DIE INDISCHE LITERATUR HAT EINE NEUE STIMME.
Der Wind peitscht über die Landebahn, als die Boeing ihre Passagiere ausspuckt. Der Flieger hätte sie nach Tokio bringen sollen, muss aber wegen eines Schneesturms im Irgendwo zwischenlanden. Dreizehn Menschen aus aller Welt sitzen nun im Transitbereich fest – mitten in der Nacht. Sie lächeln einander müde an und beginnen, Geschichten zu erzählen.
Die Geschichten, manche märchenhaft fantastisch, andere von einer glasklaren Realität, verweben sich wie die Muster eines bunten Teppichs miteinander. Rana Dasgupta, einer der unkonventionellsten jungen Autoren Indiens, entwirft in seinem glänzend komponierten Debüt voller Fabulierfreude eine Comédie humaine – ein Zeitbild von intensiver Klarheit.
Die Aufregung unter den Reisenden ist groß, als verkündet wird, dass sich der Weiterflug nach Tokio bis zum nächsten Morgen verzögert. Eine lange Schlange bildet sich am einzigen geöffneten Schalter, an dem ein Mann Hotelzimmer zu organisieren versucht. Er bringt alle unter, bis auf dreizehn, die sich stumm vor Müdigkeit neben den still stehenden Gepäckbändern niederlassen. Geredet wird nur wenig, bis einer sagt: Hören Sie, Freunde, ich finde, wir kennen uns nicht gut genug, um schweigend dazusitzen. Und ein anderer sagt: Ich weiß eine Geschichte. Und so beginnt er von Prinz Ibrahim zu erzählen, der einen Schneider damit beauftragte, das prächtigste Gewand aller Zeiten für ihn zu nähen. Der Schneider kaufte die teuersten Brokate, schnitt, steckte und nähte – und nach vier Monaten war das Werk vollbracht. Doch der Prinz wollte sich an diesen Auftrag nicht mehr erinnern. Der nächste Reisende erzählt von einem der reichsten Männer Indiens und dessen musikalischer Tochter, die sich in einen Zwerg verliebt hatte. Was sie nicht wusste: Dieser Zwerg war ihr verstoßener Zwilling. Dann setzt eine junge Frau an, sie hatte sich extra Mut angetrunken, und erzählt von einem Frankfurter Kartografen, der ein stummes türkisches Mädchen versteckte. Ein Reisender nach dem anderen erhebt die Stimme, um eine amüsante oder unendlich traurige oder zutiefst berührende Geschichte zum Besten zu geben, bis die schwarze Tafel mit einem Schwall von Flugzielen zu neuem Leben erwacht. Und die Geschichten, die den dreizehn in der Nacht noch Halt gegeben haben, beginnen wie Träume zu entschwinden.
Der Wind peitscht über die Landebahn, als die Boeing ihre Passagiere ausspuckt. Der Flieger hätte sie nach Tokio bringen sollen, muss aber wegen eines Schneesturms im Irgendwo zwischenlanden. Dreizehn Menschen aus aller Welt sitzen nun im Transitbereich fest – mitten in der Nacht. Sie lächeln einander müde an und beginnen, Geschichten zu erzählen.
Die Geschichten, manche märchenhaft fantastisch, andere von einer glasklaren Realität, verweben sich wie die Muster eines bunten Teppichs miteinander. Rana Dasgupta, einer der unkonventionellsten jungen Autoren Indiens, entwirft in seinem glänzend komponierten Debüt voller Fabulierfreude eine Comédie humaine – ein Zeitbild von intensiver Klarheit.
Die Aufregung unter den Reisenden ist groß, als verkündet wird, dass sich der Weiterflug nach Tokio bis zum nächsten Morgen verzögert. Eine lange Schlange bildet sich am einzigen geöffneten Schalter, an dem ein Mann Hotelzimmer zu organisieren versucht. Er bringt alle unter, bis auf dreizehn, die sich stumm vor Müdigkeit neben den still stehenden Gepäckbändern niederlassen. Geredet wird nur wenig, bis einer sagt: Hören Sie, Freunde, ich finde, wir kennen uns nicht gut genug, um schweigend dazusitzen. Und ein anderer sagt: Ich weiß eine Geschichte. Und so beginnt er von Prinz Ibrahim zu erzählen, der einen Schneider damit beauftragte, das prächtigste Gewand aller Zeiten für ihn zu nähen. Der Schneider kaufte die teuersten Brokate, schnitt, steckte und nähte – und nach vier Monaten war das Werk vollbracht. Doch der Prinz wollte sich an diesen Auftrag nicht mehr erinnern. Der nächste Reisende erzählt von einem der reichsten Männer Indiens und dessen musikalischer Tochter, die sich in einen Zwerg verliebt hatte. Was sie nicht wusste: Dieser Zwerg war ihr verstoßener Zwilling. Dann setzt eine junge Frau an, sie hatte sich extra Mut angetrunken, und erzählt von einem Frankfurter Kartografen, der ein stummes türkisches Mädchen versteckte. Ein Reisender nach dem anderen erhebt die Stimme, um eine amüsante oder unendlich traurige oder zutiefst berührende Geschichte zum Besten zu geben, bis die schwarze Tafel mit einem Schwall von Flugzielen zu neuem Leben erwacht. Und die Geschichten, die den dreizehn in der Nacht noch Halt gegeben haben, beginnen wie Träume zu entschwinden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Recht beeindruckt zeigt sich Rezensent Martin Zähringer von Rana Dasguptas Werk "Die geschenkte Nacht". Als "Fragmente der globalisierten Gegenwart" liest er die Erzählungen über Anatolien und Frankfurt, London und Delhi, Istanbul und New York, Lagos und Detroit, Tokio, Istanbul, Odessa, Paris, Warschau und Shenzen, die durch eine Rahmenhandlung - steckengebliebene Flugpassagiere erzählen sich in einer Nacht auf dem Flughafen von Tokio Geschichten - zusammengehaltenen werden. Bemerkenswert scheint Zähringer der Umgang des Autors mit seinen dem "virtuellen Konzept des globalisierten Ganzen" im 21. Jahrhundert entstammenden Themen, die in skurrilen Geschichten mit den "fragmentierten Formen früherer Zeiten" bearbeitet werden: Dasgupta rücke dem Gespenst der Globalisierung mit dem phantastischen Esprit romantischer Kunstmärchen zu Leibe. Das sprachliche Können des Autors steht für Zähringer dabei außer Frage. Auch die Übersetzung von Barbara Heller bedenkt er mit Lob.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die dreizehn Geschichten erstaunen durch ihre Fabulierfreude, ihre visionäre Kraft und ihre Stimmenvielfalt - und sie sind voller Erkenntnisse über das Leben." (Times Literary Supplement) "Dies ist ein sehr kühnes, ein herausragendes Buch, ein unvergessliches Buch mit einem ganz eigenen Charme." (The Scotsman) "Diese dreizehn Geschichten sind so reich an Ideen - und übertreffen 1001 Nacht um ein Vielfaches. (...) Schlägt man das Buch zu, so hat es einem den Kopf verdreht." (The Guardian)