DAS GRANDIOSE MEISTERWERK, DER KLASSIKER ZUR GESCHICHTE DER ARABISCHEN WELT, von den Anfängen des Islam bis heute. Jetzt in einer repräsentativen Neuausgabe mit einem aktuellen Nachwort, das die Geschichte bis zum Arabischen Frühling weitererzählt. Der große Orientalist Albert Hourani, ein Wanderer zwischen den Welten, präsentiert in seinem elegant erzählten Klassiker die gesamte Geschichte und Kultur der arabischen Völker seit dem 7. Jahrhundert. Brillant beschreibt er die rasante Verbreitung des Islam und erzählt von den Gelehrten, Völkern und Ereignissen, die die arabische Welt prägten. Er schildert Aufstieg und Ende des Osmanischen Reichs, die Folgen der europäischen Expansion und die Konflikte in der Region, bis hin zur Intifada und den Golfkriegen. Wie es danach bis zum Arabischen Frühling weiterging, erzählt der bekannte Publizist und Islamwissenschaftler Malise Ruthven in seinem aktuellen Nachwort. Fulminante historische Erzählung und kluge Analyse zugleich, ist das Buch ein unentbehrlicher Beitrag zum Verständnis der heutigen arabischen Welt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.02.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Vielheit von Beginn an –
Houranis Geschichte der arabischen Völker
„Sprache und Ausdruck“ heißt ein Unterkapitel in Albert Houranis „Geschichte der arabischen Völker“. Es zeigt im Kleinen die weniger nach großen Ereignissen als nach Strukturen (zum Beispiel Verstädterung, Binnenmigration, Klanwesen) und Mentalitäten fragende Methode dieses Klassikers moderner Geschichtsschreibung: Exemplarisch für die Sechzigerjahre erörtert der – 1993 in Oxford verstorbene – britische Orientalist weder politische noch religiöse Rhetorik, sondern schildert am Beispiel von Kino und Radio, von Lyrik und Roman, von populärer Musik und Theater, von Presse und Verlagswesen ein Ensemble sprachlichen, visuellen und akustischen Materials, wie es in allen arabischsprachigen Ländern als einer von vielen gemeinsam geteilten Welt vorhanden war. Houranis Geschichtspanorama kommt immer wieder auf arabische Dichtung zurück, die der Islamisierung der arabischen Welt zeitlich vorausging. Die Einheit, die die arabische Sprache denen bietet, die sich über sie in Glaubensfragen verständigen, hat ihre Grenze schon erreicht, um einer Vielheit Platz zu machen, die – trotz heute massiver Gegenbewegungen – die islamischen Gesellschaften von Beginn an prägt. Selbst Allah ließ durch den Propheten verkünden: „Ich wollte Euch als Vielheit schaffen, statt als Einheit, was ich auch hätte machen können“ (Sure 5, 48). Hourani, Nachkomme multikonfessioneller libanesischer Einwanderer, weiß die Geschichte des Islams im Austausch mit anderen Religionen zu erzählen. Mit dem Problem der Aussöhnung von Einheit und Vielheit hatten sich arabische Philosophen schon im 11. und 12. Jahrhundert befasst und waren darüber zu einer aufgeklärten Betrachtung des Korans gelangt, die buchstäbliche und übertragene Bedeutungen voneinander trennte: Rationale Diskurse waren dem Islam nie fremd, auch wenn das Wissen der Elite nie die in Unwissenheit gehaltene Menge erreichte und – aus Gründen der Herrschaftssicherung – wohl auch nicht erreichen sollte.
VOLKER BREIDECKER
Albert Hourani: Die Geschichte der arabischen Völker. A. d. Engl. v. M. Ohl, H. Sartorius, M. Bischoff. Fischer Verlag, Frankfurt/ M. 2016. 704 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Vielheit von Beginn an –
Houranis Geschichte der arabischen Völker
„Sprache und Ausdruck“ heißt ein Unterkapitel in Albert Houranis „Geschichte der arabischen Völker“. Es zeigt im Kleinen die weniger nach großen Ereignissen als nach Strukturen (zum Beispiel Verstädterung, Binnenmigration, Klanwesen) und Mentalitäten fragende Methode dieses Klassikers moderner Geschichtsschreibung: Exemplarisch für die Sechzigerjahre erörtert der – 1993 in Oxford verstorbene – britische Orientalist weder politische noch religiöse Rhetorik, sondern schildert am Beispiel von Kino und Radio, von Lyrik und Roman, von populärer Musik und Theater, von Presse und Verlagswesen ein Ensemble sprachlichen, visuellen und akustischen Materials, wie es in allen arabischsprachigen Ländern als einer von vielen gemeinsam geteilten Welt vorhanden war. Houranis Geschichtspanorama kommt immer wieder auf arabische Dichtung zurück, die der Islamisierung der arabischen Welt zeitlich vorausging. Die Einheit, die die arabische Sprache denen bietet, die sich über sie in Glaubensfragen verständigen, hat ihre Grenze schon erreicht, um einer Vielheit Platz zu machen, die – trotz heute massiver Gegenbewegungen – die islamischen Gesellschaften von Beginn an prägt. Selbst Allah ließ durch den Propheten verkünden: „Ich wollte Euch als Vielheit schaffen, statt als Einheit, was ich auch hätte machen können“ (Sure 5, 48). Hourani, Nachkomme multikonfessioneller libanesischer Einwanderer, weiß die Geschichte des Islams im Austausch mit anderen Religionen zu erzählen. Mit dem Problem der Aussöhnung von Einheit und Vielheit hatten sich arabische Philosophen schon im 11. und 12. Jahrhundert befasst und waren darüber zu einer aufgeklärten Betrachtung des Korans gelangt, die buchstäbliche und übertragene Bedeutungen voneinander trennte: Rationale Diskurse waren dem Islam nie fremd, auch wenn das Wissen der Elite nie die in Unwissenheit gehaltene Menge erreichte und – aus Gründen der Herrschaftssicherung – wohl auch nicht erreichen sollte.
VOLKER BREIDECKER
Albert Hourani: Die Geschichte der arabischen Völker. A. d. Engl. v. M. Ohl, H. Sartorius, M. Bischoff. Fischer Verlag, Frankfurt/ M. 2016. 704 Seiten, 20 Euro.
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ein bedeutender Beitrag zu einem differenzierteren Verständnis dessen, was seit dem siebten Jahrhundert in der arabischsprachigen islamischen Welt vor sich gegangen ist Die Presse 201412