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In der öffentlichen Diskussion wird immer deutlicher: Genforschung birgt neben ihren Chancen auch große Risiken. Die Fachjournalistin Ursel Fuchs erläutert in ihrem Standardwerk die biochemischen Hintergründe, beleuchtet verständlich und fundiert die politisch-rechtlichen Zusammenhänge und zeigt die Auswirkungen der Gentechnik auf das Leben jedes Einzelnen.

Produktbeschreibung
In der öffentlichen Diskussion wird immer deutlicher: Genforschung birgt neben ihren Chancen auch große Risiken. Die Fachjournalistin Ursel Fuchs erläutert in ihrem Standardwerk die biochemischen Hintergründe, beleuchtet verständlich und fundiert die politisch-rechtlichen Zusammenhänge und zeigt die Auswirkungen der Gentechnik auf das Leben jedes Einzelnen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Verdienst dieses Buches sieht Rezensent Stephan Sahm darin, einmal klar auszusprechen, dass nicht "Heilung und Gesundheit", sondern ein "ökonomischer Verwertungszusammenhang" die treibende Kraft der Gentechnik sei. Die Autorin dokumentiere die "atemberaubende Entwicklung" der vergangenen Jahre mit "aussagekräftigen Zitaten aus Politik und Wissenschaft", an denen Sahm mitunter auch deutlich wurde, wie leicht die Politiker von den "Protagonisten aus der Wissenschaft" genasführt würden. Im Ganzen begrüßt der Rezensent "die Engagiertheit" von Ursel Fuchs' Plädoyer , die "überzeugend" vor der "schleichenden Genetisierung" des Alltags warne. Nur gelegentlich hat sie wohl etwas dick aufgetragen und damit die "Genauigkeit der Darstellung" getrübt. Auch Bioethiker und Kirchen kriegen offensichtlich ihr Fett weg: Wie uns der Rezensent mitteilt, bezweifelt Frau Fuchs ganz energisch, dass diese Instanzen in der Lage sind, die Wissenschaft kritisch zu begleiten. Besonders die Kirchen reagierten zu angepasst, um nicht "als Ewig-Gestrige verschrieen" zu werden. Hinter diesem mangelnden Selbstbewusstsein vermuten Fuchs und Sahm die anhaltende Wirkung des "Galilei-Traumas".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2001

Laßt euch nicht nasführen
Euphemismen der Biopolitik: Ursel Fuchs streitet wider die schleichende Genetisierung der Welt

Während die einen noch denken, die Chancen der Gentechnik seien ohne größere Verwerfungen im sozialen Leben zu nutzen, wird in Laboratorien auf der ganzen Welt fieberhaft nach patentfähigen Genen gefahndet. Da ist es eher ein Zeichen von Unbedarftheit, wenn beschwichtigend wiederholt wird, niemand wolle das Klonen oder die Keimbahntherapie. So etwas ist vornehmlich von Politikern zu hören, die damit freilich zu erkennen geben, wie leicht sie von den Protagonisten aus der Wissenschaft genasführt werden. Man muß die Stellungnahmen der Vertreter verschiedenster Wissenschaftsorganisationen und Industrieverbände lesen, um zu wissen, wohin die Reise - und wenn auch in "Stufen" - gehen soll. Was heute als definitive Grenze ausgegeben wird, ist schon morgen überschreitbar. Dies wird unter dem retrospektiven Blick überdeutlich, den Ursel Fuchs in ihrem Band "Die Genomfalle" auf die Biopolitik der letzten Jahre wirft.

Niemand will den Zug verpassen, selbst wenn er in die Genomfalle führt. Nicht "Heilung" und "Gesundheit" sind die eigentlich treibenden Kräfte (sonst würden ethisch unbedenkliche Alternativen der Forschung entschiedener forciert werden), sondern ein ökonomischer Verwertungszusammenhang. Dies zumindest einmal klar ausgesprochen und konkret belegt zu haben gehört zu den Verdiensten dieses Buches. Fuchs dokumentiert die atemberaubende Entwicklung der vergangenen Jahre mit aussagekräftigen Zitaten aus Politik und Wissenschaft. Man durchschaut die Rhetorik der Abwiegelung, die oftmals gegen das Dammbruch-Argument aufgeboten wird, als Propaganda, die der nachfolgenden Wirklichkeit nicht standhält.

Im ganzen überzeugend warnt die Autorin vor der schleichenden Genetisierung des Alltags. Nur gelegentlich hat man den Eindruck, daß die Farben hier und da etwas zu grell aufgetragen werden, daß die Notwendigkeit der journalistischen Zuspitzung die Genauigkeit der Darstellung trübt. Alles in allem ist aber die Engagiertheit ihres Plädoyers zu begrüßen, die sich wohltuend von der Überzeugungslosigkeit mancher "Bioethiker" abhebt. Fuchs rückt die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der "Biokratie" (Wolfgang Lipp) in den Vordergrund. Die fatalen Auswirkungen einer engstirnigen Fortschrittsgläubigkeit offenbaren sich dort, wo sich Gendiagnostik und Reproduktionsmedizin unheilvoll verbinden. In einer Gesellschaft, die sich allein durch die Werte Gesundheit und Wellness zu definieren scheint, wird der Nachweis genetischer Perfektion zum Lackmustest sozialen Lebens. Demnächst schon werden Genchips für jedermann erhältlich sein, die die Prüfung von mehreren hundert Genen aus einer kleinen Probe ermöglichen. Wer da noch meint, die Präimplantationsdiagnostik lasse sich auf wenige Fälle schwerer Erbkrankheiten beschränken, muß von einer anderen Welt sein.

Ob die Bioethik in der Lage ist, die Wissenschaft kritisch zu begleiten und Fehlentwicklungen aufzuzeigen, wird von der Autorin schlüssig in Frage gestellt. Nach ihrer Ansicht präsentiert sie sich nicht selten als Teil der Krankheit, die sie kurieren will. Zu Recht wurde im Blick auf diese Disziplin ja schon von einer willig übernommenen Feigenblattfunktion gesprochen. Auch die Kirchen bleiben bei Fuchs von der Kritik nicht verschont. Zu angepaßt reagieren sie, um nicht als Ewiggestrige verschrien zu werden und nicht ein zweites Galilei-Trauma erleben zu müssen. Dabei ist die gegenwärtige Bedrohung der Gattungsethik offenkundig, wie die unter säkularen Prämissen derzeit vielfältig vorgebrachte Kritik von Enzenzberger bis Habermas deutlich macht. Die Lektüre der "Genomfalle" legt jedenfalls die Frage nahe, warum die Kirche sich heute nicht selbstbewußter zu ihren gut begründeten frühen Warnungen bekennt.

Diejenigen, die der Gentechnik schlicht freie Bahn gewähren wollen, behaupten noch immer, es werde nicht alles so heiß gegessen werden. Nicht zuletzt die Äußerungen der Wissenschaftler selbst, die Fuchs zur Sprache bringt, lassen aber den Verdacht nicht unbegründet erscheinen, daß vieles jetzt temperiert angepriesen wird, was sich bald als vulkanische Lava über die Gesellschaft ergießen könnte.

STEPHAN SAHM

Ursel Fuchs: "Die Genomfalle". Die Versprechungen der Gentechnik, ihre Nebenwirkungen und Folgen. Patmos Verlag, Düsseldorf 2000. 270 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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