Für die junge Ingeborg Bachmann und ihre Generation erwies sich die große Hoffnung nach dem Krieg auf eine Zeit des Friedens bald als trügerisch. Restauration und das vorherrschende schnelle Verdrängen und Vergessen markierten jenen Horizont, vor dem Bachmann ihre Gedichte schrieb. Die gestundete Zeit, der erste, Ende 1953 erschienene Lyrikband der 27-jährigen Autorin, erwies sich, nach verzögerter Rezeption, als repräsentativ für Erfahrungen, die das Schreiben nach 1945 bestimmten: Aufbruch und Abschied, Schuld und Gedächtnis. In der dramatischen Kraft und in den einprägsamen Bildern ihrer Lyriksprache, deren »alarmierendes, skandalöses, befremdliches, erschreckendes« Hans Werner Henze sofort erkannte, hat diese Erfahrung einen Ausdruck gefunden, der über ihre Zeit hinausreicht. Bachmanns sicheres Gefühl für den sprachlichen Gestus hat ebenso wie das vielschichtige Geschichtsbewusstsein dazu beigetragen, ihren Gedichten einen Platz in der europäischen Moderne nach 1945 zu sichern - aufgenommen auch im Werk bedeutender Bildkünstler und Komponisten wie Anselm Kiefer, Cy Twombly oder Hans Werner Henze.
Dass sich in diesen Gedichten zugleich ein 'verzweifeltes Sprechen' mit Paul Celan verbirgt, wurde erst spät entdeckt. Seit der Publikation des Briefwechsels zwischen Bachmann und Celan (Herzzeit, 2008) ist diese Lesart der Gedichte aber unabweisbar. In der nunmehr ersten kommentierten Edition von Die gestundete Zeit wird dieses Verständnis durch neue Materialien aus Bachmanns Nachlass ergänzt und vertieft.
Dass sich in diesen Gedichten zugleich ein 'verzweifeltes Sprechen' mit Paul Celan verbirgt, wurde erst spät entdeckt. Seit der Publikation des Briefwechsels zwischen Bachmann und Celan (Herzzeit, 2008) ist diese Lesart der Gedichte aber unabweisbar. In der nunmehr ersten kommentierten Edition von Die gestundete Zeit wird dieses Verständnis durch neue Materialien aus Bachmanns Nachlass ergänzt und vertieft.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger freut sich über eine kenntnisreiche Neuausgabe von Ingeborg Bachmanns Debütband, der in der Salzburger Edition ihrer Werke erschienen ist: Ausführlich zitiert er aus den Gedichten, um klarzustellen, dass "Dunkles zu sagen" war 1952, als der Band zuerst erschienen ist. Auch der Kommentarteil von Herausgeberin Irene Fußl bestärkt ihn in dieser Ansicht. Darin ist unter anderem zu lesen, wie Bachmann 1954 zum "Spiegel"-Covergirl wurde und welchen großen Einfluss Paul Celan auf sie genommen hat - das ist vor allem neu zugänglichen Dokumenten aus dem Nachlass zu verdanken, weiß der Kritiker, der über diese aufschlussreiche Edition sehr glücklich ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Diese neue kritische Edition der Gestundeten Zeit ist ebenso anregend wie lehrreich.« Helmut Böttiger Deutschlandfunk 20240514