Die Geschichte eines Tages im Krieg. Dinesh, ein junger Mann, versorgt Verletzte in einem Lager im Dschungel, läuft ziellos umher, denkt an seine Mutter, die getötet wurde und an deren Gesicht er sich nicht mehr erinnert. Jede Nacht fallen Bomben, doch sie machen ihm keine Angst mehr. Ein Mann bittet ihn, seine Tochter zu heiraten, Ganga. Er hofft, dass Dinesh für sie sorgen wird. Ganga ist eine junge, ernsthafte Frau - und nun seine Frau. Die beiden versuchen, die Fremdheit zu überwinden, ihre unerwartete Nähe zu erkunden, bevor der Krieg sie wieder trennt. In unvergesslichen Szenen lässt Anuk Arudpragasam die menschliche Existenz inmitten der Finsternis in ihrer ganzen Würde aufscheinen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2017Im allerengsten Erzählraum
Anuk Arudpragasam ist 28 Jahre alt und sein Romandebüt "Die Geschichte einer kurzen Ehe" schon ein großer Wurf. Es führt uns den Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka auf unerwartete Weise vor.
Krieg pur. Verletzte. Stille zwischen den Menschen, keiner spricht mehr. Manche schreien. Ein Mann, der ein Kind zur Amputation des zerfetzten Arms trägt und sich überlegt, ob es besser gewesen wäre, die Granate hätte den anderen Arm entzweigerissen, denn dem kleinen Jungen fehlt bereits ein Bein auf derselben Seite: "Dass er nur noch den linken Arm und das linke Bein hatte, war für das Gleichgewicht sicher schwierig, aber alles in allem wären ein rechter Arm und ein linkes Bein oder ein linker Arm und ein rechtes Bein vielleicht noch schlimmer gewesen, denn diese Kombinationen waren schlechter ausbalanciert, wenn man darüber nachdachte."
Der Ort: ein Lager von evakuierten tamilischen Zivilisten im Nordosten Sri Lankas gegen Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2009, eine Krankenstation, die gleich schließen wird, ein Brunnen. Die Lage: auf der einen Seite das Meer, auf der anderen der Dschungel, dazwischen eine Lichtung. Die Situation: Bombardements der Regierungstruppen, meistens gegen Morgen. Streifzüge der Rekruteure der "Bewegung", wie die Tamil Tigers in diesem Buch heißen, meistens nachts. Der Autor Anuk Arudpragasam gibt seiner Geschichte keinen weiteren Kontext. Spricht nicht über Politik. Beschreibt keinen Konflikt, nicht die Gegner. Sein Erzählraum ist minimal. Die Zeit, die er sich gibt, ebenfalls: ein Tag. Sein Roman zeichnet auf poetische Weise nach, was im Bewusstsein eines ganz jungen Mannes geschieht, der weiß, dass er bald sterben wird. Dinesh heißt er, und in seinem Kopf bewegen wir uns. In seinen Gedanken, seinen Assoziationen.
Das ist poetisch geschrieben in vielen seiner Bilder, ja. Aber dies ist auch und passagenweise vor allem ein gewalttätiger Text. Ein Text, der fast in jedem Satz die Gewalt trägt, der sich seine Szenen verdanken. Eine verletzte Krähe im Unterholz wird mit demselben Blick aufs versehrte Detail beschrieben wie das verletzte Kind in der ersten Szene. Und selbst in der Zärtlichkeit, mit der Dinesh sich neben die Krähe legt, um sie zu beruhigen, während sie vermutlich peinvoll stirbt, liegt etwas Gewalttätiges, etwas, das der Autor seinen Lesern auferlegt in gewisser Weise: dem Tod ins Auge zu sehen, in diesem Fall dem nahen Tod des Tiers.
Die Ehe kommt ins Spiel, weil ein alter Mann Dinesh seine Tochter Ganga zur Frau gibt. Der Priester stirbt, bevor er die Hochzeit vollziehen kann, aber unter den Umständen genügt das Wort des Vaters. Danach verschwindet der Alte, auch er in den Tod vermutlich, denn es gibt keinen Ort der Zuflucht. Ganga weiß das, Dinesh ahnt es, und die beiden verbringen ihren ersten Tag als Ehepaar mit zaghaften Versuchen, Nähe herzustellen, ohne einander zu verletzen, wie dies ein solches Paar auch jenseits der Kampfzonen täte. Mehr geschieht nicht.
Der Reichtum dieses erstaunlichen Debüts liegt in der präzisen Wahrnehmung und Beschreibung von Einzelheiten wie dem Moosbewuchs eines Steins, der Teil der Lagerstatt wird zum Beispiel, zu der Dinesh seine Frau führt, fast wie ein Zuhause: "Es war, als hätte sein Körper in den vielen Stunden dort eine warme, nicht spürbare Substanz an den Boden und den Stein abgegeben, die diesen Platz mit einem Wissen um ihn angereichert hatte, so dass er gewissermaßen ein Teil von ihm geworden war, ein besonderer Ort." Dort wird Ganga schlafen, nachdem sie und Dinesh zum ersten Mal miteinander gegessen haben. Und Dinesh schaut ihr beim Schlafen zu, umrundet sie leise, beugt sich über sie, beobachtet, wie "ihre Brust sich hob und senkte, wenn Luft in ihren Körper hinein- und wieder herausströmte wie Wellen, die leise vor- und wieder zurückrollen", während er vergaß, "dass er einem lebenden Menschen zuhörte und nicht nur irgendeinem, sondern seiner Frau".
Die Gegenwart dieser Frau, von der Dinesh nichts weiß, ermöglicht ihm, ein Stück zurückzublenden. Bisher bewegte er sich im Augenblick, doch während Ganga schläft, kommt die Erinnerung an den Tod seiner Mutter über ihn, an die beiden Taschen, die sie auf die Flucht mitgenommen und die er neben ihrer Leiche abgestellt hatte, nachdem sie von Granatfeuer getroffen war. Seitdem besitzt er nichts mehr, liest nur hin und wieder etwas auf, das andere zurückgelassen haben, bis auch er diesen Gegenstand, einen Türknopf etwa, seinerseits liegen lässt. Ganga aber hat eine Tasche mitgebracht, die er leise öffnet. Darin findet er ein Stück Seife, eine Schere, einen Kamm. Und beschließt, sich zu waschen.
Zum Brunnen ist ein Weg zurückzulegen. Über die Lichtung, ein Stück durch den Dschungel bis fast zur Krankenstation. Das ist der Bewegungsradius, in dem Arudpragasam findet, wovon er erzählen will: wie der Krieg, die Gewalt, die Flucht, die Verluste aus einem Menschen ein Wesen ohne Persönlichkeit machen, ohne Profil jenseits des vorübergehenden Überlebens und des sicheren Todes, und wie dieser Mensch im Kontakt zu einem anderen Menschen etwas von seinem früheren Ich möglicherweise wiederfindet, und zwar in so einfachen Verrichtungen wie dem Schneiden der Finger- und Fußnägel und vor allem in dem Gedanken daran, die eigene Gegenwart für einen anderen Menschen angenehm zu machen. Der Titel des Romans verrät, dass es dennoch keine Zukunft gibt.
Anuk Arudpragasam ist 28 Jahre alt. Er stammt aus Colombo in Sri Lanka, studiert aber im Augenblick in New York. Entstanden ist dieser Text aus Verzweiflung, so erzählte er in einem Interview. Über die letzten Monate des Bürgerkriegs drangen keine Nachrichten nach draußen. Erst später zirkulierten Videos und Fotos, die das entsetzliche Morden in der Gegend von Jaffna zeigten. Dorthin hatten Regierungstruppen die Tiger zurückgedrängt, die sich ihrerseits gemeinsam mit den Zivilisten immer weiter zurückzogen, bis sie schließlich ein Gebiet besetzten, das nicht größer war als der Central Park. 300 000 Menschen waren dort zusammengepfercht, und unter den Bomben der Regierungstruppen starben 40 000. So erzählt es der Autor, der selbst privilegiert aufgewachsen ist und weiß: Er hat Glück gehabt.
Dieses Buch ist ein ganz besonderes Epitaph, geschrieben von einem Hochbegabten, der verstehen will und sich deshalb in den Kopf eines Mannes versetzt, den er erfunden hat, um die Verheerung des Kriegs zu begreifen. Er scheut sich nicht vor den ganz großen Metaphern und haut deshalb manchmal daneben (wenn eine Tote den "Boden küsst" etwa). Aber das fällt kaum ins Gewicht. Arudpragasam dringt vor an einen Punkt kreatürlicher Existenz, an dem die Wahrnehmung scharfgestellt ist, aber die Gefühle nahezu tot sind. Bis sie für einen kurzen Moment aufleben. Einem Augenblick von Hoffnung, bis er wieder erlischt. Ein erstaunliches Buch, zum Wiederlesen.
VERENA LUEKEN
Anuk Arudpragasam: "Die Geschichte einer kurzen Ehe".
Roman.
Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2017. 223 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anuk Arudpragasam ist 28 Jahre alt und sein Romandebüt "Die Geschichte einer kurzen Ehe" schon ein großer Wurf. Es führt uns den Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka auf unerwartete Weise vor.
Krieg pur. Verletzte. Stille zwischen den Menschen, keiner spricht mehr. Manche schreien. Ein Mann, der ein Kind zur Amputation des zerfetzten Arms trägt und sich überlegt, ob es besser gewesen wäre, die Granate hätte den anderen Arm entzweigerissen, denn dem kleinen Jungen fehlt bereits ein Bein auf derselben Seite: "Dass er nur noch den linken Arm und das linke Bein hatte, war für das Gleichgewicht sicher schwierig, aber alles in allem wären ein rechter Arm und ein linkes Bein oder ein linker Arm und ein rechtes Bein vielleicht noch schlimmer gewesen, denn diese Kombinationen waren schlechter ausbalanciert, wenn man darüber nachdachte."
Der Ort: ein Lager von evakuierten tamilischen Zivilisten im Nordosten Sri Lankas gegen Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2009, eine Krankenstation, die gleich schließen wird, ein Brunnen. Die Lage: auf der einen Seite das Meer, auf der anderen der Dschungel, dazwischen eine Lichtung. Die Situation: Bombardements der Regierungstruppen, meistens gegen Morgen. Streifzüge der Rekruteure der "Bewegung", wie die Tamil Tigers in diesem Buch heißen, meistens nachts. Der Autor Anuk Arudpragasam gibt seiner Geschichte keinen weiteren Kontext. Spricht nicht über Politik. Beschreibt keinen Konflikt, nicht die Gegner. Sein Erzählraum ist minimal. Die Zeit, die er sich gibt, ebenfalls: ein Tag. Sein Roman zeichnet auf poetische Weise nach, was im Bewusstsein eines ganz jungen Mannes geschieht, der weiß, dass er bald sterben wird. Dinesh heißt er, und in seinem Kopf bewegen wir uns. In seinen Gedanken, seinen Assoziationen.
Das ist poetisch geschrieben in vielen seiner Bilder, ja. Aber dies ist auch und passagenweise vor allem ein gewalttätiger Text. Ein Text, der fast in jedem Satz die Gewalt trägt, der sich seine Szenen verdanken. Eine verletzte Krähe im Unterholz wird mit demselben Blick aufs versehrte Detail beschrieben wie das verletzte Kind in der ersten Szene. Und selbst in der Zärtlichkeit, mit der Dinesh sich neben die Krähe legt, um sie zu beruhigen, während sie vermutlich peinvoll stirbt, liegt etwas Gewalttätiges, etwas, das der Autor seinen Lesern auferlegt in gewisser Weise: dem Tod ins Auge zu sehen, in diesem Fall dem nahen Tod des Tiers.
Die Ehe kommt ins Spiel, weil ein alter Mann Dinesh seine Tochter Ganga zur Frau gibt. Der Priester stirbt, bevor er die Hochzeit vollziehen kann, aber unter den Umständen genügt das Wort des Vaters. Danach verschwindet der Alte, auch er in den Tod vermutlich, denn es gibt keinen Ort der Zuflucht. Ganga weiß das, Dinesh ahnt es, und die beiden verbringen ihren ersten Tag als Ehepaar mit zaghaften Versuchen, Nähe herzustellen, ohne einander zu verletzen, wie dies ein solches Paar auch jenseits der Kampfzonen täte. Mehr geschieht nicht.
Der Reichtum dieses erstaunlichen Debüts liegt in der präzisen Wahrnehmung und Beschreibung von Einzelheiten wie dem Moosbewuchs eines Steins, der Teil der Lagerstatt wird zum Beispiel, zu der Dinesh seine Frau führt, fast wie ein Zuhause: "Es war, als hätte sein Körper in den vielen Stunden dort eine warme, nicht spürbare Substanz an den Boden und den Stein abgegeben, die diesen Platz mit einem Wissen um ihn angereichert hatte, so dass er gewissermaßen ein Teil von ihm geworden war, ein besonderer Ort." Dort wird Ganga schlafen, nachdem sie und Dinesh zum ersten Mal miteinander gegessen haben. Und Dinesh schaut ihr beim Schlafen zu, umrundet sie leise, beugt sich über sie, beobachtet, wie "ihre Brust sich hob und senkte, wenn Luft in ihren Körper hinein- und wieder herausströmte wie Wellen, die leise vor- und wieder zurückrollen", während er vergaß, "dass er einem lebenden Menschen zuhörte und nicht nur irgendeinem, sondern seiner Frau".
Die Gegenwart dieser Frau, von der Dinesh nichts weiß, ermöglicht ihm, ein Stück zurückzublenden. Bisher bewegte er sich im Augenblick, doch während Ganga schläft, kommt die Erinnerung an den Tod seiner Mutter über ihn, an die beiden Taschen, die sie auf die Flucht mitgenommen und die er neben ihrer Leiche abgestellt hatte, nachdem sie von Granatfeuer getroffen war. Seitdem besitzt er nichts mehr, liest nur hin und wieder etwas auf, das andere zurückgelassen haben, bis auch er diesen Gegenstand, einen Türknopf etwa, seinerseits liegen lässt. Ganga aber hat eine Tasche mitgebracht, die er leise öffnet. Darin findet er ein Stück Seife, eine Schere, einen Kamm. Und beschließt, sich zu waschen.
Zum Brunnen ist ein Weg zurückzulegen. Über die Lichtung, ein Stück durch den Dschungel bis fast zur Krankenstation. Das ist der Bewegungsradius, in dem Arudpragasam findet, wovon er erzählen will: wie der Krieg, die Gewalt, die Flucht, die Verluste aus einem Menschen ein Wesen ohne Persönlichkeit machen, ohne Profil jenseits des vorübergehenden Überlebens und des sicheren Todes, und wie dieser Mensch im Kontakt zu einem anderen Menschen etwas von seinem früheren Ich möglicherweise wiederfindet, und zwar in so einfachen Verrichtungen wie dem Schneiden der Finger- und Fußnägel und vor allem in dem Gedanken daran, die eigene Gegenwart für einen anderen Menschen angenehm zu machen. Der Titel des Romans verrät, dass es dennoch keine Zukunft gibt.
Anuk Arudpragasam ist 28 Jahre alt. Er stammt aus Colombo in Sri Lanka, studiert aber im Augenblick in New York. Entstanden ist dieser Text aus Verzweiflung, so erzählte er in einem Interview. Über die letzten Monate des Bürgerkriegs drangen keine Nachrichten nach draußen. Erst später zirkulierten Videos und Fotos, die das entsetzliche Morden in der Gegend von Jaffna zeigten. Dorthin hatten Regierungstruppen die Tiger zurückgedrängt, die sich ihrerseits gemeinsam mit den Zivilisten immer weiter zurückzogen, bis sie schließlich ein Gebiet besetzten, das nicht größer war als der Central Park. 300 000 Menschen waren dort zusammengepfercht, und unter den Bomben der Regierungstruppen starben 40 000. So erzählt es der Autor, der selbst privilegiert aufgewachsen ist und weiß: Er hat Glück gehabt.
Dieses Buch ist ein ganz besonderes Epitaph, geschrieben von einem Hochbegabten, der verstehen will und sich deshalb in den Kopf eines Mannes versetzt, den er erfunden hat, um die Verheerung des Kriegs zu begreifen. Er scheut sich nicht vor den ganz großen Metaphern und haut deshalb manchmal daneben (wenn eine Tote den "Boden küsst" etwa). Aber das fällt kaum ins Gewicht. Arudpragasam dringt vor an einen Punkt kreatürlicher Existenz, an dem die Wahrnehmung scharfgestellt ist, aber die Gefühle nahezu tot sind. Bis sie für einen kurzen Moment aufleben. Einem Augenblick von Hoffnung, bis er wieder erlischt. Ein erstaunliches Buch, zum Wiederlesen.
VERENA LUEKEN
Anuk Arudpragasam: "Die Geschichte einer kurzen Ehe".
Roman.
Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2017. 223 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2017Liebe in Gedanken
„Glück und Trauer sind etwas für Leute, die Kontrolle über das haben, was ihnen passiert“:
Zwei Romane aus Südostasien erzählen vom Leben auf der Flucht
VON MEREDITH HAAF
Flucht ist das neue Normal, jedenfalls in einigen Teilen der Erde. Eine nicht ganz unbeträchtliche Minderheit der Weltbevölkerung befindet sich auf der Flucht, 65 Millionen Menschen zählten die Vereinten Nationen vor ein paar Monaten. Mit jeder Woche werden es mehr. Flucht bedeutet fast immer die letzte Chance auf ein erträgliches Leben. Für viele mag sie aber auch auf kleine und große Weisen das Ende dessen einläuten, was sie sich unter einem Leben vorgestellt hatten. In seinem Debütroman „Die Geschichte einer kurzen Ehe“ erzählt der junge Autor Anuk Arudpragasam das ganze Ausmaß dieser millionenfachen persönlichen Katastrophe in einem kleinen Dialog.
Zwei junge Menschen, Dinesh und Ganga, haben sich in einem Flüchtlingslager im Dschungel eines nicht geografisch näher benannten Landes getroffen und daraufhin geheiratet. Dinesh verbringt seine Tage damit, Verwundete in die Lagerklinik zu schleppen, die Nächte wacht er alleine, hungrig, im Trauma erstarrt, abseits des Lagers im Dschungel durch. Dort fühlt er sich sicherer, denn jederzeit könnten die Rebellen, die sein Land in den Bürgerkrieg gestürzt haben, dort auftauchen und ihn als Kämpfer zwangsrekrutieren. Ganga hilft ebenfalls Verletzten, sie schleppt eine große Tasche mit sich herum, voll gepackt mit sauberer Wäsche. Es ist ihr Vater, der die Heirat vorschlägt, als Absicherungsmanöver für seine Tochter. Kurz nach der Zeremonie verschwindet er für immer. An ihrem ersten und letzten gemeinsamen Abend liegen diese beiden Unbekannten, die sich aneinander gebunden haben, obwohl sie nichts außer den Aufenthaltsort voneinander wissen, nebeneinander. Dinesh fragt Ganga etwas, das er sie in einer idealen Liebesgeschichte nicht fragen müssen sollte: „Bist du glücklich, dass wir hier zusammen sind?“ Und Ganga, das große Mädchen mit den ernsten Augen, sagt nur: „Was passiert, passiert, und wir müssen es hinnehmen. Glück und Trauer sind etwas für Leute, die Kontrolle über das haben, was ihnen passiert.“ Es gibt in diesem Buch viele eindringliche Beschreibungen von abgetrennten Gliedern, von Verzweiflung und Zerstörung, aber dieser kleine, leise Dialog wühlt beim Lesen in unsichtbaren Abgründen.
„Es scheint etwas Gutes an sich zu sein, den eigenen Sinn dafür zu schärfen, wie viel Leid durch die Bösartigkeit von Menschen ausgelöst wird in dieser Welt, die wir mit anderen teilen“, schreibt Susan Sontag in ihrem Essay „Das Leiden anderer betrachten“. Es ist aber auch etwas Gutes an sich, den Sinn dafür zu schärfen, wie viele Menschen sich zumindest bemühen, gut zu anderen zu sein. Dem 28-jährigen Arudpragasam gelingt beides zugleich.
Das ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Themen Krieg und Liebe uns auf allen Kanälen umgeben. Und dann sieht Krieg in der bildlichen und literarischen Übertragung immer irgendwie ähnlich aus. Das Grauen, das bei Curzio Malaparte über den verwüsteten Landstrichen der Ukraine liegt, kann man in den Reportagen aus dem aktuellen Krieg in Syrien wiedererkennen. Arudpragasam, der in Colombo, Sri Lanka, lebt, spart nicht an Details und Nahaufnahmen des Ausnahmezustandes. Doch dann sucht er sich eben die schönste Fähigkeit des Menschen – nämlich die Fähigkeit zu lieben und für andere zu sorgen – heraus. Er wirft sie in diese grauenhafte Szenerie und zeigt die extrem begrenzten Möglichkeiten eines Gefühls, das wir gewohnt sind für allmächtig und unwiderstehlich zu halten.
Flucht ist einerseits die Erfahrung einer Wegwärts-Bewegung. In gewisser Weise muss man Flucht vielleicht aber auch als einen Ort verstehen, an dem sich ein Mensch verlieren und wieder finden kann und der bisweilen schwer oder gar unmöglich zu verlassen ist. Davon erzählt der pakistanische Autor Mohsin Hamid in einem beeindruckenden neuen Roman. „Exit West“ ist nicht länger als Arudpragasams Buch, eröffnet aber ein ganz anderes zeitliches, räumliches und emotionales Panorama. Hamid ist ein Erzähler auf dem Höhepunkt seines Schaffens, sein international erfolgreicher Roman „Der Fundamentalist, der keiner sein wollte“ wurde verfilmt, mit seinem neuen Werk steht er auf der Shortlist für den Man-Booker-Preis.
Auch hier geht es um Liebe. „In einer von Flüchtlingen wimmelnden Stadt, in der es überwiegend friedlich zuging oder zumindest kein offener Krieg herrschte“, treffen sich Saeed und Nadia in einem Abendkurs über Corporate Identity. Er ist Werber, lebt bei seinen Eltern, ist religiös und verletztlich. Sie arbeitet im Callcenter und raucht in ihrer Freizeit gerne mal einen Joint. Sie lebt alleine und trägt zum Selbstschutz einen traditionellen schwarzen Umhang, der sie wie eine Gläubige aussehen lässt.
Mit ihren tiefreligiösen Eltern ist es zu einem so heftigen Streit gekommen, „dass ihre Familie für Nadia von da an gestorben war und sie für ihre Familie, etwas, was alle vier für immer bereuen sollten, auch wenn keiner von ihnen einen Schritt in Richtung Aussöhnung machte, teils aus Halsstarrigkeit, teils weil sie nicht wussten, wie sie es anstellen sollten, und vielleicht auch, weil ihre Stadt in den Abgrund zu taumeln begonnen hatte, noch bevor ihnen bewusst wurde, dass sie ihre Chance verpasst hatten.“
In diesem – zugegeben sehr langen – Satz steckt vieles von dem, was Hamids Buch so besonders macht. Die Verstrickung des äußeren Drucks einer politischen Krise mit den privaten emotionalen Verwerfungen, die jemand in Aachen genau so erleben könnte wie in Accra. Während die Lage eskaliert, verbreitet sich in der Stadt das Gerücht, dass es versteckte Türen gibt, durch die man sie gegen sehr viel Geld verlassen könne. In allen friedlichen Teilen der Welt – dem Westen des Titels – öffnen sich plötzlich Türen, durch die verstörte Menschen aus den Philippinen, aus Syrien oder Honduras fallen.
Nadia und Saeed rücken immer näher zusammen, und rasch ist nicht mehr klar, ob die anfängliche Verliebtheit wächst oder ob hier nicht einfach zwei Leute entschieden haben, zueinander zu stehen, weil es sonst keiner tut. Schließlich beschließen sie, die Stadt durch eine der Türen zu verlassen. Nadia verspricht Saeeds Vater, bei seinem Sohn zu bleiben: „Sie hatte das Gefühl, ihn zu töten, indem sie ihm das gewünschte Versprechen gab, aber so war nun mal der Lauf der Dinge, denn wer fortgeht, tilgt jene, die er zurücklässt gewaltsam aus seinem Leben, was in gewisser Weise einer Tötung gleichkommt.“
Es ist beeindruckend, wie Mohsin Hamid Absatz für Absatz mit dem Erzähltempo arbeitet, wie er die schleichende Rasanz eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs beschreibt und die Möglichkeiten persönlicher und kollektiver Utopien ausleuchtet, die auf den Zusammenbruch folgen können. Die Sprache des Romans ist mal reporterhaft beherrscht und distanziert, dann wieder zeugt sie von einer geradezu abgrundtiefen Menschenkenntnis und einer ungebremsten Hoffnungsfähigkeit, das ist eine große Übersetzungsleistung von Monika Köpfer.
Obwohl jede Tür, durch die Nadia und Saeed im Verlauf dieses Romans treten, jedes Lager, in dem sie gegen Hunger und Kälte und feindselige Mitbewohner kämpfen, ihnen deutlicher macht, wie verschieden sie sind, obwohl ihre Strategien, mit dem Verlust der Heimat und der Zugehörigkeit umzugehen, unterschiedlicher nicht sein können, bindet sie allein der Wille, einander zu lieben. Sie beziehen aus diesem Willen die Fähigkeit, alles durchzuhalten – bis die Welt in der sie leben, sie endlich willkommen heißt. Von den beiden als Paar ist dann schon nichts mehr übrig, doch dafür hat jeder von ihnen seinen Frieden gefunden. Es ist ein befreiender erzählerischer Zug, dass Hamid sich erlaubt, die Zweisamkeit seiner Protagonisten zugunsten einer größeren, kollektiveren Vision von Menschenfreundlichkeit aufzugeben. Nach langem Zögern erweist sich der Westen doch als Schauplatz des gerechtestmöglichen Zusammenlebens.
Kein erwachsener Mensch dürfe sich ein Wundern oder gar Fassungslosigkeit über die Ausmaße menschlicher Grausamkeit erlauben, schrieb Susan Sontag. Die Romane von Mohsin Hamid und Anuk Arudpragasem lassen über das Ausmaß menschlicher Zuneigung vor dem Hintergrund der Grausamkeit staunen, ohne es ihren Lesern leicht zu machen. Nicht nur deswegen sind sie mehr als nur erzählerische Dokumente einer komplizierten Gegenwart, sondern die Art lesenswerte Literatur, von der es für die Zukunft gar nicht genug geben kann.
Anuk Arudpragasam: Die Geschichte einer kurzen Ehe. Roman. Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Hanser-Berlin-Verlag, Berlin 2017. 224 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Mohsin Hamid: Exit West. Roman. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. Dumont-Verlag, Köln 2017. 223 Seiten, 22 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Mit seinem neuen Roman steht
Mohsin Hamid auf der
Shortlist des Man Booker Prize
Nadia und Saeed beschlossen,
einander beizustehen,
weil es sonst keiner tut
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Glück und Trauer sind etwas für Leute, die Kontrolle über das haben, was ihnen passiert“:
Zwei Romane aus Südostasien erzählen vom Leben auf der Flucht
VON MEREDITH HAAF
Flucht ist das neue Normal, jedenfalls in einigen Teilen der Erde. Eine nicht ganz unbeträchtliche Minderheit der Weltbevölkerung befindet sich auf der Flucht, 65 Millionen Menschen zählten die Vereinten Nationen vor ein paar Monaten. Mit jeder Woche werden es mehr. Flucht bedeutet fast immer die letzte Chance auf ein erträgliches Leben. Für viele mag sie aber auch auf kleine und große Weisen das Ende dessen einläuten, was sie sich unter einem Leben vorgestellt hatten. In seinem Debütroman „Die Geschichte einer kurzen Ehe“ erzählt der junge Autor Anuk Arudpragasam das ganze Ausmaß dieser millionenfachen persönlichen Katastrophe in einem kleinen Dialog.
Zwei junge Menschen, Dinesh und Ganga, haben sich in einem Flüchtlingslager im Dschungel eines nicht geografisch näher benannten Landes getroffen und daraufhin geheiratet. Dinesh verbringt seine Tage damit, Verwundete in die Lagerklinik zu schleppen, die Nächte wacht er alleine, hungrig, im Trauma erstarrt, abseits des Lagers im Dschungel durch. Dort fühlt er sich sicherer, denn jederzeit könnten die Rebellen, die sein Land in den Bürgerkrieg gestürzt haben, dort auftauchen und ihn als Kämpfer zwangsrekrutieren. Ganga hilft ebenfalls Verletzten, sie schleppt eine große Tasche mit sich herum, voll gepackt mit sauberer Wäsche. Es ist ihr Vater, der die Heirat vorschlägt, als Absicherungsmanöver für seine Tochter. Kurz nach der Zeremonie verschwindet er für immer. An ihrem ersten und letzten gemeinsamen Abend liegen diese beiden Unbekannten, die sich aneinander gebunden haben, obwohl sie nichts außer den Aufenthaltsort voneinander wissen, nebeneinander. Dinesh fragt Ganga etwas, das er sie in einer idealen Liebesgeschichte nicht fragen müssen sollte: „Bist du glücklich, dass wir hier zusammen sind?“ Und Ganga, das große Mädchen mit den ernsten Augen, sagt nur: „Was passiert, passiert, und wir müssen es hinnehmen. Glück und Trauer sind etwas für Leute, die Kontrolle über das haben, was ihnen passiert.“ Es gibt in diesem Buch viele eindringliche Beschreibungen von abgetrennten Gliedern, von Verzweiflung und Zerstörung, aber dieser kleine, leise Dialog wühlt beim Lesen in unsichtbaren Abgründen.
„Es scheint etwas Gutes an sich zu sein, den eigenen Sinn dafür zu schärfen, wie viel Leid durch die Bösartigkeit von Menschen ausgelöst wird in dieser Welt, die wir mit anderen teilen“, schreibt Susan Sontag in ihrem Essay „Das Leiden anderer betrachten“. Es ist aber auch etwas Gutes an sich, den Sinn dafür zu schärfen, wie viele Menschen sich zumindest bemühen, gut zu anderen zu sein. Dem 28-jährigen Arudpragasam gelingt beides zugleich.
Das ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Themen Krieg und Liebe uns auf allen Kanälen umgeben. Und dann sieht Krieg in der bildlichen und literarischen Übertragung immer irgendwie ähnlich aus. Das Grauen, das bei Curzio Malaparte über den verwüsteten Landstrichen der Ukraine liegt, kann man in den Reportagen aus dem aktuellen Krieg in Syrien wiedererkennen. Arudpragasam, der in Colombo, Sri Lanka, lebt, spart nicht an Details und Nahaufnahmen des Ausnahmezustandes. Doch dann sucht er sich eben die schönste Fähigkeit des Menschen – nämlich die Fähigkeit zu lieben und für andere zu sorgen – heraus. Er wirft sie in diese grauenhafte Szenerie und zeigt die extrem begrenzten Möglichkeiten eines Gefühls, das wir gewohnt sind für allmächtig und unwiderstehlich zu halten.
Flucht ist einerseits die Erfahrung einer Wegwärts-Bewegung. In gewisser Weise muss man Flucht vielleicht aber auch als einen Ort verstehen, an dem sich ein Mensch verlieren und wieder finden kann und der bisweilen schwer oder gar unmöglich zu verlassen ist. Davon erzählt der pakistanische Autor Mohsin Hamid in einem beeindruckenden neuen Roman. „Exit West“ ist nicht länger als Arudpragasams Buch, eröffnet aber ein ganz anderes zeitliches, räumliches und emotionales Panorama. Hamid ist ein Erzähler auf dem Höhepunkt seines Schaffens, sein international erfolgreicher Roman „Der Fundamentalist, der keiner sein wollte“ wurde verfilmt, mit seinem neuen Werk steht er auf der Shortlist für den Man-Booker-Preis.
Auch hier geht es um Liebe. „In einer von Flüchtlingen wimmelnden Stadt, in der es überwiegend friedlich zuging oder zumindest kein offener Krieg herrschte“, treffen sich Saeed und Nadia in einem Abendkurs über Corporate Identity. Er ist Werber, lebt bei seinen Eltern, ist religiös und verletztlich. Sie arbeitet im Callcenter und raucht in ihrer Freizeit gerne mal einen Joint. Sie lebt alleine und trägt zum Selbstschutz einen traditionellen schwarzen Umhang, der sie wie eine Gläubige aussehen lässt.
Mit ihren tiefreligiösen Eltern ist es zu einem so heftigen Streit gekommen, „dass ihre Familie für Nadia von da an gestorben war und sie für ihre Familie, etwas, was alle vier für immer bereuen sollten, auch wenn keiner von ihnen einen Schritt in Richtung Aussöhnung machte, teils aus Halsstarrigkeit, teils weil sie nicht wussten, wie sie es anstellen sollten, und vielleicht auch, weil ihre Stadt in den Abgrund zu taumeln begonnen hatte, noch bevor ihnen bewusst wurde, dass sie ihre Chance verpasst hatten.“
In diesem – zugegeben sehr langen – Satz steckt vieles von dem, was Hamids Buch so besonders macht. Die Verstrickung des äußeren Drucks einer politischen Krise mit den privaten emotionalen Verwerfungen, die jemand in Aachen genau so erleben könnte wie in Accra. Während die Lage eskaliert, verbreitet sich in der Stadt das Gerücht, dass es versteckte Türen gibt, durch die man sie gegen sehr viel Geld verlassen könne. In allen friedlichen Teilen der Welt – dem Westen des Titels – öffnen sich plötzlich Türen, durch die verstörte Menschen aus den Philippinen, aus Syrien oder Honduras fallen.
Nadia und Saeed rücken immer näher zusammen, und rasch ist nicht mehr klar, ob die anfängliche Verliebtheit wächst oder ob hier nicht einfach zwei Leute entschieden haben, zueinander zu stehen, weil es sonst keiner tut. Schließlich beschließen sie, die Stadt durch eine der Türen zu verlassen. Nadia verspricht Saeeds Vater, bei seinem Sohn zu bleiben: „Sie hatte das Gefühl, ihn zu töten, indem sie ihm das gewünschte Versprechen gab, aber so war nun mal der Lauf der Dinge, denn wer fortgeht, tilgt jene, die er zurücklässt gewaltsam aus seinem Leben, was in gewisser Weise einer Tötung gleichkommt.“
Es ist beeindruckend, wie Mohsin Hamid Absatz für Absatz mit dem Erzähltempo arbeitet, wie er die schleichende Rasanz eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs beschreibt und die Möglichkeiten persönlicher und kollektiver Utopien ausleuchtet, die auf den Zusammenbruch folgen können. Die Sprache des Romans ist mal reporterhaft beherrscht und distanziert, dann wieder zeugt sie von einer geradezu abgrundtiefen Menschenkenntnis und einer ungebremsten Hoffnungsfähigkeit, das ist eine große Übersetzungsleistung von Monika Köpfer.
Obwohl jede Tür, durch die Nadia und Saeed im Verlauf dieses Romans treten, jedes Lager, in dem sie gegen Hunger und Kälte und feindselige Mitbewohner kämpfen, ihnen deutlicher macht, wie verschieden sie sind, obwohl ihre Strategien, mit dem Verlust der Heimat und der Zugehörigkeit umzugehen, unterschiedlicher nicht sein können, bindet sie allein der Wille, einander zu lieben. Sie beziehen aus diesem Willen die Fähigkeit, alles durchzuhalten – bis die Welt in der sie leben, sie endlich willkommen heißt. Von den beiden als Paar ist dann schon nichts mehr übrig, doch dafür hat jeder von ihnen seinen Frieden gefunden. Es ist ein befreiender erzählerischer Zug, dass Hamid sich erlaubt, die Zweisamkeit seiner Protagonisten zugunsten einer größeren, kollektiveren Vision von Menschenfreundlichkeit aufzugeben. Nach langem Zögern erweist sich der Westen doch als Schauplatz des gerechtestmöglichen Zusammenlebens.
Kein erwachsener Mensch dürfe sich ein Wundern oder gar Fassungslosigkeit über die Ausmaße menschlicher Grausamkeit erlauben, schrieb Susan Sontag. Die Romane von Mohsin Hamid und Anuk Arudpragasem lassen über das Ausmaß menschlicher Zuneigung vor dem Hintergrund der Grausamkeit staunen, ohne es ihren Lesern leicht zu machen. Nicht nur deswegen sind sie mehr als nur erzählerische Dokumente einer komplizierten Gegenwart, sondern die Art lesenswerte Literatur, von der es für die Zukunft gar nicht genug geben kann.
Anuk Arudpragasam: Die Geschichte einer kurzen Ehe. Roman. Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Hanser-Berlin-Verlag, Berlin 2017. 224 Seiten, 22 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Mohsin Hamid: Exit West. Roman. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. Dumont-Verlag, Köln 2017. 223 Seiten, 22 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Mit seinem neuen Roman steht
Mohsin Hamid auf der
Shortlist des Man Booker Prize
Nadia und Saeed beschlossen,
einander beizustehen,
weil es sonst keiner tut
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"Ein Buch über den Krieg und die Angst - doch es ist ein Buch über Beharrlichkeit, Mut und Zärtlichkeit. Ein Triumph." Colm Tóibín
"Dieses Buch ist ein ganz besonderes Epitaph, geschrieben von einem Hochbegabten, der verstehen will und sich deshalb in den Kopf eines Mannes versetzt, den er erfunden hat, um die Verheerung des Kriegs zu begreifen... Arudpragasam dringt vor an einen Punkt kreatürlicher Existenz, an dem die Wahrnehmung scharfgestellt ist, aber die Gefühle nahezu tot sind ... Ein erstaunliches Buch, zum Wiederlesen." Verena Lueken, FAZ, 27.07.2017
"Dies ist ein Roman, der wie eine Kerze in allertiefster Dunkelheit leuchtet. ... Es ist ein kostbarer, würdiger Text, vor dem man sich als Leser verneigen möchte, und das Stärkste, was man der Armseligkeit und Erbärmlichkeit des Terrors entgegensetzen kann." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 01.08.2017
"Ein eminentes Buch über die menschliche Hoffnung - und ein Debütroman, dessen vielversprechender Autor schon jetzt in der Liga eines Michael Ondaatje spielt." Claudia Kramatschek, NZZ, 13.09.2017
"Ein herausragendes und wichtiges Buch, das ohne Illusionen den verlorenen Möglichkeiten der Menschlichkeit im größten Schrecken nachspürt ... Schockierend, erdrückend und er-schütternd ist Die Geschichte einer kurzen Ehe nicht zuletzt auch wegen der literarischen Klasse, mit der Anuk Arudpragasam operiert: Was es bedeuten kann, als Zivilist zwischen Militärs zerrieben zu werden, wurde selten so eindrucksvoll beschrieben - ein Statement zu einem DER Themen unserer globalisierten Zeit." Ulrich Noller, WDR Cosmo, 20.09.2017
"Mit phänomenologischer Präzision schildert dieser junge Autor aus Sri Lanka die Mühsal, mit der mitten im Krieg ... die dringlichsten menschlichen Bedürfnisse befriedigt werden und die verzweifelten Versuche der Gehetzten und Gejagten, einen letzten Rest Würde zu wahren. ... Da es keine Aussicht auf Errettung gibt, zählt nur der Augenblick, der eine stille, aber existenzielle Wucht entfaltet. Subtil und feinfühlig geschrieben, mit einem atemberaubend dramatischen und herzzerreißenden Ende. Kaum zu glauben, dass dies ein Debütroman ist!" Ilija Trojanow, Buchreport, 03.08.2017
"Seine Geschichte ist so ungeheuerlich, weil sie von Kraft und Schönheit des Lebens angesichts des nahenden Todes und von Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten erzählt. Dinesh, seinen Mut, seine Zärtlichkeit und seine selbstverständliche Güte werden wir nicht vergessen." Renée Zucker, rbb Inforadio, 23.07.2017
"Inmitten all der Härte legt Anuk Arudpragasam etwas frei, das es in dieser rohen und Form selten zu entdecken gibt: Das Ringen eines Menschen um seine eigene Menschlichkeit. ... Die 220 Seiten des Romans schildern einen einzigen Tag voller extremer Ambivalenzen. Auch die Sprache changiert zwischen härtester Brutalität und zarter Poesie. Die feinfühlige Übersetzung von Hannes Meyer trägt diesem Spannungsfeld Rechnung. ... 'Die Geschichte einer kurzen Ehe' ist bestürzend, fremd, faszinierend und erschütternd zugleich. ... Eine überaus bemerkenswerte Stimme meldet sich zum ersten Mal literarisch zu Wort. Ein Buch, das einen so schnell nicht wieder loslässt." Carolin Courts, Deutschlandfunk, 17.8.2017
"Ein Meisterwerk." Simone Hamm, WDR3, 30.10.2017
"Dieses Buch ist ein ganz besonderes Epitaph, geschrieben von einem Hochbegabten, der verstehen will und sich deshalb in den Kopf eines Mannes versetzt, den er erfunden hat, um die Verheerung des Kriegs zu begreifen... Arudpragasam dringt vor an einen Punkt kreatürlicher Existenz, an dem die Wahrnehmung scharfgestellt ist, aber die Gefühle nahezu tot sind ... Ein erstaunliches Buch, zum Wiederlesen." Verena Lueken, FAZ, 27.07.2017
"Dies ist ein Roman, der wie eine Kerze in allertiefster Dunkelheit leuchtet. ... Es ist ein kostbarer, würdiger Text, vor dem man sich als Leser verneigen möchte, und das Stärkste, was man der Armseligkeit und Erbärmlichkeit des Terrors entgegensetzen kann." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 01.08.2017
"Ein eminentes Buch über die menschliche Hoffnung - und ein Debütroman, dessen vielversprechender Autor schon jetzt in der Liga eines Michael Ondaatje spielt." Claudia Kramatschek, NZZ, 13.09.2017
"Ein herausragendes und wichtiges Buch, das ohne Illusionen den verlorenen Möglichkeiten der Menschlichkeit im größten Schrecken nachspürt ... Schockierend, erdrückend und er-schütternd ist Die Geschichte einer kurzen Ehe nicht zuletzt auch wegen der literarischen Klasse, mit der Anuk Arudpragasam operiert: Was es bedeuten kann, als Zivilist zwischen Militärs zerrieben zu werden, wurde selten so eindrucksvoll beschrieben - ein Statement zu einem DER Themen unserer globalisierten Zeit." Ulrich Noller, WDR Cosmo, 20.09.2017
"Mit phänomenologischer Präzision schildert dieser junge Autor aus Sri Lanka die Mühsal, mit der mitten im Krieg ... die dringlichsten menschlichen Bedürfnisse befriedigt werden und die verzweifelten Versuche der Gehetzten und Gejagten, einen letzten Rest Würde zu wahren. ... Da es keine Aussicht auf Errettung gibt, zählt nur der Augenblick, der eine stille, aber existenzielle Wucht entfaltet. Subtil und feinfühlig geschrieben, mit einem atemberaubend dramatischen und herzzerreißenden Ende. Kaum zu glauben, dass dies ein Debütroman ist!" Ilija Trojanow, Buchreport, 03.08.2017
"Seine Geschichte ist so ungeheuerlich, weil sie von Kraft und Schönheit des Lebens angesichts des nahenden Todes und von Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten erzählt. Dinesh, seinen Mut, seine Zärtlichkeit und seine selbstverständliche Güte werden wir nicht vergessen." Renée Zucker, rbb Inforadio, 23.07.2017
"Inmitten all der Härte legt Anuk Arudpragasam etwas frei, das es in dieser rohen und Form selten zu entdecken gibt: Das Ringen eines Menschen um seine eigene Menschlichkeit. ... Die 220 Seiten des Romans schildern einen einzigen Tag voller extremer Ambivalenzen. Auch die Sprache changiert zwischen härtester Brutalität und zarter Poesie. Die feinfühlige Übersetzung von Hannes Meyer trägt diesem Spannungsfeld Rechnung. ... 'Die Geschichte einer kurzen Ehe' ist bestürzend, fremd, faszinierend und erschütternd zugleich. ... Eine überaus bemerkenswerte Stimme meldet sich zum ersten Mal literarisch zu Wort. Ein Buch, das einen so schnell nicht wieder loslässt." Carolin Courts, Deutschlandfunk, 17.8.2017
"Ein Meisterwerk." Simone Hamm, WDR3, 30.10.2017