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Harriett Burden war als Gattin eines einflussreichen New Yorker Galeristen immer nur die Frau an der Seite eines berühmten Mannes. Als Witwe wagt sie nun ein raffiniertes Experiment: Sie versteckt sich und ihr Talent als Installationskünstlerin hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher Künstler. Doch der Deal droht zu platzen, als einer der Männer ihr Rollenspiel durchkreuzt. Und schon ist man mittendrin in den Machenschaften des Kunstbetriebs, in einer Welt von Gier, Vorurteilen, Ruhm und Geld. Ein mutiges, schillerndes Meisterwerk, das alle großen Themen Siri Hustvedts aus Literatur, Kunst, Psychologie und Naturwissenschaften versammelt.…mehr

Produktbeschreibung
Harriett Burden war als Gattin eines einflussreichen New Yorker Galeristen immer nur die Frau an der Seite eines berühmten Mannes. Als Witwe wagt sie nun ein raffiniertes Experiment: Sie versteckt sich und ihr Talent als Installationskünstlerin hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher Künstler. Doch der Deal droht zu platzen, als einer der Männer ihr Rollenspiel durchkreuzt. Und schon ist man mittendrin in den Machenschaften des Kunstbetriebs, in einer Welt von Gier, Vorurteilen, Ruhm und Geld.
Ein mutiges, schillerndes Meisterwerk, das alle großen Themen Siri Hustvedts aus Literatur, Kunst, Psychologie und Naturwissenschaften versammelt.

Autorenporträt
Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Bislang hat sie sieben Romane publiziert. Mit 'Was ich liebte' hatte sie ihren internationalen Durchbruch. Zuletzt erschienen 'Die gleißende Welt' und 'Damals'. Zugleich ist sie eine profilierte Essayistin. Bei Rowohlt liegen von ihr die Essaybände 'Nicht hier, nicht dort', 'Leben, Denken, Schauen', 'Being a Man', 'Die Illusion der Gewissheit'  und 'Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen' vor. Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.
Rezensionen
Brillant. Süddeutsche Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2015

Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?

Siri Hustvedts großer Roman "Die gleißende Welt" erzählt von einer New Yorker Künstlerin, die sich gegen die Zuschreibungen des Kunstbetriebs mit einem raffinierten Experiment zur Wehr setzt.

Den Namen von Harriet Burden, der Hauptfigur aus Siri Hustvedts neuem Roman, wird man sich merken. Der Grund dafür ist der folgende: Es gibt zwei Arten von guten Romanen. Solche, die durch ihre Sprache und die Geschichte bestechen, die den Leser mitreißen, einen Sog entwickeln und uns die Welt vergrößern. Und dann gibt es solche Romane, die alles das auch können, aber darüber hinaus einen Typus erschaffen, eine exemplarische Person. Nach Lektüre dieser Romane wird die Vorstellung, dass es vorher eine Welt gegeben haben soll, in der diese Menschen noch nicht lebten, fast abwegig. Tom Ripley, Patricia Highsmiths getriebener Mörder, ist so eine Person. Elizabeth Costello, J. M. Coetzees tierrechtsbewegte Schriftstellerin, eine weitere. Und von nun an gibt es einen neuen unvergesslichen Charakter: Harriet Burden.

Wer ist Harriet Burden? Harriet Burden ist Künstlerin, Bildhauerin im weitesten Sinne. Sie baut lebensgroße Puppen, manchmal sogar Räume dazu. Mit ihren Werken hat Burden lange Zeit wenig Erfolg. In der New Yorker Kunstszene ist sie trotzdem und eher unfreiwillig keine Unbekannte. Verheiratet ist sie nämlich mit einem eleganten Kunsthändler, Felix Lord, mit dem sie zwei Kinder hat, die inzwischen erwachsen sind. Lord liegt die Welt zu Füßen, bei Dinnerpartys hängen Gastgeber und Gäste an seinen Lippen. Seine Geschäfte laufen gut, er kann wie König Midas alles in Gold verwandeln - mit Ausnahme der Kunst seiner Frau. "Er konnte mir nicht helfen", verteidigt ihn Harriet Burden gegen die Anfeindungen ihres späteren Geliebten, eines Schriftstellers. Er lernt Harriet Burden nach dem Tod ihres Mannes kennen, eifersüchtig ist er trotzdem. Siri Hustvedt lässt den Schriftsteller schreiben: "Felix Lord und seine Knete, seine Kunst und sein Sexleben glühten noch wie eine vergessene Zigarette in einem dieser gottverdammten Kristallaschenbecher, die Harry aus ihrem früheren Leben auf der hochnäsigen Upper East Side um sich behielt."

Harriet Burden nimmt ihren Mann in Schutz. Ansonsten aber will sie Rache. Sie entwickelt einen Plan, der wie ein psychologisches Experiment beginnt. Ihr Labor ist die New Yorker Kunstszene, die Galeristen, Kritiker, Kunsthistoriker und Sammler, die sie hasst, weil sie sich von ihnen gedemütigt fühlt. Harriet Burden ist eine große, häufig wütende und unkontrollierte Frau, sie ist vor allem aber klug, geistreich und belesen. Sie kennt die Kunstgeschichte und auch das Schicksal vieler Künstlerinnen, denen nur aus einem Grund das Leben und Arbeiten schwergemacht wurde: weil sie Frauen waren. In ihr Tagebuch notiert Burden: "Artemisia Gentileschi, von der Nachwelt geringgeschätzt, ihr bestes Werk ihrem Vater zugeschrieben. Judith Leyster, zu ihrer Zeit bewundert, dann ausgelöscht. Ihr Werk Frans Hals zuerkannt. Camille Claudels Ansehen ganz von Rodins verschluckt. Dora Maars großer Fehler: Sie schlief mit Picasso, eine Tatsache, die ihre brillanten surrealistischen Fotos auslöscht."

Was tun? Burden beschließt, der Kunstwelt eine Falle zu stellen. Sie hört auf, ihre Arbeiten unter dem eigenen Namen auszustellen. Stattdessen engagiert sie drei männliche Künstler, die Burdens Arbeiten als die eigenen ausgeben sollen, bis sie den Schwindel aufdeckt. "Es werden drei sein, genau wie im Märchen." Die Künstler sind dabei so jung, dass sie Burdens Söhne sein könnten. Zweimal scheint alles gut zu laufen. Die jungen Männer scheinen die perfekten Köder für die Kunstwelt zu sein.

Die Autorin Siri Hustvedt ist mindestens in einer Hinsicht ein Alter Ego ihrer Romanfigur: Sie ist ebenso belesen wie die Künstlerin, und wie in ihrem Buch "Die zitternde Frau. Eine Geschichte meiner Nerven" gibt es auch hier Fußnoten. Niemand steigt dabei so elegant in den Fußnotenkeller hinab wie die amerikanische Erzählerin, deren neuester Roman einem Haus mit vielen Stockwerken, Zwischengeschossen, Treppenhäusern und Eingängen gleicht. In jedem Zimmer dieses Gebäudes verbergen sich weitere Geschichten, klassische, unbekannte, schöne oder traurige. Der Titel etwa "Die gleißende Welt" stammt von einem Buch aus dem siebzehnten Jahrhundert, einem utopischen Roman von Margaret Cavendish, der Duchess of Newcastle. Diese Herzogin trug manchmal Männerkleider, sie war eine Intellektuelle, eine, wie es bei Hustvedt heißt, "bartlose Überraschung". Dafür wurde sie verachtet. Der einflussreiche Samuel Pepys, dessen literarisches Tagebuch seinen Nachruhm bis heute begründet, fertigte sie als "verrückte, eingebildete, lächerliche Frau" ab. Harriet Burden erzählt davon in ihrem Tagebuch, jede Seite öffnet auch hier eine weitere Tür, zur Geschichte, Literatur, Kunst - oder zum Mythos. Denn Harriet Burden ist natürlich auch ein weiblicher Pygmalion, ein maßloser noch dazu. Statt einer Galatea schafft sie drei Kunstfiguren. Als Marionetten glaubt sie zunächst die männlichen Künstler loszuschicken, bis sie der New Yorker Kunstbetrieb zum Leben erweckt. Kann das gutgehen?

Die Spannung, die sich daraus ergibt, dass der Leser zum Zeugen eines Experiments mit offenem Ausgang wird, ist nur eine Stärke dieses klugen und bewegenden Romans. "Ich lebte in einem Thriller", schreibt Burden. Das Ende soll deshalb auch hier nicht verraten werden.

Zugleich hat Hustvedt mit der Geschichte von Harriet Burden aber auch eine Parabel geschaffen. Sie lebt von mehr als nur der Frage, ob Burdens Plan aufgeht. Die Künstlerin nämlich teilt - wie sich herausstellt - den Schmerz vieler Personen, denen sie im Verlauf des Buchs begegnet. Fast alle leiden daran, nicht das sein zu dürfen, was sie sich wünschen, nur eine Rolle zu erhalten, nur mit einer Stimme sprechen zu dürfen. Harriet Burdens Fall ist von Beginn an klar: Sie ist eine Frau, zu alt, zu groß, zu wuchtig und laut, um als Künstlerin ernst genommen zu werden, geschweige denn erfolgreich zu sein. Sie hasst die Person, zu der man sie machen will, die stille Ehefrau, die endlich aufhört, ein Atelier zu betreiben und alles besser zu wissen. Zu Beginn glaubt sie sich damit allein, im Verlauf ihres Experiments lernt sie mehr und mehr, dass es vielen anderen ebenso geht. Sie sind nicht das, wofür sie gehalten werden, sie dürfen nicht sein, wer sie sein wollen. Auch Felix Lord hat ein Geheimnis. "Ganze Völkerstämme", heißt es im Buch, "hausen in einer Person."

Wenn Glück ist, nicht nur eine Person sein zu dürfen, sondern viele, dann muss dieser Roman Siri Hustvedt zu einer sehr glücklichen Person gemacht haben. Sie erzählt die Geschichte nämlich nicht mit einer Stimme. Zu Wort kommt neben Harriet Burden unter anderen die Tochter, der Sohn, der Liebhaber, ein sehr sprachgewandter und ätzender New Yorker Kunstkritiker, die Künstler natürlich, die Burden anheuert; außerdem eine Galeristin und ein Galerist, Freunde, Bekannte. Herausgeber dieser Zeugnisse und Dokumente ist "Professor Hess", eine Person, deren Geschlecht wir nicht erfahren, nur den Beruf: Sie hat eine Professur für Ästhetik.

Professor Hess schreibt auch die Einleitung dieses Romans. Wer danach befürchtet, ein Buch, das eine fiktive Person herausgibt und in dem dann viele weitere ihre Version der Geschichte erzählen, könnte zu kompliziert, zu ausgedacht sein, muss nur eine einzige Seite weiterlesen. Für jeden Charakter findet Hustvedt eigene Stimmen - wütende und dunkle, arrogante, verlogene, bissige, wohlwollende, ratlose oder einfühlsame. Niemand wird bloßgestellt, auch wenn die Geschichte ein klares Ende nimmt und sich ganz und gar nicht in einem postmodernen Labyrinth auflöst.

Ein Höhepunkt sind im Übrigen die sehr lustigen Kunstkritiken. Das Magazin "Art Assembly" gerät ins Schwärmen, als Burden ihre Installation mit dem Titel "Die Erstickungsräume" unter einem Männernamen ausstellt. Der Applaus klingt so: "Die aufeinander folgenden realen Umgebungen können einem einen ganz schönen Schlag versetzen, der letztlich subversiver ist als der von Bourriaud verfochtene, gefällige Relationismus." Genau.

Wenn Glück also darin besteht, mit vielen Stimmen sprechen zu dürfen, dann teilt Hustvedt dieses Glück mit ihren Lesern. Von der ersten bis zur letzten Seite. Bis zu dem überraschenden Entschluss, wem sie das letzte Wort erteilt.

JULIA VOSS

Siri Hustvedt: "Die gleißende Welt". Roman.

Aus dem Englischen von Uli Aumüller. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015. 496 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.05.2015

Den König
spielen
immer die
anderen
Siri Hustvedts
brillanter Roman
„Die gleißende Welt“
über eine New Yorker
Künstlerin, die den
Kunstbetrieb trickreich
entlarven will
VON MEIKE FESSMANN
Monsters at Home“ war einmal der Arbeitstitel des neuen Romans von Siri Hustvedt, und er hat in der Tat etwas Monströses. Angelegt als Sammelband über die fiktive Künstlerin Harriet Burden (1940-2004), ist er eine Art Performance in Romanform. „Die gleißende Welt“ („The Blazing World“), wie er nun heißt, war schon der Titel eines utopischen Romans von Margaret Cavendish, einer erst durch den Feminismus entdeckten Schriftstellerin und Philosophin des 17. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten von Samuel Pepys geschmäht, hoffte sie tapfer auf den Nachruhm.
  Um Fragen des Ruhmes und der Anerkennung geht es auch im sechsten Roman der 1955 in Minnesota geborenen Siri Hustvedt, die ihrem lange Zeit berühmteren Gatten, dem New Yorker Schriftsteller Paul Auster, so langsam den Rang abläuft. Bereitwillig stellt er sich bei ihren Lesungen als Gesprächspartner zur Verfügung und fragt sie, mit ironischer Unbedarftheit, lauter Dinge, die er eigentlich weiß. Oder er sitzt bei einer Buchpräsentation im Publikum und hebt als einer der wenigen anwesenden Männer brav die Hand, von der Gattin mit einem charmanten „Paul“ ermuntert – clownesker Schauspieler einer Ehe, die längst so etwas wie das symbolische Kapital beider Schriftsteller geworden ist. Das muss man können, und sie können es.
  Siri Hustvedt, deren Eltern aus Norwegen stammen, und Paul Auster sind ein intellektuelles Glamour-Paar, dessen Zusammenspiel zu beiderseitigem Nutzen den Wert ihrer literarischen Aktien erhöht. In seinem autobiografischen Buch „Winterjournal“ hat Auster jüngst die Intelligenz seiner Frau mit den Worten gepriesen, Intelligenz sei die einzige menschliche Eigenschaft, die sich nicht vortäuschen lasse. Sie kann sich also nicht beklagen. Und doch ist die fehlende männliche Anerkennung der Basso continuo ihres Werks, ob es nun die Romane betrifft oder die in mehreren Bänden gesammelten Essays.
  Harriet Burden, die Heldin des in der New Yorker Kunstszene rund um den 9/11-Schock spielenden Romans, ist eine lebensnahe und zugleich ans Mythische rührende Figur: hoch gewachsen (wie die Autorin), mit wildem lockigem Haar – und einem Zorn im Leib, der fast noch größer ist als die Trauer um ihren verstorbenen Mann. Der trug den ebenfalls sprechenden Namen Felix Lord, war zweiundzwanzig Jahre älter als sie, dafür dreißig Zentimeter kleiner, ein überaus erfolgreicher Kunsthändler, dem jeder nach dem Munde redete. Harriet Burden fühlt sich verkannt. Was liegt da näher, als den Tod des geliebten Mannes nicht nur durch die Nachbildung seiner Gestalt in Form einer beheizten Stoffpuppe zu sublimieren, sondern es der Welt endlich zu zeigen? Sie will Anerkennung, sie will Ruhm! Aber sie will auch verstanden werden.
  Es ist ein ziemlich widersprüchliches Projekt, das Siri Hustvedt ihrer Heldin auf den Leib schneidert. Harriet Burden will beweisen, dass sie nur deshalb verkannt wurde, weil sie eine Frau ist, und sie will mit eben diesem Beweis brillieren. Also engagiert sie drei männliche Künstler, die sich als Schöpfer ihrer Werke ausgeben sollen. Ganz am Ende des „Metamorphosen“ genannten Projekts, das sich über Jahre erstreckt und in drei Einzelausstellungen gezeigt wird, will sie mit triumphaler Geste enthüllen, dass sie es war, die alles erschaffen hat. Ihr Ruhm, so stellt sie es sich vor, wird grenzenlos sein, aber auch die Demütigung, die sie jenen zufügt, die nicht erkannt haben, dass sich hinter den männlichen Masken eine Frau verbirgt. Doch alles läuft anders als erhofft.
  Mit geradezu besessener Genauigkeit fängt der Roman ein, wie etwas in dem Moment zu verschwinden beginnt, in dem Frauen danach greifen: eine irgendwie glaubhafte Konzeption von Ruhm. Harriet Burden ist eine tragikomische Übergangsfigur, die der Roman schillernd und listig in Szene setzt, als großes Spektakel weiblicher Wunschvorstellungen und als kluges Experiment subtiler Selbstsabotage. Die Formidee ist absolut überzeugend. Sie präsentiert Leben und Werk ihrer Hauptfigur als Anthologie mit Herausgeberfiktion und versammelt ganz unterschiedliche Stimmen und Textsorten: die nach einem nicht zu entschlüsselnden System mit den Buchstaben des Alphabets gekennzeichneten Notizbücher der Künstlerin – ausgerechnet „I“, im Englischen das Personalpronomen der ersten Person, fehlt –, Interviews mit Kunstkritikern und ihren Assistenten, Erinnerungen ihres späten Liebhabers und ihrer Tochter, die eine Dokumentation über sie drehte, literarische Texte ihres Sohnes und Berichte ihrer besten Freundin, die eine ziemlich heitere Psychiaterin und Psychoanalytikerin ist.
  Die lockere Form lässt nicht nur der Ambiguität großen Raum, sondern sie bezieht den Leser äußerst gewieft in das Experiment mit ein. Der zentrale Gedanke Harriet Burdens ist durch Studien belegt und nicht unbedingt originell. Man neigt dazu, ihn spontan zu bestreiten: dass wir Kunstwerke oder auch Essays anders wahrnehmen, je nachdem, ob wir eine Frau oder einen Mann dahinter vermuten. Doch irgendwann ertappt man sich beim Lesen, dass die dem etwas raubeinigen Liebhaber Bruno Kleinfeld zugeordneten Texte, die im Stil eines Walt Whitman verehrenden, gescheiterten Dichters geschrieben sind, tatsächlich eine männliche Autoren-Persona erzeugen. Dabei stammen sie ebenso aus der Feder Siri Hustvedts wie die mit kunsthistorischen Checker-Begriffen nur so um sich werfenden Texte des Kunstkritikers Oswald Case, der eine Biografie über Rune geschrieben hat, den dritten und letzten Künstler, den Burden als Maske engagierte.
  Nachdem sich Rune für die von ihr ersonnene Installation feiern ließ, befördert er sich, noch bevor sie ihre Urheberschaft beweisen kann, in den Künstler-Himmel: bei laufenden Kameras kommt er in seiner eigenen Installation ums Leben. Das ist eine weit größere Sensation, die einen riesigen Diskursschweif nach sich zieht, als die Enthüllung einer alternden Künstlerin, dass sie die Werke erschaffen hat, die sie von jungen Männern repräsentieren ließ.
  Die Absurditäten eines Kunstbetriebs, der gigantische Werte erzeugt, um Kunst-werke als Spekulationsobjekte zu benützen, streift Hustvedt nur am Rande. In Hinsicht auf den Kunstmarkt ist „Die gleißende Welt“ eher ein Museum, das weibliche Künstlerinnen besonders hell anstrahlt, als eine Darstellung neuester Entwicklungen. Doch der Roman illuminiert Wahrheiten, die Siri Hustvedt in einem ihrer brillanten Essays, die stets aus der Ich-Perspektive geschrieben und mit autobiografischen Details verbunden sind, nicht so objektiv darstellen könnte, selbst wenn sie, wie auch in ihrem mit zahlreichen Anmerkungen gespickten Roman, ausführlich über Psychoanalyse, Philosophie, Neurowissenschaften oder Künstliche Intelligenz spricht.
  Dass sich Anerkennung nicht erzwingen lässt und Ruhm erst recht nicht, das ist es, was Siri Hustvedts Heldin übersieht. Es sind immer die anderen, die Anerkennung geben oder Ruhm zusprechen, mögen die eigenen Anstrengungen auch noch so groß sein. Weil beides nicht nur auf Leistung beruht und die Verfügungsgewalt des Subjekts übersteigt, handelt es sich um umso verlockendere Zuschreibungen, je erschöpfter das Selbst von seinen eigenen Optimierungsversuchen ist.
  Gleichzeitig kann, wo Ruhm massenhaft beansprucht wird, das Konzept nicht mehr aufgehen. Man denke an Andy Warhols Wort vom fünfzehnminütigen Ruhm eines jeden. Als „das über den normalen Lebenskreis hinausreichende Ansehen eines Menschen“, definiert der Brockhaus von 1984 den Ruhm in schöner Schlichtheit. Längst haben Frauen den engen Lebenskreis, der ihnen früher zugestanden wurde, verlassen. Doch der überzeitliche Ruhm, der das eigene Leben übersteigt, wird eine zunehmend absurde Vorstellung. In einer Welt, in der Künstler ihr Image marktgerecht ausformen und von jedem Durchschnittsmenschen unvorstellbare Mengen an Daten und Abbildungen zirkulieren, ist Ruhmsucht grotesker denn je. Trotz ihres brillanten Romans will Siri Hustvedt nicht ganz davon lassen.
Siri Hustvedt: Die gleißende Welt. Roman. Aus dem Englischen von Uli Aumüller. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015. 496 Seiten, 22,95 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Die Heldin will berühmt
werden mit dem Beweis, warum
sie nicht berühmt ist
In Zeiten des Minutenruhms
via Youtube wirkt die Idee des
Nachruhms beinahe grotesk
Alle intellektuellen
und künstlerischen
Unterfangen, sogar Witze,
ironische Bemerkungen
und Parodien,
schneiden besser ab,
wenn die Menge weiß,
dass sie dahinter
einen Schwanz oder ein
paar Eier ausmachen
kann.“
So langsam läuft die 1955 in Minnesota geborene Schriftstellerin Siri Hustvedt ihrem berühmten Mann Paul Auster den Rang ab.
Foto: picture alliance/dpa
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Hustvedts größter Triumph in diesem Buch ist nicht die Diskussion der Geschlechterfrage, sondern dass wir mit jedem einzelnen Charakter mitfühlen. Dies ist ein muskulöses Buch, und genügend von diesen Muskeln sitzen im Herzen. The Boston Globe