Produktdetails
- Verlag: Hoffmann und Campe
- Seitenzahl: 478
- Abmessung: 45mm x 143mm x 215mm
- Gewicht: 704g
- ISBN-13: 9783455112030
- ISBN-10: 345511203X
- Artikelnr.: 24125548
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.1999Wenn Quatsch tatsächlich Quatsch ist
Über den Sinn und Nutzen von Managementtheorien
John Micklethwait/Adrain Wooldridge: Die Gesundbeter - Was die Rezepte der Unternehmensberater wirklich nützen. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 487 Seiten
Wenn zwei erfahrene Journalisten - John Micklethwait ist Wirtschaftsredakteur beim Londoner "Economist", Adrain Wooldridge Managementredakteur bei derselben Zeitung - darangehen, Sinn und Nutzen von Managementtheorien auseinanderzunehmen, weckt dies viele Erwartungen. Micklethwait und Wooldridge verstehen ihr Handwerk; sie schreiben anekdotenreich und informativ. Die Inhalte kommen keineswegs zu kurz, und sie geben dem Leser eine Perspektive: Damit er sich nicht durch "ungeheure Mengen an Geschwafel", nämlich das der gängigen Managementtheorien, wühlen müsse, hätten sie die wesentlichen Theorien und ihre Gurus unter die Lupe genommen. Die Autoren tun es, indem sie zunächst die Managementindustrie als solche analysieren. Dort gehe es hauptsächlich um viel Geld, das Beratergesellschaften verdienten, die Manager in den afrikanischen Busch verfrachteten, damit sie dort ihre Führungseigenschaften verfeinern könnten, und um Business-Schools, deren Lehrkräfte sich als Managementtheoretiker zu profilieren suchten. Aus beiden Bereichen generierten sich dann Buchautoren, die ihre neuesten Erkenntnisse ("Schwimm mit den Haien, ohne gefressen zu werden") für 50000 Dollar Honorar am Tag einem "großen und unkritischen Publikum" vorstellten. Die Autoren machen keinen Hehl daraus, was sie von Managementtheorien, wie Reengineering halten: ". . . zehn bis zwanzig junge Berater kreuzen in einem Unternehmen auf, entwerfen kilometerweise Ablaufdiagramme, . . . und empfehlen den Zusammenschluß von Leuten aus den unterschiedlichsten Abteilungen zu Teams". Trotz dieser griffigen Polemiken, wie es im Klappentext heißt, ist unübersehbar, daß die Autoren sauber recherchiert haben. Mit vielen Beispielen aus der Praxis (Lloyds, British Telecom, Bull) weisen sie auf die Irrwege hin, auf die Unternehmen bei strikter Befolgung gängiger Managementtheorie-Modemaschen geraten können.
Da vermutlich in kaum einer Vorstandsetage dieser Welt ein Buch von Peter Drucker oder Tom Peters fehlt, setzen sich die Autoren mit diesen beiden besonders gründlich auseinander. Drucker habe einen ausgezeichneten Intellekt; er sei der einzige Management-Vordenker, dem dieser Ehrentitel wirklich zustehe. Auch mit den Werken des Tom Peters könne man sich ruhig beschäftigen, auch wenn er sich in seinen Prognosen oft geirrt habe und manche beunruhigend substanzlos seien.
All das füllt die ersten drei Teile des Buches. Die Lektüre ist kurzweilig und unterhaltsam. Doch dann befassen sich Micklethwait und Wooldridge ernsthafter mit den aktuellen "großen Debatten" des modernen Managements. Da geht es um die Einstellung von Unternehmen zu ihrer Größe, Stärke und Struktur, um den Einsatz von Wissen, um Auswirkungen auf die Arbeitswelt und vor allem um die Rezepte der Managementtheoretiker, Veränderungen - welcher Art auch immer - zu erreichen. Die Autoren überprüfen Managementtheorien, die Megafusionen begleiten, und solche, die aus Unternehmen "lernende Organisationen" machen wollen. Sie untersuchen an vielen Beispielen, ob die verschiedenen publizierten Managementtheorien der letzten zehn Jahre (Wettlauf um die Zukunft, Managing to Survive) den Unternehmen tatsächlich dabei geholfen haben, die Zukunft steuerbar zu machen.
Natürlich fehlt auch das Thema Globalisierung in einem Ratgeber wie diesem nicht; die Autoren analysieren die Anstrengungen nationaler Unternehmen, global zu agieren, und stellen erfolgreiche Strategien transnationaler Gesellschaften sowie die weniger erfolgreichen Konzepte der Managementberater, die Globalisierung zu bewältigen, vor. Angetan sind Micklethwait und Wooldridge offenbar von der Fähigkeit japanischer Manager, sich zu wandeln, ohne einfach nur westliche Züge anzunehmen. Von den Japanern, meinen die Autoren, könnten westliche Manager noch einige Tricks in Sachen Kostensenkung und Wissensmanagement lernen.
Die im letzten Kapitel beschriebenen Ambitionen der Politiker, Managementtheorien auch im öffentlichen Dienst umzusetzen, sind insofern interessant, als hier zu erfahren ist, daß sich die Clinton-Regierung dem Total Quality Management verschrieben hat und daß in dänischen oder kanadischen Behörden der Kunde König zu sein hat. Das ist nach Meinung der Autoren eine einzigartige Chance für Berater, Produkte und Theorien, die sie schon einmal teuer an die freie Wirtschaft verkauft haben, ein zweites Mal zu gesalzenen Preises an den Mann zu bringen. Nicht jede Managementtheorie, lautet das Fazit der Autoren, sei bar jeglichen intellektuellen Gehalts. Um den passenden, seriösen Gesundbeter zu finden, müsse der Manager nur einige Faustregeln beherzigen. Eine davon laute: "Alles, was auf Sie wie Quatsch wirkt, ist höchstwahrscheinlich welcher." GABRIELE HERMANI
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über den Sinn und Nutzen von Managementtheorien
John Micklethwait/Adrain Wooldridge: Die Gesundbeter - Was die Rezepte der Unternehmensberater wirklich nützen. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 487 Seiten
Wenn zwei erfahrene Journalisten - John Micklethwait ist Wirtschaftsredakteur beim Londoner "Economist", Adrain Wooldridge Managementredakteur bei derselben Zeitung - darangehen, Sinn und Nutzen von Managementtheorien auseinanderzunehmen, weckt dies viele Erwartungen. Micklethwait und Wooldridge verstehen ihr Handwerk; sie schreiben anekdotenreich und informativ. Die Inhalte kommen keineswegs zu kurz, und sie geben dem Leser eine Perspektive: Damit er sich nicht durch "ungeheure Mengen an Geschwafel", nämlich das der gängigen Managementtheorien, wühlen müsse, hätten sie die wesentlichen Theorien und ihre Gurus unter die Lupe genommen. Die Autoren tun es, indem sie zunächst die Managementindustrie als solche analysieren. Dort gehe es hauptsächlich um viel Geld, das Beratergesellschaften verdienten, die Manager in den afrikanischen Busch verfrachteten, damit sie dort ihre Führungseigenschaften verfeinern könnten, und um Business-Schools, deren Lehrkräfte sich als Managementtheoretiker zu profilieren suchten. Aus beiden Bereichen generierten sich dann Buchautoren, die ihre neuesten Erkenntnisse ("Schwimm mit den Haien, ohne gefressen zu werden") für 50000 Dollar Honorar am Tag einem "großen und unkritischen Publikum" vorstellten. Die Autoren machen keinen Hehl daraus, was sie von Managementtheorien, wie Reengineering halten: ". . . zehn bis zwanzig junge Berater kreuzen in einem Unternehmen auf, entwerfen kilometerweise Ablaufdiagramme, . . . und empfehlen den Zusammenschluß von Leuten aus den unterschiedlichsten Abteilungen zu Teams". Trotz dieser griffigen Polemiken, wie es im Klappentext heißt, ist unübersehbar, daß die Autoren sauber recherchiert haben. Mit vielen Beispielen aus der Praxis (Lloyds, British Telecom, Bull) weisen sie auf die Irrwege hin, auf die Unternehmen bei strikter Befolgung gängiger Managementtheorie-Modemaschen geraten können.
Da vermutlich in kaum einer Vorstandsetage dieser Welt ein Buch von Peter Drucker oder Tom Peters fehlt, setzen sich die Autoren mit diesen beiden besonders gründlich auseinander. Drucker habe einen ausgezeichneten Intellekt; er sei der einzige Management-Vordenker, dem dieser Ehrentitel wirklich zustehe. Auch mit den Werken des Tom Peters könne man sich ruhig beschäftigen, auch wenn er sich in seinen Prognosen oft geirrt habe und manche beunruhigend substanzlos seien.
All das füllt die ersten drei Teile des Buches. Die Lektüre ist kurzweilig und unterhaltsam. Doch dann befassen sich Micklethwait und Wooldridge ernsthafter mit den aktuellen "großen Debatten" des modernen Managements. Da geht es um die Einstellung von Unternehmen zu ihrer Größe, Stärke und Struktur, um den Einsatz von Wissen, um Auswirkungen auf die Arbeitswelt und vor allem um die Rezepte der Managementtheoretiker, Veränderungen - welcher Art auch immer - zu erreichen. Die Autoren überprüfen Managementtheorien, die Megafusionen begleiten, und solche, die aus Unternehmen "lernende Organisationen" machen wollen. Sie untersuchen an vielen Beispielen, ob die verschiedenen publizierten Managementtheorien der letzten zehn Jahre (Wettlauf um die Zukunft, Managing to Survive) den Unternehmen tatsächlich dabei geholfen haben, die Zukunft steuerbar zu machen.
Natürlich fehlt auch das Thema Globalisierung in einem Ratgeber wie diesem nicht; die Autoren analysieren die Anstrengungen nationaler Unternehmen, global zu agieren, und stellen erfolgreiche Strategien transnationaler Gesellschaften sowie die weniger erfolgreichen Konzepte der Managementberater, die Globalisierung zu bewältigen, vor. Angetan sind Micklethwait und Wooldridge offenbar von der Fähigkeit japanischer Manager, sich zu wandeln, ohne einfach nur westliche Züge anzunehmen. Von den Japanern, meinen die Autoren, könnten westliche Manager noch einige Tricks in Sachen Kostensenkung und Wissensmanagement lernen.
Die im letzten Kapitel beschriebenen Ambitionen der Politiker, Managementtheorien auch im öffentlichen Dienst umzusetzen, sind insofern interessant, als hier zu erfahren ist, daß sich die Clinton-Regierung dem Total Quality Management verschrieben hat und daß in dänischen oder kanadischen Behörden der Kunde König zu sein hat. Das ist nach Meinung der Autoren eine einzigartige Chance für Berater, Produkte und Theorien, die sie schon einmal teuer an die freie Wirtschaft verkauft haben, ein zweites Mal zu gesalzenen Preises an den Mann zu bringen. Nicht jede Managementtheorie, lautet das Fazit der Autoren, sei bar jeglichen intellektuellen Gehalts. Um den passenden, seriösen Gesundbeter zu finden, müsse der Manager nur einige Faustregeln beherzigen. Eine davon laute: "Alles, was auf Sie wie Quatsch wirkt, ist höchstwahrscheinlich welcher." GABRIELE HERMANI
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