Seit fast 100 Jahren gab es keinen Bestandskatalog der mittelalterlichen Malerei des Germanischen Nationalmuseums mehr und das, obwohl gerade dieses Themengebiet zu den Kernbereichen der Sammlung gehört. Der Bestand an spätmittelalterlicher Tafelmalerei bis 1500 gehört zu den bedeutendsten
weltweit.
Der jetzt vorgelegte Katalog ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Zum einen trägt er das über 150…mehrSeit fast 100 Jahren gab es keinen Bestandskatalog der mittelalterlichen Malerei des Germanischen Nationalmuseums mehr und das, obwohl gerade dieses Themengebiet zu den Kernbereichen der Sammlung gehört. Der Bestand an spätmittelalterlicher Tafelmalerei bis 1500 gehört zu den bedeutendsten weltweit.
Der jetzt vorgelegte Katalog ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Zum einen trägt er das über 150 Jahre erworbene kunsthistorische Wissen zusammen, ergänzt es aber durch die erst in der letzten Zeit hinzugewonnenen und bisher unveröffentlichten kunsttechnologischen Untersuchungsergebnisse. Das dem Museum angegliederte Institut für Kunsttechnik und Konservierung gehört zu den wissenschaftlichen Speerspitzen der Disziplin und besitzt Weltruf. Durch die fast 10 Jahre kontinuierlich realisierte Drittmittelförderung konnten sämtliche 70 im Katalog dokumentierten Werkkomplexe auf höchstem Niveau von einem internationalen Team „durchleuchtet“ werden. Auch wenn die Ergebnisse in diesem Band noch nicht systematisch nach kunsthistorischen Aspekten ausgewertet wurden (sieht man von den Werkstattzuschreibungen einmal ab), wird er zweifellos eine fundamentale Quelle zukünftiger Forschung werden. Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte sich die material- und kunsttechnologische Untersuchung zu einem der wichtigsten Elemente der kunsthistorischen Systematik, die aufgrund fehlender Quellen und Signaturen oft auf stilkritischen Überlegungen basierte. Diese, im Auktionshandel leider immer noch praktizierte „Übung“ ist in hohem Maße subjektiv, methodisch schwer begründbar und völlig zu Recht in Misskredit geraten. Die Naturwissenschaften liefern hier zerstörungsfrei oder zumindest materialschonend revolutionäre und gleichzeitig überzeugendere Erkenntnisse.
Die 70 dokumentierten Werkkomplexe stammen aus den Eigenbeständen des Museums (13) sowie von staatlichen, kirchlichen und privaten Dauerleihgebern (57). Einige wenige Werke sind bereits in anderem Zusammenhang publiziert und wurden leider nicht wieder aufgenommen. Der zeitliche Schwerpunkt liegt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, vier Komplexe datieren vor 1400.
Neben der chronologischen bedient sich der Katalog einer Systematik auf Basis der Werkstätten bzw. deren Zuschreibungen. Einer sorgfältigen Beschreibung der Darstellungen, mit detaillierter Ikonografie, Transkription der Inschriften und Auflösung von Wappen folgt eine ausgesprochen umfangreiche kunsttechnologische Dokumentation. Untersuchungen zu Bildträger, Malgrund und -technik, Unterzeichnungen (mit zugehörigen IR Aufnahmen) und der handwerklichen Behandlung der Metallauflagen geben ein vollständiges Bild auf aktuellem Leistungsstand der Wissenschaft. Zahlreiche Detailaufnahmen unterstützen den Text. Ebenfalls sehr umfangreich ist die kunsthistorische Einordnung, die sämtliche Zuschreibungen, Datierungen und regionale Zuordnungen der Vergangenheit synoptisch diskutiert, aber auch eigene Schlüsse formuliert. Es ist das gesammelte Wissen aus über 150 Jahren, oder wie es Daniel Hess und Oliver Mack im Vorwort formulieren, man blickt heute viel weiter als die Vorgänger, weil man auf den Schultern von Riesen steht.
Im Sommer wird Band II erscheinen mit dem regionalen Fokus Köln, Niederlande, Westfalen, Mittel- und Oberrhein, womit die Dokumentation der spätmittelalterlichen Malerei abgeschlossen sein wird. Dieses monumentale, multinationale und von zahlreichen Drittmittelgebern ermöglichte Projekt erfüllt sämtliche Anforderungen, die an einen Bestandskatalog heutzutage gestellt werden können. Es ersetzt die persönliche Inaugenscheinnahme, soweit dies zwischen zwei Buchdeckeln nur möglich ist und wird sicher noch einige Forschergenerationen beschäftigen.