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Bedingungslos und ohne Vorurteile zelebriert Don Rigoberto seine Sinnlichkeit. Nichts und niemand kann ihn davon abhalten, am wenigsten seine geordnete, gutbürgerliche Existenz. In der geheimen Welt, von der die Aufzeichnungen zeugen, lebt er äußerste Gewagtheiten und Abenteuer, erfindet erotische Szenen und lustvolle Beschreibungen jeglicher Art von körperlicher Lust und Fetischismus als einer »privilegierten Ausdrucksform der menschlichen Eigenart«. Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto - ein erotischer Roman von ungewöhnlich raffinierter Konstruktion und Suggestivität, worin auch…mehr

Produktbeschreibung
Bedingungslos und ohne Vorurteile zelebriert Don Rigoberto seine Sinnlichkeit. Nichts und niemand kann ihn davon abhalten, am wenigsten seine geordnete, gutbürgerliche Existenz. In der geheimen Welt, von der die Aufzeichnungen zeugen, lebt er äußerste Gewagtheiten und Abenteuer, erfindet erotische Szenen und lustvolle Beschreibungen jeglicher Art von körperlicher Lust und Fetischismus als einer »privilegierten Ausdrucksform der menschlichen Eigenart«. Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto - ein erotischer Roman von ungewöhnlich raffinierter Konstruktion und Suggestivität, worin auch der Humor seine kräftige Stimme hat. Vor allem aber ist dieser vom Geist der Verführung erfüllte Roman das schönste Loblied auf die Phantasie, eigentliche Herrscherin im Reich der Sinnlichkeit. In seiner Vielschichtigkeit ist der Roman zugleich eine kluge Reflexion über Kunst, Freiheit und darüber, was »erotisch« am Ende des 20. Jahrhunderts heißen kann.

Autorenporträt
Mario Vargas Llosa, geboren 1936 in Arequipa/Peru, studierte Geistes- und Rechtswissenschaften in Lima und Madrid. Bereits während seines Studiums schrieb er für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen und veröffentlichte erste Erzählungen, ehe 1963 sein erster Roman Die Stadt und die Hunde erschien. Der peruanische Romanautor und Essayist ist stets als politischer Autor aufgetreten und ist damit auch weit über die Grenzen Perus hinaus sehr erfolgreich. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Das grüne Haus, Das Fest des Ziegenbocks, Tante Julia und der Schreibkünstler und Das böse Mädchen.
Vargas Llosa ist Ehrendoktor verschiedener amerikanischer und europäischer Universitäten und hielt Gastprofessuren unter anderem in Harvard, Princeton und Oxford. 1990 bewarb er sich als Kandidat der oppositionellen Frente Democrático (FREDEMO) bei den peruanischen Präsidentschaftswahlen und unterlag in der Stichwahl. Daraufhin zog er sich aus der aktiven Politik zurück.
Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen erhielt er 1996 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2010 den Nobelpreis für Literatur. 2021 wurde er in die Académie Française aufgenommen. Heute lebt Mario Vargas Llosa in Madrid und Lima.

Elke Wehr, geboren 1946 in Bautzen und verstorben 2008 in Berlin, studierte Romanistik in Paris und Heidelberg. Zunächst konzentrierte sie sich auf Italienisch und Französisch, später legte sie ihren Schwerpunkt auf das Spanische. Seit den 1970er Jahren übersetzte sie spanische und lateinamerikanische Prosa ins Deutsche. Elke Wehr lebte in Madrid und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Reich, gebildet, ziemlich lange Nase
Mario Vargas Llosa als Verführer / Von Hans-Ulrich Gumbrecht

Aus den "Geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto", dem jüngsten Roman des großen peruanischen Romanciers Mario Vargas Llosa, kann man lernen, wie gut es manchem auch in Peru geht. Der Held ist ein geistig und körperlich mehr als rüstiger Fast-Sechziger, der in leitender Position als Versicherungsjurist arbeitet. Er hat Geld genug, um auch die opulenteste Phantasie ausleben zu können. Ferner besitzt er eine lange, und wie es heißt, "gierige" Nase, große (und von manchen Damen angebetete) Ohren, einen Hang zu privaten Ritualen obsessiver Körperreinigung sowie eine Sammlerleidenschaft für Bücher und Gemälde, von denen er jedoch - bei beständigen Ankäufen - immer nur je einige hundert im Haus behält, so daß überzählige Items in permanenter Kanon-Verjüngung auszusortieren sind. Nach offenbar kurzer Witwerschaft ist er verheiratet mit Dona Lukrezia, deren - nach allen (allerdings eher vagen) Auskünften des Autors - vollkommener Körper im Zusammenspiel mit ihrer gelassen ausgespielten erotisch-mentalen Kompetenz den Trend einer Verschiebung allgemein-männlicher Begierde bestätigt - hin zur "Dame von vierzig Jahren".

Dona Lukrezia weiß, wie gut sie damit fährt, allnächtlich die aus von den Gipfeln der Kunstgeschichte und der Weltliteratur gespeisten Imaginationen ihres Gatten für ihn als genießenden Beobachter zu verkörpern. Ergänzt und auf Trab gehalten wird dieses Paar von Rigobertos Sohn Alfonso (auch zärtlich "Alfonsito" oder "Fonchito" genannt), den der Autor angesichts hinreißend-präpubertärer Schönheit und frühreif-pervertierter Vorstellungskraft in die Engel-Gattung der Cherubime einzureihen nicht ansteht. Fonchito besucht (wenn er den Unterricht nicht gerade schwänzt und obwohl er dafür etwas zu jung zu sein scheint) eine Kunstakademie und ist nicht nur entflammt im Enthusiasmus für die höchst erotischen Bilder des Wiener Malers Egon Schiele; er steht auch am lockenden Abgrund der Psychopathologie, weil er ernsthaft glaubt, eine Reinkarnation Schieles zu sein.

Deutschen Lesern sind diese vier Gestalten aus dem 1989 in Übersetzung erschienenen (und sich nur über knapp zweihundert Seiten streckenden) "Lob der Stiefmutter" vertraut. Vor acht Jahren hatte man sich mit einem gewissen Prickeln, aber wohl auch in warmem Mitgefühl von Don Rigobertos Familie verabschieden müssen, weil es zwischen Fonchito und der Stiefmutter zu sexuellen Begegnungen gekommen war, welche - vom Sohn dem Vater scheinheilig gebeichtet - zu dem harten Entschluß einer Trennung von Tisch und Bett (wenn auch nicht zur Scheidung) führten. In den eben erschienenen "Geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto" wetzt Fonchito nun diese Scharte aus, indem er schmachtende Vaterbriefe an die geliebte Stiefmutter und sehnsuchtsvolle Stiefmutterbriefe an den verehrten Vater fingiert, welche endlich die Versöhnung der Eheleute anbahnen. Im "Epilog" findet der Leser dann die Familie derart gefestigt und zufrieden vereint, daß selbst ein verunglückter Picknick-Ausflug dem wiedergefundenen Glück nichts anhaben kann, und auf den Schlußseiten verabschieden sich die im Leid vorsichtig gewordenen Eheleute mit einer Diskussion über die zukunftswichtige Frage, ob es besser sei, auf eine nun endlich anstehende Bildungsreise in die Stadt Schieles Fonchito zur Belohnung mitzunehmen - oder ihn zur Strafe in Lima zu lassen.

Das alles zusammengenommen ist nun nicht viel Handlung für einen dicken Roman. Vargas Llosa füllt die Lücken mit erotischen Genreszenen, in denen Dona Lukrezia stets wiederkehrt und ihre Liebhaber sich stets abwechseln. Wer aber denkt, daß diese Szenen die verstoßene Vierzigjährige aus ihrer erotischen Einsamkeit befreien, liegt schief: Diese Szenen sind bloß die in schlaflosen Nächten niedergeschriebenen Phantasien des sich selbst ja doch noch mehr als die Gattin bestrafenden Don Rigoberto (daher der Titel).

Vargas Llosa ist nun wahrlich kein Meister in der Schilderung sexueller Details und noch weniger ein Meister ihrer Erotisierung. Gerne weicht er auf Nebenschauplätze des Sexuellen aus. Da ist zum Beispiel Lukrezias erotische Wochenreise durch Nordamerika und Europa mit ihrem kurzfristig wohlhabenden ehemaligen Liebhaber Pluto: ein Kapitel, das der Hochglanzbroschüre einer Agentur für erotisches Reisen alle Ehre machte. Aufmerksamkeit verdient auch ein emeritierter Juraprofessor aus Peru, der bei einem Kongreßbesuch in Princeton die Vorzüge des tagsüber in politisch korrekte Garderobe eingeschnürten Körpers einer Kollegin entdeckt. Nur bei der einen Szene lesbischer Liebe, für welche die Hausangestellte Justiniana den ganzen Roman über in Reichweite Dona Lukrezias parat bleiben muß, versagt Don Rigoberto die Phantasie. Aber wer wollte das einem Mann schon übelnehmen?

Etwas ungeduldiger mögen Leserinnen und Leser auf jene Stücke unter den "Aufzeichnungen des Don Rigoberto" reagieren, die das Feld zwischen politischer Meinung und Alltagsphilosophie abdecken. Daß irgendwo unter dem Titel "Schleimspur des Wurms" etwas Dampf gegen die peruanische Regierung abgelassen werden muß, kann man Vargas Llosa angesichts seiner tatsächlich ja nur knapp gescheiterten Kandidatur bei einer peruanischen Präsidentenwahl gerne zugestehen. Etwas bedenklicher sind die Diatriben gegen den "Playboy", gegen Zuschauersport, gegen Beate Uhse (neben Don Rigobertos Schwägerin, einer ehemaligen Lufthansa-Stewardeß, ist Frau Uhse übrigens die einzige Deutschland-Referenz) und auch gegen die Hamburger von McDonald's, weil auf der anderen Seite, auf der Seite des kulturell Guten, der Geschmackskanon des verbeamteten Intellektuellen in seiner postmodernen Version entgegenleuchtet. Und so bleiben dem Leser denn auch ausführliche Würdigungen nur weniger heute geschätzter Künstler und Intellektueller erspart - es wird belehrt und belehrt bis hin zu einer Diskussion von Johann Huizingas "Homo ludens", der Don Rigobertos erotischen Spieltrieb akademisch nobilitieren soll. All dies schwingt sich - mitten in Don Rigobertos überaus herablassendem "Brief an den Playboy-Leser" - zu einem keines Kommentars mehr bedürftigen Höhepunkt auf. "Das Problem ist eher ästhetisch als ethisch, philosophisch, sexuell, psychologisch oder politisch, obwohl für mich, es erübrigt sich eigentlich, es zu sagen, diese Trennung nicht akzeptabel ist, denn alles, worauf es ankommt, ist über kurz oder lang ästhetisch. Die Pornographie beraubt die Erotik des künstlerischen Inhalts, gibt dem Organischen den Vorzug vor dem Spirituellen, dem Geistigen, als wären Phalli und Vulven die Hauptakteure des Begehrens und der Lust, als wären diese Hilfsmittel nicht bloße Diener der Phantasmen, die unsere Seelen beherrschen; sie spaltet die körperliche Liebe vom Rest der menschlichen Erfahrungen ab."

Von den "Geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto" vehement abzuraten wäre wohl ebenso unerträglich wie eine von Bildungsbeflissenheit motivierte Empfehlung dieses Romans. Denn es gibt ja nichts Schwerwiegendes gegen dieses Buch einzuwenden. Der Text ist offenbar mehr als passabel übersetzt (man merkt ihm jedenfalls nur an wenigen Stellen das Übersetztsein an); kaum irgendwelche Passagen verdienen Prädikate wie "pornographisch" oder "obszön", und man könnte sich dieses Buch durchaus als Lektürestoff in einem Leistungskurs der reformierten Oberstufe vorstellen; die Fülle der Bildungsreferenzen deckt sich mit dem Kanon der staatlichen Lehrpläne. Aber wer hätte gedacht, daß es mit Mario Vargas Llosa je soweit käme?

Mario Vargas Llosa: "Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Elke Wehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 470 S., geb., 49,80 DM.

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