Die "revolutionären Kader" der Rote Armee Fraktion, Bürgerkinder allesamt, wollten das Volk gegen die Obrigkeit aufwiegeln. Am Ende wurde es, wie von Heinrich Böll befürchtet, ein "Krieg von sechs gegen sechzig Millionen". Das Gruppenprojekt war alleszwischen lächerlich und größenwahnsinnig, doch mit ihrem Furor gelang es der RAF und ihren Nachzüglern, die Republik von der Frankfurter Kaufhausbrandstiftung 1968 bis in die neunziger Jahre in Atem zu halten. Das Unbehagen, das die Terroristen in derWohlstandsgesellschaft verspürten, verband sie mit einem großen Teil ihrer Generation.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2007Deutsche Bewegung
Von SZ-Autoren: Willi Winkler über die Geschichte der RAF
Kaufhausbrand, Baader-Befreiung, Buback, Schleyer, die Entführung der Landshut: Die Geschichte der politischen Freischärler, die sich den anmaßenden Namen Rote Armee Fraktion (RAF) gaben, wird gern auf diese wenigen Stichworte reduziert. Willi Winkler hat die Terroristen zum ersten Mal als Teil einer jugendbewegten, politischen Bewegung beschrieben. Von der Gloriole des revolutionären Märtyrers Che Guevara beleuchtet, meinte sie, den Krieg der vietnamesischen Befreiungsfront gegen die USA auf deutschem Boden unterstützen zu müssen. Es brauchte mehr als ein Jahrzehnt, ehe aus dem demonstrierenden Widerstand gegen die Atom-Gefahr und aus einem Schwabinger Existenzialistenkeller so weit fortgedacht war, dass einige wenige beschlossen, die Waffe in die Hand zu nehmen. Die Gewalt hatte viele Väter (und wenige Mütter), sie wurde begeistert im Munde geführt, der Pflasterstein wurde lange im Teach-in besprochen, ehe ihn jemand aufklaubte und gegen knüppelnde, auch schießende Polizisten schleuderte. Die RAF war eine beispiellose Erscheinung, ein Phänomen, das in seiner ganzen Unbegreiflichkeit nur in Deutschland möglich war. SZ
WILLI WINKLER: Die Geschichte der RAF. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2007. 528 Seiten, 22,90 Euro.
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Von SZ-Autoren: Willi Winkler über die Geschichte der RAF
Kaufhausbrand, Baader-Befreiung, Buback, Schleyer, die Entführung der Landshut: Die Geschichte der politischen Freischärler, die sich den anmaßenden Namen Rote Armee Fraktion (RAF) gaben, wird gern auf diese wenigen Stichworte reduziert. Willi Winkler hat die Terroristen zum ersten Mal als Teil einer jugendbewegten, politischen Bewegung beschrieben. Von der Gloriole des revolutionären Märtyrers Che Guevara beleuchtet, meinte sie, den Krieg der vietnamesischen Befreiungsfront gegen die USA auf deutschem Boden unterstützen zu müssen. Es brauchte mehr als ein Jahrzehnt, ehe aus dem demonstrierenden Widerstand gegen die Atom-Gefahr und aus einem Schwabinger Existenzialistenkeller so weit fortgedacht war, dass einige wenige beschlossen, die Waffe in die Hand zu nehmen. Die Gewalt hatte viele Väter (und wenige Mütter), sie wurde begeistert im Munde geführt, der Pflasterstein wurde lange im Teach-in besprochen, ehe ihn jemand aufklaubte und gegen knüppelnde, auch schießende Polizisten schleuderte. Die RAF war eine beispiellose Erscheinung, ein Phänomen, das in seiner ganzen Unbegreiflichkeit nur in Deutschland möglich war. SZ
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Arno Widmann hat mit Interesse gelesen, was Willi Winkler über die Geschichte der RAF und über ihren einstigen Rückhalt in der Bevölkerung zusammengetragen hat - auch wenn er mit einigen Thesen des Autoren gar nicht einverstanden ist. Beispielsweise findet er fragwürdig, ob die RAF wirklich eine Reaktion auf die elterliche "Tätergeneration" war - schließlich gab es vergleichbare Bewegungen in vielen "westlichen Demokratien". Es macht also in Widmanns Augen wenig Sinn, die Geschichte der RAF als "kleines Stück Geschichte der Bundesrepublik" zu erzählen. Gelungen findet Widmann aber, wie der Autor den Rückhalt unter Intellektuellen reflektiert - auch wenn man "dergleichen kaum offen diskutieren kann". Etwas störend empfindet der Rezensent, dass Winkler sich bisweilen zu sehr mit der anvisierten Leserschaft verbündet. Dass er oft impliziert, dass der Leser "auf die gleiche Art Bescheid weiß wie der Autor", kann irritieren - sollte er aber nicht, denn die Lektüre ist nach Widmanns Meinung trotz einiger inhaltlicher Differenzen durchaus lohnend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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