Macaulays Glanz der Prosa und Klarheit der Darstellung kommen hier voll zur Geltung. Er ist in seinem liberalen Denken, in der Betonung des Intellektuellen und in seinem Glauben an den Fortschritt deutlich ein Zeitgenosse des Utilitarismus. Seine Methoden entsprechen zwar noch nicht ganz der exakten modernen Geschichtsforschung - er geht von vorgefaßten Thesen aus und läßt die eigenen Sympathien und Antipathien Einfluß auf das dargebotene Geschichtsbild gewinnen -, doch werden diese Unzulänglichkeiten des Historikers zu Vorzügen des Künstlers Macaulay. Die Anschaulichkeit, mit der er die Atmosphäre einer vergangenen Zeit lebendig werden läßt, seine tiefe psychologische Einsicht, vor allem aber der meisterhafte Aufbau und die Beherrschung aller Stilmittel vom rhetorischen Schwung zur Prägnanz kurzer epigrammatisch zugespitzter Sätze machen seine Torso gebliebene 'Geschichte Englands' zu einem Markstein der englischen Geschichtsschreibung.
Macaulays Geschichte von 1688 enthielt eine Botschaft für 1848
Als Frankreich das zweihundertjährige Jubiläum seiner Großen Revolution feierte, reagierte Margaret Thatcher bekanntlich unterkühlt. Ihr Land müsse sich an der stolzen Erinnerung an einen gewaltsamen Umsturz mit nachfolgender Terreur nicht beteiligen. Das historisch privilegierte England könne vielmehr auf ein Ereignis seiner Geschichte zurückblicken, das Fortschritt, Kontinuität und Wohlstand brachte und gewährleistete: die "Glorious Revolution" von 1688. Damit griff ausgerechnet eine Tory-Politikerin das Credo der Whigs auf, wie Thomas Babington Macaulay es in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts formuliert hatte. Generationen von Historikern hatten sich in ihrem Bild von der britischen Geschichte im Zeichen des optimistischen und erfolgsorientierten Whiggismus auf Macaulay berufen. Sein Großneffe George Macaulay Trevelyan verwaltete bis 1962 Macaulays geistiges Erbe und führte in seinen Büchern thematisch und konzeptionell fort, was der früh verstorbene Macaulay als Fragment hinterlassen hatte. Keinem noch so kritischen Gegner gelang es, die Ideen der Whig-Historie aus den Geschichtsbüchern gänzlich zu verdrängen. Der politische Sieg der Revolutionäre von 1688 warf lange historiographische Schatten.
Während Macaulay die ersten beiden Bände seiner "Geschichte Englands" veröffentlichte, protestierten die Achtundvierziger in den europäischen Hauptstädten und bedrohte der Chartismus die englischen Oberschichten. Zwei weitere Bände erschienen 1855, den fünften gab seine Schwester 1861 postum heraus. Der liberale Parlamentsabgeordnete für Edinburgh wollte zeigen, wie nationale Stabilität und politische Versöhnung möglich geworden waren. In England hatte es einen Umsturz gegeben, der nicht in Zerstörung umgeschlagen war. Der Fortschritt der Zivilisationsgeschichte garantierte den Erfolg der Nationalgeschichte. Diese war ihrem Wesen nach protestantisch, die "Glorreiche Revolution" bedeutete den Sieg über den Katholiken Jakob II., und so schrieb die Whig-Historiographie anglo-zentrierte Geschichte. Die Ereignisse von 1688 hatten zwar die enge Verflechtung der englischen Geschichte mit der irischen und schottischen gezeigt, sie hatten aber auch die Vorherrschaft des Südens zementiert.
Macaulay zufolge hatte die Revolution von 1688 die Krone mit dem Parlament versöhnt, so wie die Reform von 1832 das Parlament mit der Nation in Einklang brachte. Das waren die Eckdaten für seine "Geschichte Englands", doch schließlich stellt Macaulay nicht mehr als die letzten fünfzehn Jahre des siebzehnten Jahrhunderts dar und endete mit dem Tod Wilhelms III. 1702. Kein anderes Werk der englischen Geschichtsschreibung hat so viel Aufsehen erregt; keines hat seinen Verfasser innerhalb kurzer Zeit so wohlhabend gemacht. William Gladstones Biograph Morley stellte einige Jahrzehnte nach dem Erscheinen von Macaulays Werken fest, diese seien, ob in der Heimat oder in den Kolonien, in jedem Bücherregal zwischen Shakespeare und der Bibel zu finden.
Da der Bewunderer der Stilkunst von Walter Scott die Historie nicht nur als Lehrmeisterin des Lebens, sondern auch als Muse begriff, übertraf seine Popularität selbst die von David Hume und Edward Gibbon. Als sich Macaulay anschickte, eine "Englische Geschichte" zu verfassen, hatte er sich aus dem politischen und öffentlichen Leben zurückgezogen; nur noch gelegentlich hielt er Reden im Parlament. Seine Geschichtsschreibung hatte aber deutlich von seiner ehemaligen politischen Tätigkeit profitiert: Die historischen Essays über Robert Clive und Warren Hastings, die seinen Ruhm begründeten, waren kurz nach seiner Rückkehr aus Indien entstanden, wo Macaulay zwischen 1834 und 1838 die Funktion eines Justizministers ausgeübt hatte. Sein Zugang zur Geschichte war die praktische Politik, und das galt auch umgekehrt. Seiner Meinung nach hatte der beste Politiker Geschichte studiert, der beste Historiker aktive Politik betrieben. Von politischer Theorie hielt er wenig. John Lockes "Two Treatises of Government", die der Nachwelt meist als philosophisches Fundament der "Glorreichen Revolution" erschienen, kommen in der "Geschichte Englands" gar nicht zur Sprache.
Das Essayistische ist das Charakteristische an Macaulays Stil, ob im kleinen oder großen Text. Und ebenso besticht immer wieder seine Rhetorik, die aus der umfassenden "Geschichte Englands" so etwas wie eine Sammlung fesselnder Vorträge macht. Das mußte selbst einer seiner größten Kritiker, Lord Acton, Ende des neunzehnten Jahrhunderts anerkennen, der von der Vorbildhaftigkeit des deutschen Historismus für die englische Geschichtsschreibung überzeugt war. Acton erklärte, Macaulay habe zwar seine geradezu dogmatischen Vorurteile nicht verbergen können sowie wenig von außerbritischer Geschichte, Diplomatie, Religion und Philosophie verstanden, doch sei er ohne Zweifel der bedeutendste englische Autor gewesen. Auch Leopold von Ranke bewunderte Macaulays Quellenkenntnis, die sich dieser aus gedruckten und ungedruckten, privaten und öffentlichen, literarischen und politischen Sammlungen erwarb. Zudem schilderte Macaulay die Schauplätze der englischen Geschichte nach persönlicher Anschauung.
Kein Wunder also, daß die "Geschichte Englands" rasch in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt wurde. Schon 1850 besorgte Friedrich Bülau eine deutsche Übersetzung, 1863 erschien die erste illustrierte deutsche Ausgabe von Wilhelm Beseler mit zweihundert Porträts, und 1870 gab Bernhard Schmitz einen Macaulay-Kommentar heraus. Leider verzichtet Robert Schneebeli als Herausgeber und Übersetzer dieser neuen Auswahl aus Macaulays Werk in seinem Nachwort nicht nur auf eine Erklärung von Auswahlkriterien, Textgrundlage und Übersetzungsfragen, sondern auch auf eine genauere Editionsgeschichte, obwohl gerade diese sehr viel hergeben würde. In England erschienen unentwegt Auszüge, nicht selten über die Revolution, öfter aber mit dem berühmten, kulturhistorisch interessanten dritten Kapitel über das Jahr 1685. Gleichzeitig wurde Macaulay von weltlicher wie von geistlicher Seite schon zu Lebzeiten scharf angegriffen: 1849 wurde eine Schrift zur Verteidigung William Penns verfaßt, die Macaulays ungerechte Beurteilung des Quäkers zurechtrückte, und im gleichen Jahr mußte er einen ausführlichen Disput mit dem Bischof von Exeter durchstehen, der die Darstellung der Anglikanischen Kirche kritisierte.
Wenn Schneebeli sagt, Macaulay habe sich nicht in literarische Kontroversen verwickelt, weil er sich schon im Parlament habe genug streiten müssen, stimmt das nicht wirklich mit der Rezeptionsgeschichte überein. Die bekannteste und unerbittlichste Kritik stammt von Johann Paget. Es kommt nicht von ungefähr, daß Winston Churchill, der seinen Vorfahren Marlborough bei Macaulay allzu negativ beschrieben fand, nicht nur eine eigene Biographie des Herzogs verfaßte, sondern auch eine Neuauflage von Pagets Buch 1934 mit einer persönlichen Einleitung versah. Schneebelis Urteil über Macaulays grundsätzliche Sympathie mit seinen historischen Gestalten und über sein psychologisches Einfühlungsvermögen ist vielleicht zu versöhnlich. Die Freude über die flüssige und mit informativen Anmerkungen versehene Übersetzung schmälern solche Erwägungen nicht. BENEDIKT STUCHTEY.
Thomas B. Macaulay: "Die Glorreiche Revolution". Geschichte Englands 1688/89. Herausgegeben, aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort von Robert Schneebeli. Manesse Verlag, Zürich 1998. 732 S., geb., 59,90 DM.
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