Produktdetails
- Verlag: Berlin : Links
- ISBN-13: 9783861532095
- ISBN-10: 3861532093
- Artikelnr.: 24313540
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2000Dienen und Dienern
Die 377 Generale und Admirale der Nationalen Volksarmee: Gehorsam gegenüber der marxistisch-leninistischen SED
Klaus Froh, Rüdiger Wenzke: Die Generale und Admirale der NVA. Ein biographisches Handbuch. Herausgegeben vom Militärischen Forschungsamt. Forschungen zur DDR-Gesellschaft. Ch. Links Verlag, Berlin 2000. 408 Seiten, 69 Abbildungen, 38,- Mark.
Die Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR und die Integration einer großen Zahl von NVA-Angehörigen in die Bundeswehr nach 1990 gelten auch zehn Jahre nach der Vereinigung als beispielhaft für die innere Einheit Deutschlands. Voraussetzung für das Gelingen der Integration war eine politische Entscheidung der damaligen Bundesregierung: Für die Führungskader der NVA, ihre Generale und Admirale, sollte in der Armee des vereinten Deutschland kein Platz sein. So wurden bis zum 3. Oktober 1990 alle Generale und Admirale der NVA entlassen - auch jene, die im Herbst 1989 verhinderten, daß sich die Volksarmee mit Waffengewalt gegen das Volk stellte, und die sodann loyal der ersten demokratisch gewählten DDR-Regierung dienten.
"Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik" - und das hieß zugleich der marxistisch-leninistischen SED - versprachen die Angehörigen der militärischen Funktionselite dem Staatsoberhaupt in die Hand, wenn er sie zu Generalmajoren oder Konteradmiralen ernannte oder sie weiter beförderte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen in der Frühzeit waren sie alle Mitglieder der SED, einige aus den obersten Rängen waren Mitglieder oder Kandidaten des Zentralkomitees der SED. Einige waren in der Abteilung Sicherheitsfragen des Zentralkomitees tätig, andere waren Abgeordnete der Volkskammer.
Seit im Oktober 1952 auf Weisung des damaligen DDR-Innenministers Willi Stoph militärische Dienstgrade und Rangabzeichen für die Kasernierte Volkspolizei (KVP) eingeführt und 28 "leitende Kader" - Altkommunisten und frühere Offiziere der deutschen Wehrmacht - zu Generalen und Admiralen ernannt wurden, hat es bis zum 2. Oktober 1990 insgesamt 377 Generale und Admirale der KVP, der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung der DDR gegeben. In dem vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam herausgegebenen Handbuch sind sie alle mit Kurzlebensläufen aufgeführt. Das Buch gibt auf Grund umfangreicher Archivrecherchen und Befragungen Auskunft über soziale Herkunft, Ausbildung und Qualifikation sowie über den Dienstverlauf und gegebenenfalls der politischen Karriere dieser - der "Partei der Arbeiterklasse" treu ergebenen - nach Einschätzung westlicher Militärexperten fachlich überwiegend durchaus qualifizierten Angehörigen des militärischen Führungspersonals der DDR. Eine ausführliche Einleitung informiert über "Herausbildung und Entwicklung der militärischen Elite in der DDR 1952 bis 1989". Geschildert wird unter anderem der Weg von der kasernierten Polizeitruppe zur Volksarmee - deren offizieller Gründungstag der 18. Januar 1956 war -, der Umgang mit Altkadern und Wehrmachtsoffizieren und der "Qualifizierungsschub" durch Aus- und Weiterbildung. Hinzu kommen 92 tabellarische Übersichten von der Besetzung der Führungsstellen einschließlich der Vertreter der NVA in Führungsorganen des Warschauer Paktes und der Militärattachés der DDR in der Sowjetunion über Ernennungs- und Beförderungstafeln bis zur Liste der Oberkommandierenden der in Deutschland stationierten sowjetischen (russischen) Truppen bis 1994.
Von den 377 Generalen und Admiralen waren 24 Funktionäre und Mitglieder kommunistischer Parteien vor 1945 und 25 frühere Generale und Offiziere der Wehrmacht; sechs waren Angehörige der "Internationalen Brigaden" im Spanischen Bürgerkrieg und 14 zwischen 1933 und 1945 aus politischen Gründen im Zuchthaus oder im Konzentrationslager gewesen. Die 1959 gegründete Militärakademie "Friedrich Engels" in Dresden, die höchste militärische Bildungsstätte der DDR, haben 120, die höchste Akademie im Warschauer Pakt, die Akademie des Generalstabs in Moskau, 154 Generale und Admirale der DDR besucht; 40 von ihnen hatten einen Doktortitel. Einen Marschall der DDR hat es nie gegeben; doch mit dem Titel Armeegeneral schmückten sich fünf DDR-Politiker: Willi Stoph seit 1959, Verteidigungsminister Heinz Hoffmann (der 1985 starb) seit 1961, Erich Mielke seit 1980, Innenminister Friedrich Dickel seit 1984 und Verteidigungsminister Heinz Keßler seit 1985. Insgesamt 14 Offiziere der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung erreichten als höchsten Dienstgrad Generaloberst oder Admiral.
Außer bei der NVA, den Grenztruppen, der Zivilverteidigung und ihren Vorläuferorganisationen gab es militärische Ränge beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS), wie denn auch der Dienst im MfS und seinen Organen dem Wehrdienst gleichgestellt war. Dennoch enthält das vorliegende Handbuch keine Angaben über die Generale des Staatssicherheitsdienstes, der so etwas wie ein Staat im Staate DDR war, streng voneinander getrennt. Zwar überwachte das MfS von Anfang an auch die anderen Schutz- und Sicherheitsorgane. Für die ständige Beobachtung und Kontrolle der Generale und Admirale der NVA war die Hauptabteilung I zuständig, die auch bei Ernennungen und Beförderungen ein Mitspracherecht beanspruchte. Zwar arbeiteten eine Reihe von NVA-Generalen als inoffizielle Mitarbeiter (IM) für das MfS. Einen personellen Austausch aber hat es nicht gegeben. Offenbar wechselten weder Mitglieder des militärischen Führungskaders zum MfS noch MfS-Generale zur NVA, wenn man von einer bemerkenswerten Ausnahme absieht: Der 1981 gestorbene Generalleutnant Ottomar Pech, von 1961 bis 1979 Chef der Verwaltung Kader im Ministerium für Nationale Verteidigung, war ab 1950 im Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen, wo er 1953 zum Generalmajor der Stasi ernannt worden war und von 1953 bis 1955 die Hauptabteilung I geleitet hatte.
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt will laut Vorwort mit den Forschungen zur "Militärgeschichte der DDR im Bündnis" als Teil der deutschen Militärgeschichte nach 1945 einen spezifischen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des SED-Staates leisten. In diesem Rahmen sei das vorliegende Handbuch von besonderer Bedeutung. Es biete die Möglichkeit, "individuelle Lebensläufe zu rekonstruieren, um damit Kontinuitäten und Brüche der Militärgeschichte der DDR transparent zu machen und gleichzeitig ein präziseres Bild von der Personalpolitik und den Herrschaftsstrukturen des ehemals abgeschotteten Systems des DDR-Sozialismus zu erhalten". Jedoch findet sich erst ganz am Ende des Buches ein Hinweis auf die Herkunft der beiden Autoren: Klaus Froh, heute im Versicherungswesen tätig, war bis 1989 Berufsoffizier und von 1981 bis 1990/91 Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Institut der DDR in Potsdam. Rüdiger Wenzke war dort von 1981 bis 1990 Assistent und ist seither Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr - Integration am Beispiel der Militärgeschichtsschreibung.
PETER JOCHEN WINTERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die 377 Generale und Admirale der Nationalen Volksarmee: Gehorsam gegenüber der marxistisch-leninistischen SED
Klaus Froh, Rüdiger Wenzke: Die Generale und Admirale der NVA. Ein biographisches Handbuch. Herausgegeben vom Militärischen Forschungsamt. Forschungen zur DDR-Gesellschaft. Ch. Links Verlag, Berlin 2000. 408 Seiten, 69 Abbildungen, 38,- Mark.
Die Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR und die Integration einer großen Zahl von NVA-Angehörigen in die Bundeswehr nach 1990 gelten auch zehn Jahre nach der Vereinigung als beispielhaft für die innere Einheit Deutschlands. Voraussetzung für das Gelingen der Integration war eine politische Entscheidung der damaligen Bundesregierung: Für die Führungskader der NVA, ihre Generale und Admirale, sollte in der Armee des vereinten Deutschland kein Platz sein. So wurden bis zum 3. Oktober 1990 alle Generale und Admirale der NVA entlassen - auch jene, die im Herbst 1989 verhinderten, daß sich die Volksarmee mit Waffengewalt gegen das Volk stellte, und die sodann loyal der ersten demokratisch gewählten DDR-Regierung dienten.
"Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik" - und das hieß zugleich der marxistisch-leninistischen SED - versprachen die Angehörigen der militärischen Funktionselite dem Staatsoberhaupt in die Hand, wenn er sie zu Generalmajoren oder Konteradmiralen ernannte oder sie weiter beförderte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen in der Frühzeit waren sie alle Mitglieder der SED, einige aus den obersten Rängen waren Mitglieder oder Kandidaten des Zentralkomitees der SED. Einige waren in der Abteilung Sicherheitsfragen des Zentralkomitees tätig, andere waren Abgeordnete der Volkskammer.
Seit im Oktober 1952 auf Weisung des damaligen DDR-Innenministers Willi Stoph militärische Dienstgrade und Rangabzeichen für die Kasernierte Volkspolizei (KVP) eingeführt und 28 "leitende Kader" - Altkommunisten und frühere Offiziere der deutschen Wehrmacht - zu Generalen und Admiralen ernannt wurden, hat es bis zum 2. Oktober 1990 insgesamt 377 Generale und Admirale der KVP, der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung der DDR gegeben. In dem vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam herausgegebenen Handbuch sind sie alle mit Kurzlebensläufen aufgeführt. Das Buch gibt auf Grund umfangreicher Archivrecherchen und Befragungen Auskunft über soziale Herkunft, Ausbildung und Qualifikation sowie über den Dienstverlauf und gegebenenfalls der politischen Karriere dieser - der "Partei der Arbeiterklasse" treu ergebenen - nach Einschätzung westlicher Militärexperten fachlich überwiegend durchaus qualifizierten Angehörigen des militärischen Führungspersonals der DDR. Eine ausführliche Einleitung informiert über "Herausbildung und Entwicklung der militärischen Elite in der DDR 1952 bis 1989". Geschildert wird unter anderem der Weg von der kasernierten Polizeitruppe zur Volksarmee - deren offizieller Gründungstag der 18. Januar 1956 war -, der Umgang mit Altkadern und Wehrmachtsoffizieren und der "Qualifizierungsschub" durch Aus- und Weiterbildung. Hinzu kommen 92 tabellarische Übersichten von der Besetzung der Führungsstellen einschließlich der Vertreter der NVA in Führungsorganen des Warschauer Paktes und der Militärattachés der DDR in der Sowjetunion über Ernennungs- und Beförderungstafeln bis zur Liste der Oberkommandierenden der in Deutschland stationierten sowjetischen (russischen) Truppen bis 1994.
Von den 377 Generalen und Admiralen waren 24 Funktionäre und Mitglieder kommunistischer Parteien vor 1945 und 25 frühere Generale und Offiziere der Wehrmacht; sechs waren Angehörige der "Internationalen Brigaden" im Spanischen Bürgerkrieg und 14 zwischen 1933 und 1945 aus politischen Gründen im Zuchthaus oder im Konzentrationslager gewesen. Die 1959 gegründete Militärakademie "Friedrich Engels" in Dresden, die höchste militärische Bildungsstätte der DDR, haben 120, die höchste Akademie im Warschauer Pakt, die Akademie des Generalstabs in Moskau, 154 Generale und Admirale der DDR besucht; 40 von ihnen hatten einen Doktortitel. Einen Marschall der DDR hat es nie gegeben; doch mit dem Titel Armeegeneral schmückten sich fünf DDR-Politiker: Willi Stoph seit 1959, Verteidigungsminister Heinz Hoffmann (der 1985 starb) seit 1961, Erich Mielke seit 1980, Innenminister Friedrich Dickel seit 1984 und Verteidigungsminister Heinz Keßler seit 1985. Insgesamt 14 Offiziere der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung erreichten als höchsten Dienstgrad Generaloberst oder Admiral.
Außer bei der NVA, den Grenztruppen, der Zivilverteidigung und ihren Vorläuferorganisationen gab es militärische Ränge beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS), wie denn auch der Dienst im MfS und seinen Organen dem Wehrdienst gleichgestellt war. Dennoch enthält das vorliegende Handbuch keine Angaben über die Generale des Staatssicherheitsdienstes, der so etwas wie ein Staat im Staate DDR war, streng voneinander getrennt. Zwar überwachte das MfS von Anfang an auch die anderen Schutz- und Sicherheitsorgane. Für die ständige Beobachtung und Kontrolle der Generale und Admirale der NVA war die Hauptabteilung I zuständig, die auch bei Ernennungen und Beförderungen ein Mitspracherecht beanspruchte. Zwar arbeiteten eine Reihe von NVA-Generalen als inoffizielle Mitarbeiter (IM) für das MfS. Einen personellen Austausch aber hat es nicht gegeben. Offenbar wechselten weder Mitglieder des militärischen Führungskaders zum MfS noch MfS-Generale zur NVA, wenn man von einer bemerkenswerten Ausnahme absieht: Der 1981 gestorbene Generalleutnant Ottomar Pech, von 1961 bis 1979 Chef der Verwaltung Kader im Ministerium für Nationale Verteidigung, war ab 1950 im Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen, wo er 1953 zum Generalmajor der Stasi ernannt worden war und von 1953 bis 1955 die Hauptabteilung I geleitet hatte.
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt will laut Vorwort mit den Forschungen zur "Militärgeschichte der DDR im Bündnis" als Teil der deutschen Militärgeschichte nach 1945 einen spezifischen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des SED-Staates leisten. In diesem Rahmen sei das vorliegende Handbuch von besonderer Bedeutung. Es biete die Möglichkeit, "individuelle Lebensläufe zu rekonstruieren, um damit Kontinuitäten und Brüche der Militärgeschichte der DDR transparent zu machen und gleichzeitig ein präziseres Bild von der Personalpolitik und den Herrschaftsstrukturen des ehemals abgeschotteten Systems des DDR-Sozialismus zu erhalten". Jedoch findet sich erst ganz am Ende des Buches ein Hinweis auf die Herkunft der beiden Autoren: Klaus Froh, heute im Versicherungswesen tätig, war bis 1989 Berufsoffizier und von 1981 bis 1990/91 Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Institut der DDR in Potsdam. Rüdiger Wenzke war dort von 1981 bis 1990 Assistent und ist seither Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr - Integration am Beispiel der Militärgeschichtsschreibung.
PETER JOCHEN WINTERS
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Peter Jochen Winters begnügt sich in seiner Kritik vor allem mit dem Referat des in diesem Band enthaltenen statistischen und biografischen Materials. Man erfährt unter anderem, dass es bis zum Ende der DDR 377 Generale und Admirale in den verschiedenen Militärverbänden gegeben habe und dass jeder einzelne von ihnen mit einem kurzen Lebenslauf vorgestellt wird. Auch die ausführliche Einleitung über die militärischen Eliten in der DDR hebt Winters in seiner Besprechung lobend hervor. Schließend merkt er an, dass die Autoren des Bandes einst selbst Offiziere in der Nationalen Volksarmee waren: "Integration am Beispiel der Militärgeschichtsschreibung".
© Perlentaucher Medien GmbH
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