Bereits das Titelcover ist eine Augenweide – „Eyecatcher“ wie man heute neumodern sagt – und zeigt natürlich die herrlich filigrane Zeichnung eines Apfelzweiges mit Früchten. Das ganze Buch lebt immer wieder an verschiedenen Stellen von ganzseitigen historischen Aquarellen von verschiedenen
Apfelsorten, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Es wird aber ebenso illustriert und ungemein bildlich…mehrBereits das Titelcover ist eine Augenweide – „Eyecatcher“ wie man heute neumodern sagt – und zeigt natürlich die herrlich filigrane Zeichnung eines Apfelzweiges mit Früchten. Das ganze Buch lebt immer wieder an verschiedenen Stellen von ganzseitigen historischen Aquarellen von verschiedenen Apfelsorten, überwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Es wird aber ebenso illustriert und ungemein bildlich bereichert durch zahlreiche Farbfotos, historische Stiche und Gemälde wie Schwarz-Weiß-Grafiken, die alle Themen in lockerer Form, abwechslungsreich und sehr attraktiv begleiten.
Die erste englischsprachige Ausgabe erschien erstmals 2006 unter dem Titel „Story oft he Apple“ und die der deutschen Ausgabe zugrundliegende Originalausgabe 2019 unter dem Titel „The Extraordinary Story oft he Apple“ und entstammt der „Werkstatt“ der Royal Botanic Gardens in Kew. B.E. Juniper war Dozent für Pflanzenwissenschaft in Oxford, D.J. Mabberly ehemaliger Leiter des Herbariums, der Bibliothek und der Kunst- und Archivsammlungen der Royal Botanic Gardens Kew, Qualität also von vornherein garantiert. Und der Haupt Verlag Bern hat dem Werk nunmehr mit der ersten deutschsprachigen Ausgabe auch einen attraktiven Platz im deutschen Buchangebot gegeben.
Ein wunderschönes Aqarell „Stillleben mit Äpfeln“ von Gustave Courbet aus dem Rijksmuseum Amsterdam eröffnet das 1. Kapitel „Was sind Äpfel?“. Ein kurzer, sehr informativer wie wissenschaftlich fundierter Exkurs in die systematische Einordnung der Gattung Malus und deren verwandtschaftliche Beziehung innerhalb der Rosengewächse (Rosaceae) werden die Unterschiede zwischen Wild- und Hausapfel textlich und bildlich sehr gut dargestellt, ebenso weitere Apfelarten der Welt. Insgesamt 36 rezente Apfel-Arten gibt es, die meisten in Zentral- und Ostasien. Sehr ausführlich wird die Ausbreitung des Apfels im Zusammenhang mit der eiszeitlichen Entwicklung und dem früher bestehenden, auf der Nordhemisphäre durchgehenden Laubwaldgürtels, von dem nur noch kleine Reste existieren. Der „Fruchtgürtel des Tienschan“ ist hierbei noch heute von besonderer Bedeutung.
Kapitel 2 widmet sich ausführlich dem Ursprung des Apfels, wie wir ihn als Frucht kennen. Der zentralasiatische Wildapfel (Malus sieversii) ist Stammvater des Kulturapfels. Für deren Einwanderung in den „Fruchtwald des Tienschan“ gibt es 3 Hypothesen. Es folgen sehr interessante Ausführungen zu den Fruchtwäldern am Tienschan, v.a. in Kasachstan mit eindrucksvollen Farbfotos der dortigen uralten Kulturlandschaft. Danach werden die verschiedenen Gruppen von Tierarten vorgestellt, die am Anfang und der Folgezeit der Ausbreitung der Samen von Äpfeln eine Rolle spielten, von Elsterarten über verschiedene Säugetiere wie Bär und schließlich Pferde und Kamele.
Informationen zu archäologischen Zusammenhängen mit dem Apfel und alten Apfelnamen finden sich im 3. Kapitel. Danach wird in einem Kapitel ausführlich die Veredlung des Apfels am Anfang und in späteren geschichtlichen Epochen und verschiedenen Regionen bis nach Europa beschrieben. Im Folgenden wird der Weg des Apfels nach Westen beschrieben, vor über 2.400 Jahren gab es wohl die ersten „Fruchtäpfel“ in China. Ausführlich werden die verschiedenen Handelswege inkl. der Seidenstraße in sehr interessanten Grafiken dargestellt, die Anteil an der Ausbreitung des Apfels hatten. Selbstverständlich findet auch „der Sündenfall“ mit Adam und Eva und dem Apfel textlichen und bildlichen Niederschlag. Ebenso wird die über 600jährige Geschichte des Apfels in Deutschland berichtet und es werden die Verwertungsmöglichkeiten des Apfels bis hin zur Verkelterung als Wein oder Cidre/Cider beschrieben. Den Abschluss des hervorragenden Buches bilden ein wissenschaftliches Kapitel zur Systematik und Verbreitung aller bekannten Apfelarten und ein umfassendes Literaturverzeichnis und Register.
Zusammenfassend: Das Buch ist kein „pomologisches“ Lehrbuch, von denen es auch mehrere gibt, sondern ein äußerst unterhaltsames wie fantastisch illustriertes Sachbuch zum Apfel, einem unverzichtbaren Kulturgut es Menschen mit langer Geschichte, uneingeschränkt zum Kauf empfohlen!
Dr. Frank Zimmermann