Nach fast 100 Jahren wird derzeit der erste Bestandskatalog der mittelalterlichen Malerei des Germanischen Nationalmuseums in mehreren Teilbänden publiziert, obwohl gerade dieses Themengebiet zu den Kernbereichen der Sammlung gehört. Der Bestand an spätmittelalterlicher Tafelmalerei bis 1500 gehört
zu den bedeutendsten weltweit. Das dem Museum angegliederte Institut für Kunsttechnik und…mehrNach fast 100 Jahren wird derzeit der erste Bestandskatalog der mittelalterlichen Malerei des Germanischen Nationalmuseums in mehreren Teilbänden publiziert, obwohl gerade dieses Themengebiet zu den Kernbereichen der Sammlung gehört. Der Bestand an spätmittelalterlicher Tafelmalerei bis 1500 gehört zu den bedeutendsten weltweit. Das dem Museum angegliederte Institut für Kunsttechnik und Konservierung besitzt ebenfalls Weltruf.
Der jetzt vorgelegte, zweibändige Katalog zur spätmittelalterlichen Tafelmalerei aus Köln, den Niederlanden, Westfalen und dem Bodenseegebiet (im übertragenen Sinn also den „Rheinländern“) schließt nahtlos an die bereits erschienenen Bände zur fränkischen Malerei an und weitere Kataloge der Werke von Bayern bis Südtirol sind bereits in Arbeit. Auch wenn die Ergebnisse noch nicht systematisch nach kunsthistorischen Aspekten ausgewertet wurden (sieht man von den Werkstattzuschreibungen einmal ab), werden sie aufgrund ihrer Detailliertheit eine fundamentale Quelle zukünftiger Forschung sein. Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte sich die material- und kunsttechnologische Untersuchung zu einem der wichtigsten Elemente der kunsthistorischen Systematik, die bei fehlenden Quellen und Signaturen oft auf stilkritischen Überlegungen basierte. Diese „Übung“ ist in hohem Maße subjektiv, methodisch schwer begründbar und völlig zu Recht in Misskredit geraten. Die Naturwissenschaften liefern hier zerstörungsfrei oder zumindest materialschonend teilweise revolutionäre und gleichzeitig überzeugendere Erkenntnisse.
Insgesamt sind 52 Gemälde dokumentiert, davon alleine 29 aus dem Kölner Raum, der neben Franken besonderer Schwerpunkt der Sammlung ist. Drei Werke aus der Zeitstellung wurden bereits von Löcher 1997 publiziert und daher nicht wieder aufgenommen. Neben der chronologischen bedient sich der Katalog einer Systematik auf Basis der Werkstätten bzw. deren Zuschreibungen. Einer sorgfältigen Beschreibung der Darstellungen, mit detaillierter Ikonografie, Transkription der Inschriften und Auflösung von Wappen folgt eine ausgesprochen umfangreiche kunsttechnologische Dokumentation. Untersuchungen zu Bildträger, Malgrund und -technik, Unterzeichnungen mit zugehörigen IR Aufnahmen und der handwerklichen Behandlung der Metallauflagen geben ein vollständiges Bild auf aktuellem Leistungsstand der Wissenschaft. Die ergänzenden Originaldaten (Analysen, Fotos etc.) sind auf der Webseite des RGZM über eine Datenbank abrufbar, die ständig aktualisiert wird, zentrale Detailaufnahmen sind aber auch direkt in den Text integriert. Ein wichtiger Aspekt ist die Dokumentation von Überarbeitungen, Restaurierungen und aktuellen Schäden, die nicht selten das ursprüngliche Werk wesentlich verfälschen und die oft nur mit fortschrittlichen Methoden nachweisbar sind. Ebenfalls sehr umfangreich ist die kunsthistorische Einordnung, die sämtliche Zuschreibungen, Datierungen und regionale Zuordnungen der Vergangenheit synoptisch diskutiert, aber auch eigene und neue Schlüsse formuliert. Der Rhein als bedeutendste Wasserstraße Mitteleuropas und verbindendes Element, über den Stile und Techniken Verbreitung finden, tritt dabei in den Diskussionen immer deutlicher hervor.
Dieses monumentale, multinationale und von zahlreichen Drittmittelgebern ermöglichte Projekt erfüllt sämtliche Anforderungen, die an einen Bestandskatalog heutzutage gestellt werden können. Es ersetzt die persönliche Inaugenscheinnahme, soweit dies zwischen zwei Buchdeckeln nur möglich ist und wird sicher noch viele Forschergenerationen beschäftigen.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)