats 1939 erklärte W. H. Auden: "1900 glaubte er an Elfen, das war schlimm genug. Aber 1930 war man mit dem traurigen und beklagenswerten Schauspiel eines erwachsenen Mannes konfrontiert, der sich mit dem Brimborium der Magie und mit dem Unsinn Indiens beschäftigte." Eine Zumutung - was sonst?
Ein Fall für die pädagogische Schreibwerkstatt. In den Wintern der Kriegsjahre 1914 bis 1916 quartierte sich Ezra Pound, der unermüdlich strenge Künder der Moderne, mit Yeats in einem Cottage in Südengland ein, um "Onkel Willi", wie er ihn respektvoll lästernd nannte, die magisch-mythisch-märchenhaften Flausen auszutreiben und ihn durch Metaphernschulung zur literarischen Avantgarde zu bekehren. Erstaunlich an dieser Unternehmung ist nicht nur der Altersunterschied der beiden - Zuchtmeister Pound war gerade dreißigjährig, Yeats mit fünfzig Jahren längst ein weithin verehrter Lyriker und Dramatiker, dazu Galionsfigur der irischen Nationalbewegung -, sondern vor allem ihr Erfolg. Pound redigierte die Gedichte eigenmächtig ohne Rücksprache mit dem Autor, bevor er sie in seiner Zeitschrift druckte. Yeats tobte - und lobte anschließend die Korrektur.
Willi kann brauchen, was er gelernt hat. Fortan werden seine Texte härter, kontrastreicher, eiskalt glühend und entschlackt, in ihrer Bildersprache oft gestochen scharf und gerade dadurch um so wirkungsvoller, wenn sie sich weiterhin mit Volkstümlichem einlassen: "Eh ich grau bin und alt, / Schreibe ich ihm ein / Gedicht, das soll genauso kalt / Und leidenschaftlich wie das Morgengrauen sein." Mit diesem grandiosen Versprechen endet "Der Angler", ein programmatisches Gedicht aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren, in dem Yeats sich seinen idealen Leser konstruiert und mit ihm einen Pakt gegen alles Gewöhnliche und Gewohnte schließt. Yeats wurde sehr alt und schrieb noch sehr viele Gedichte, seine kühnsten und wichtigsten überhaupt erst im reifen Pensionsalter. Mit zunehmenden Jahren, und das macht ihm kein Avantgardist nach, gewinnen sie an Leidenschaft und Lebenslust wie auch an Irrwitz und an grimmem Trotz, sich mit den Wirrnissen der Welt nicht abzufinden. So wird er zum unbeugsamen Vorkämpfer für andere Vorstellungswelten, in denen wir uns probehalber einrichten - und sei es um den Preis von öffentlichem Spott.
Grenzgänger der Moderne
"Wie als Greis nicht rasend sein? / Man sieht, ein Bursche, richtig fein, / Der ein ruhiger Angler ist, / Wird besoffener Journalist": eine schlimme Wendung, zweifellos. "Ein wacher Greis weiß es genau; / Macht euch in alten Büchern schlau, / Und schaut nicht erst in neue rein, / Und seht, ein Greis muß rasend sein." Das klingt nicht nach Alterslyrik eines Nobelpreisträgers mit esoterischer Tendenz und verstört bis heute durch seinen Mut zur neu gewonnenen Schlichtheit. Viele von Yeats' Texten aus dem Spätwerk sind in dieser Weise rasend, manche voll verwegener Lüsternheit und abstruser Erfindungsgabe, etliche reich an geradezu fotografischer Detailbeobachtung. Demgegenüber wirken viele Gedichte aus dem symbolistisch geprägten Frühwerk der Jahrhundertwende eher altklug und zahnlos. Alle aber sind formvollendet durchgestaltet und in den Farben ihrer Sprachgebung so hinreißend fein nuanciert wie - eben das Morgengrauen.
Erstmals haben wir als deutsche Leser jetzt Gelegenheit, das große dichterische Gesamtwerk dieses Autors einzusehen. Der Lyriker Norbert Hummelt hat mit Marcel Beyer, Mirko Bonné und Gerhard Falkner drei weitere bekannte Lyriker und mit Christa Schuenke eine sehr versierte und in Lyrikübertragungen bestens ausgewiesene Übersetzerin gewinnen können, um deutsche Fassungen aller 14 Zyklen von Yeats-Gedichten, wie sie in neueren englischen Ausgaben enthalten sind, zu erarbeiten. Der Gehalt übersteigt damit um rund das Doppelte die Auswahl, die Werner Vordtriede für seine deutsche Werkausgabe 1970 vornahm. Statt der mehr oder minder gelungenen Zusammenstellung im Stil eines Best-of-Yeats-Samplers, wie sie sich häufig in Anthologien findet, bietet sich hier also endlich eine Chance zur umfassenden Lektüre, um den erstaunlichen Wendungen wie Kontinuitäten im Werk des irischen Nationaldichters und Grenzgängers der Moderne nachzugehen.
Der Ertrag ist kaum zu überschätzen. "Arkadiens Waldungen sind tot": so lautet die erste Zeile von "Scheidewege" (1889), dem ersten Zyklus, der mit dieser Diagnose gleich die entscheidende Bedingung formuliert, unter der die Dichtkunst sich in einer Welt behaupten muß, der alle arkadischen Erinnerungen zunehmend suspekt werden. "Ach, wär ich noch mal jung, daß sie / In meinen Armen liegt": so lauten die letzten beiden Verse aus dem nachgelassenen Zyklus "Letzte Gedichte" (1939), die sich mit diesem Stoßseufzer gegen die Zumutungen von "Politik" wenden - unter diesem Titel und als erklärte Replik auf Thomas Mann erfindet Yeats hier die Stimme eines lüsternen Greises, der seinen Blick lieber auf ein junges Mädchen statt auf Zeitprobleme richtet. In dem halben Jahrhundert dazwischen bieten seine Texte einen solchen Stimmen-, Formen-, Bilder- und Erfindungsreichtum, daß man meinen sollte, hier sei gleich eine ganze Dichterschar am Werk gewesen.
Tatsächlich sieht der Autor sich nicht ungern doppelt, spielt obsessiv mit Masken und Identitäten und entwirft für die verschiedenen Ausdrucksforderungen seiner Kunst jeweils eigene Sprechfiguren, denen er in seinen Texten Auftrittsmöglichkeiten gibt. So steht im Gesamtwerk das Liedhaft-Lyrische und Balladeske oft unvermittelt neben verstörend visionären Versen und reibt sich ständig an der Wahrnehmung der schroffen Wirklichkeit, die solchem Ausdruck keinen Raum gibt, wund. Seine notorischen Einlassungen zu Magie und Spiritismus, mit keltischen Elfen oder indischen Geistern und dem ganzen Mythenbestand der Gegenaufklärung haben daher etwas Trotziges, vorsätzlich Unzeitgemäßes, das sich den Zeitentwicklungen entgegenstemmen will. "Gebührende Embleme für die Not der Zeit" nennt Yeats dies in "Der Turm", seinem bis heute gewiß eindrucksvollsten Zyklus von 1928.
Rhythmus vor Reim
"Mein Haus", "Mein Tisch", "Das Starennest an meinem Fenster": so schlicht, wie ihre Überschriften klingen, sind diese Gedichte doch von ungebrochener Macht, wenn sie mit einfachen, fast protokollarischen Sätzen die ganz große Weltgeschichte in noch so unscheinbare Details bannen. Während sein Land, für dessen Unabhängigkeit Yeats lange eintrat, im Bürgerkrieg versinkt und alle Hoffnung auf den großen Neuanfang blutig begräbt, erfindet er hier seine Welt aufs neue - doch nicht, indem er sich in die Idylle zurückzieht, sondern indem er versucht, mit Worten aufzubauen, was verlorenging. "Der Mensch verliebt sich gern in das, was schwindet, / Was soll man sonst noch sagen?" Hauptsache wohl, man sagt es und überläßt das Schwindende nicht dem Verstummen. Yeats' Lyriklebenswerk liest sich daher wie ein gewaltiges Experiment, die wirklichkeitsstiftende Macht von Sprache unter den Bedingungen der Moderne zu erproben. Nicht zuletzt rührt auch seine Faszination an apokalyptischen Szenarien wie später am aufkommenden Faschismus aus dem ständigen Bestreben, dem drohenden Zerfall doch eine neue Ordnung abzugewinnen.
All dies jetzt in den neuen Versionen nachzulesen kommt einer Abenteuerreise gleich, voll großartiger Entdeckungen, aber auch irritierender Passagen. Die Übersetzungen haben daran gleichermaßen reichen Anteil. Natürlich fiele es nicht schwer, zweifelhafte oder auch mißratene Formulierungen und ganze Strophen aufzuspießen, aber die Gesamtleistung ist ebenso staunens- wie anerkennenswert. Vor allem war es eine sehr kluge Entscheidung, die Zyklen jeweils als Ganze einem Übersetzer anzutragen, so daß die Vielfalt ihrer sprachlichen Gestaltung aus einer Hand neu zu erschaffen blieb.
Generell sind allerdings die harten, beißenden, manchmal fast aggressiven Tonlagen meist besser getroffen als die klang- und sehnsuchtsvollen Liedzeilen, die leicht ins Süßliche und Volkstümelnde kippen. Das aber folgt gewiß auch aus dem Zustand unserer eigenen Sprache wie unseres heutigen Sprachempfindens, nicht einfach aus etwaigem Unvermögen deutscher Nachdichter. Problematisch sind erwartungsgemäß auch die subtilen Rhythmen und Reimfügungen, mit denen Yeats seine Verse komponiert und verschränkt. In ihrer Nachbemerkung gibt Christa Schuenke dazu die Devise "Rhythmus vor Reim" aus, und man wünschte oft, die Übersetzungen hätten sich strikter daran gehalten, statt sich in Verlegenheitsreime zu retten.
Der hohe Anspruch jedenfalls, den Hummelt vorgibt, daß die Übersetzung als "eigenständige literarische Form" gelte, kann sich selbstverständlich nur an einzelnen konkreten Beispielen erfüllen. Je weniger Worte oder Silben dafür zur Verfügung stehen, desto spannender die Ausführung. Der Grabspruch, den Yeats für sich dichtete, klingt bei Marcel Beyer so: "Reiter, schau kalt / Auf Leben, auf Tod. / Mach hier nicht halt!" Werner Vordtriede dagegen suchte sich seinerzeit reichlich holprig zu behelfen: "Kalt blicke du/ Auf Leben, Tod, / Reiter, reit zu!" Wolfgang Schlüter allerdings hat schon vor Jahren folgende Version geboten: "Reiter, blick kalt / Auf Leben, auf Tod. / Weiter! Kein Halt!" - hart und knapp und wie in Stein gemeißelt, gerade weil er der Vorlage eigenmächtig einen Initialreim zufügt.
Wie kaum ein anderer war Yeats sich bewußt, daß wir die großen sinnstiftenden Traditionen, wie sie seit der Romantik nur noch fragmentarisch in die Moderne hineinragen, heute allenfalls borgen, nie mehr bergen können. Es hat daher einen ganz eigenen Reiz und Sinn, wenn wir jetzt seine sämtlichen Gedichte in geborgter Sprache neu und anders sehen lernen. Der kalte Blick - wie vielleicht auch die Kaltschnäuzigkeit eines W. H. Auden - mag die einzig angemessene Haltung dafür sein.
William Butler Yeats: "Die Gedichte". Herausgegeben von Norbert Hummelt. Aus dem Englischen übersetzt von Marcel Beyer, Mirko Bonné, Gerhard Falkner / Nora Matocza, Norbert Hummelt und Christa Schuenke. Luchterhand Literaturverlag, München 2005. 463 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
William Butler Yeats ist endlich auf deutsch zu entdecken
Natürlich fällt es leicht, darüber herzuziehen. Was sollten aufgeklärte Zeitgenossen auch anderes als Spott und Tadel dafür aufbringen, daß ein offensichtlich sprachbegabter Dichter seine Kunst an Kinderkram verschwendet und von Elfen, Drachen, indischen Brahmanen, Naturidyllen oder Geistertänzen schreibt? Schlimmer kann es nur noch kommen, wenn er die herbeigeschriebenen Wesen mit der Wirklichkeit verwechselt und in spiritistischen Séancen auch noch den Dialog mit ihnen sucht. Natürlich kam es genau so: Allen Ernstes wollte er behaupten, daß sich Verstorbene ihm offenbar wie Dealer anboten, "Metaphern für die Dichtung zu bringen", wenn er sich mit ihnen über ein geeignetes Medium einließ. Das ging selbst Sympathisanten zu weit. Nach dem Tod von William Butler Yeats 1939 erklärte W. H. Auden: "1900 glaubte er an Elfen, das war schlimm genug. Aber 1930 war man mit dem traurigen und beklagenswerten Schauspiel eines erwachsenen Mannes konfrontiert, der sich mit dem Brimborium der Magie und mit dem Unsinn Indiens beschäftigte." Eine Zumutung - was sonst?
Ein Fall für die pädagogische Schreibwerkstatt. In den Wintern der Kriegsjahre 1914 bis 1916 quartierte sich Ezra Pound, der unermüdlich strenge Künder der Moderne, mit Yeats in einem Cottage in Südengland ein, um "Onkel Willi", wie er ihn respektvoll lästernd nannte, die magisch-mythisch-märchenhaften Flausen auszutreiben und ihn durch Metaphernschulung zur literarischen Avantgarde zu bekehren. Erstaunlich an dieser Unternehmung ist nicht nur der Altersunterschied der beiden - Zuchtmeister Pound war gerade dreißigjährig, Yeats mit fünfzig Jahren längst ein weithin verehrter Lyriker und Dramatiker, dazu Galionsfigur der irischen Nationalbewegung -, sondern vor allem ihr Erfolg. Pound redigierte die Gedichte eigenmächtig ohne Rücksprache mit dem Autor, bevor er sie in seiner Zeitschrift druckte. Yeats tobte - und lobte anschließend die Korrektur.
Willi kann brauchen, was er gelernt hat. Fortan werden seine Texte härter, kontrastreicher, eiskalt glühend und entschlackt, in ihrer Bildersprache oft gestochen scharf und gerade dadurch um so wirkungsvoller, wenn sie sich weiterhin mit Volkstümlichem einlassen: "Eh ich grau bin und alt, / Schreibe ich ihm ein / Gedicht, das soll genauso kalt / Und leidenschaftlich wie das Morgengrauen sein." Mit diesem grandiosen Versprechen endet "Der Angler", ein programmatisches Gedicht aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren, in dem Yeats sich seinen idealen Leser konstruiert und mit ihm einen Pakt gegen alles Gewöhnliche und Gewohnte schließt. Yeats wurde sehr alt und schrieb noch sehr viele Gedichte, seine kühnsten und wichtigsten überhaupt erst im reifen Pensionsalter. Mit zunehmenden Jahren, und das macht ihm kein Avantgardist nach, gewinnen sie an Leidenschaft und Lebenslust wie auch an Irrwitz und an grimmem Trotz, sich mit den Wirrnissen der Welt nicht abzufinden. So wird er zum unbeugsamen Vorkämpfer für andere Vorstellungswelten, in denen wir uns probehalber einrichten - und sei es um den Preis von öffentlichem Spott.
Grenzgänger der Moderne
"Wie als Greis nicht rasend sein? / Man sieht, ein Bursche, richtig fein, / Der ein ruhiger Angler ist, / Wird besoffener Journalist": eine schlimme Wendung, zweifellos. "Ein wacher Greis weiß es genau; / Macht euch in alten Büchern schlau, / Und schaut nicht erst in neue rein, / Und seht, ein Greis muß rasend sein." Das klingt nicht nach Alterslyrik eines Nobelpreisträgers mit esoterischer Tendenz und verstört bis heute durch seinen Mut zur neu gewonnenen Schlichtheit. Viele von Yeats' Texten aus dem Spätwerk sind in dieser Weise rasend, manche voll verwegener Lüsternheit und abstruser Erfindungsgabe, etliche reich an geradezu fotografischer Detailbeobachtung. Demgegenüber wirken viele Gedichte aus dem symbolistisch geprägten Frühwerk der Jahrhundertwende eher altklug und zahnlos. Alle aber sind formvollendet durchgestaltet und in den Farben ihrer Sprachgebung so hinreißend fein nuanciert wie - eben das Morgengrauen.
Erstmals haben wir als deutsche Leser jetzt Gelegenheit, das große dichterische Gesamtwerk dieses Autors einzusehen. Der Lyriker Norbert Hummelt hat mit Marcel Beyer, Mirko Bonné und Gerhard Falkner drei weitere bekannte Lyriker und mit Christa Schuenke eine sehr versierte und in Lyrikübertragungen bestens ausgewiesene Übersetzerin gewinnen können, um deutsche Fassungen aller 14 Zyklen von Yeats-Gedichten, wie sie in neueren englischen Ausgaben enthalten sind, zu erarbeiten. Der Gehalt übersteigt damit um rund das Doppelte die Auswahl, die Werner Vordtriede für seine deutsche Werkausgabe 1970 vornahm. Statt der mehr oder minder gelungenen Zusammenstellung im Stil eines Best-of-Yeats-Samplers, wie sie sich häufig in Anthologien findet, bietet sich hier also endlich eine Chance zur umfassenden Lektüre, um den erstaunlichen Wendungen wie Kontinuitäten im Werk des irischen Nationaldichters und Grenzgängers der Moderne nachzugehen.
Der Ertrag ist kaum zu überschätzen. "Arkadiens Waldungen sind tot": so lautet die erste Zeile von "Scheidewege" (1889), dem ersten Zyklus, der mit dieser Diagnose gleich die entscheidende Bedingung formuliert, unter der die Dichtkunst sich in einer Welt behaupten muß, der alle arkadischen Erinnerungen zunehmend suspekt werden. "Ach, wär ich noch mal jung, daß sie / In meinen Armen liegt": so lauten die letzten beiden Verse aus dem nachgelassenen Zyklus "Letzte Gedichte" (1939), die sich mit diesem Stoßseufzer gegen die Zumutungen von "Politik" wenden - unter diesem Titel und als erklärte Replik auf Thomas Mann erfindet Yeats hier die Stimme eines lüsternen Greises, der seinen Blick lieber auf ein junges Mädchen statt auf Zeitprobleme richtet. In dem halben Jahrhundert dazwischen bieten seine Texte einen solchen Stimmen-, Formen-, Bilder- und Erfindungsreichtum, daß man meinen sollte, hier sei gleich eine ganze Dichterschar am Werk gewesen.
Tatsächlich sieht der Autor sich nicht ungern doppelt, spielt obsessiv mit Masken und Identitäten und entwirft für die verschiedenen Ausdrucksforderungen seiner Kunst jeweils eigene Sprechfiguren, denen er in seinen Texten Auftrittsmöglichkeiten gibt. So steht im Gesamtwerk das Liedhaft-Lyrische und Balladeske oft unvermittelt neben verstörend visionären Versen und reibt sich ständig an der Wahrnehmung der schroffen Wirklichkeit, die solchem Ausdruck keinen Raum gibt, wund. Seine notorischen Einlassungen zu Magie und Spiritismus, mit keltischen Elfen oder indischen Geistern und dem ganzen Mythenbestand der Gegenaufklärung haben daher etwas Trotziges, vorsätzlich Unzeitgemäßes, das sich den Zeitentwicklungen entgegenstemmen will. "Gebührende Embleme für die Not der Zeit" nennt Yeats dies in "Der Turm", seinem bis heute gewiß eindrucksvollsten Zyklus von 1928.
Rhythmus vor Reim
"Mein Haus", "Mein Tisch", "Das Starennest an meinem Fenster": so schlicht, wie ihre Überschriften klingen, sind diese Gedichte doch von ungebrochener Macht, wenn sie mit einfachen, fast protokollarischen Sätzen die ganz große Weltgeschichte in noch so unscheinbare Details bannen. Während sein Land, für dessen Unabhängigkeit Yeats lange eintrat, im Bürgerkrieg versinkt und alle Hoffnung auf den großen Neuanfang blutig begräbt, erfindet er hier seine Welt aufs neue - doch nicht, indem er sich in die Idylle zurückzieht, sondern indem er versucht, mit Worten aufzubauen, was verlorenging. "Der Mensch verliebt sich gern in das, was schwindet, / Was soll man sonst noch sagen?" Hauptsache wohl, man sagt es und überläßt das Schwindende nicht dem Verstummen. Yeats' Lyriklebenswerk liest sich daher wie ein gewaltiges Experiment, die wirklichkeitsstiftende Macht von Sprache unter den Bedingungen der Moderne zu erproben. Nicht zuletzt rührt auch seine Faszination an apokalyptischen Szenarien wie später am aufkommenden Faschismus aus dem ständigen Bestreben, dem drohenden Zerfall doch eine neue Ordnung abzugewinnen.
All dies jetzt in den neuen Versionen nachzulesen kommt einer Abenteuerreise gleich, voll großartiger Entdeckungen, aber auch irritierender Passagen. Die Übersetzungen haben daran gleichermaßen reichen Anteil. Natürlich fiele es nicht schwer, zweifelhafte oder auch mißratene Formulierungen und ganze Strophen aufzuspießen, aber die Gesamtleistung ist ebenso staunens- wie anerkennenswert. Vor allem war es eine sehr kluge Entscheidung, die Zyklen jeweils als Ganze einem Übersetzer anzutragen, so daß die Vielfalt ihrer sprachlichen Gestaltung aus einer Hand neu zu erschaffen blieb.
Generell sind allerdings die harten, beißenden, manchmal fast aggressiven Tonlagen meist besser getroffen als die klang- und sehnsuchtsvollen Liedzeilen, die leicht ins Süßliche und Volkstümelnde kippen. Das aber folgt gewiß auch aus dem Zustand unserer eigenen Sprache wie unseres heutigen Sprachempfindens, nicht einfach aus etwaigem Unvermögen deutscher Nachdichter. Problematisch sind erwartungsgemäß auch die subtilen Rhythmen und Reimfügungen, mit denen Yeats seine Verse komponiert und verschränkt. In ihrer Nachbemerkung gibt Christa Schuenke dazu die Devise "Rhythmus vor Reim" aus, und man wünschte oft, die Übersetzungen hätten sich strikter daran gehalten, statt sich in Verlegenheitsreime zu retten.
Der hohe Anspruch jedenfalls, den Hummelt vorgibt, daß die Übersetzung als "eigenständige literarische Form" gelte, kann sich selbstverständlich nur an einzelnen konkreten Beispielen erfüllen. Je weniger Worte oder Silben dafür zur Verfügung stehen, desto spannender die Ausführung. Der Grabspruch, den Yeats für sich dichtete, klingt bei Marcel Beyer so: "Reiter, schau kalt / Auf Leben, auf Tod. / Mach hier nicht halt!" Werner Vordtriede dagegen suchte sich seinerzeit reichlich holprig zu behelfen: "Kalt blicke du/ Auf Leben, Tod, / Reiter, reit zu!" Wolfgang Schlüter allerdings hat schon vor Jahren folgende Version geboten: "Reiter, blick kalt / Auf Leben, auf Tod. / Weiter! Kein Halt!" - hart und knapp und wie in Stein gemeißelt, gerade weil er der Vorlage eigenmächtig einen Initialreim zufügt.
Wie kaum ein anderer war Yeats sich bewußt, daß wir die großen sinnstiftenden Traditionen, wie sie seit der Romantik nur noch fragmentarisch in die Moderne hineinragen, heute allenfalls borgen, nie mehr bergen können. Es hat daher einen ganz eigenen Reiz und Sinn, wenn wir jetzt seine sämtlichen Gedichte in geborgter Sprache neu und anders sehen lernen. Der kalte Blick - wie vielleicht auch die Kaltschnäuzigkeit eines W. H. Auden - mag die einzig angemessene Haltung dafür sein.
William Butler Yeats: "Die Gedichte". Herausgegeben von Norbert Hummelt. Aus dem Englischen übersetzt von Marcel Beyer, Mirko Bonné, Gerhard Falkner / Nora Matocza, Norbert Hummelt und Christa Schuenke. Luchterhand Literaturverlag, München 2005. 463 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
" Mit einigem Enthusiasmus begrüßt Rezensent Florian Döring diese erste deutsche Ausgabe mit dem lyrischen Gesamtwerk des irischen Nationaldichters und Nobelpreisträgers von 1923. Endlich biete sich auch dem deutschen Leser ein vollständiger Einblick in das Werk und die Möglichkeit, Yeats' schlangenförmig verlaufene Bewegungen entlang der Grenzen der Moderne in Gänze zu verfolgen. Der Rezensent liest Yeats' Werk wie "ein gewaltiges Experiment", die "wirklichkeitsstiftende Macht der Sprache unter den Bedingungen der Moderne zu erproben". In diesem Zusammenhang sieht er "das Liedhaft-Balladeske" oft unvermittelt neben "verstörend visionären Versen" stehen. Manche Gedichte bannen aus seiner Sicht große Weltgeschichte in unscheinbaren Details. Besonders aus dem Spätwerk ragen dann für Döring manche Gedichte mit "abstruser Erfindungsgabe" noch einmal als mutigste und bedeutendste Texte Yeats' heraus. Der Rezensent findet den Ertrag dieser Edition "kaum zu überschätzen" und beschreibt seine Lesereise durch das lyrische Werk eines halben Jahrhunderts als Abenteuerreise. Seinem Eindruck zufolge birgt es einen solchen Reichtum an Stimmen, Formen, Bildern und Erfindungskraft", dass er gelegentlich fast den Eindruck hat, " hier sei eine ganze Dichterschar am Werk gewesen". Das hochkarätige Übersetzerteam hat seine beträchtliche Aufgabe - mit einig Ausnahmen, die der Rezensent verzeihlich findet - offensichtlich angemessen bewältigt.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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