In der Theologie der späten Psalmen sammeln sich die großen Linien alttestamentlicher Theologie wie in einem Brennspiegel. Eine zentrale Fragestellung hierbei ist die Reflexion der eigenen Geschichte, die die in der Forschung als "Geschichtspsalmen" klassifizierten Psalmen 78, 105, 106, 135 und 136 zu ihrem Thema erheben. In je spezifischer Weise konstruieren die Geschichtspsalmen die Erinnerungen der "heilvollen Urzeit" von Exodus und Landnahme, um die eigene Gegenwart im Gebet neu zu deuten. Judith Gärtner erschließt diese identitätsformierende Funktion von Geschichte im Anschluss an den kulturwissenschaftlichen Diskurs über das "kollektive Gedächtnis". Vor dem Hintergrund der aktuellen Psalmenforschung erweisen sich die Geschichtspsalmen darüber hinaus als hermeneutische Schlüsseltexte im Psalter und werden im Blick auf die Komposition und Redaktion des Psalters ausgewertet. Damit eröffnet die Autorin neue Perspektiven auf die Entstehung und die Theologie des Psalters.