Zu jeder Zigarette eine halbe Tasse Kaffee und sechs Stunden Gitarrenübung am Tag...
... so sieht die Routine von Elias aus, dazu bestimmte Bands, die er hört, Entspannungszeiten in denen er seinen Tag Revue passieren lässt - aber bitte keine Abweichungen von der Routine. Elias ist Mitte 20 und
zieht nach dem Leben in einem Wohnheim für psychisch Kranke erstmals in eine eigene Wohnung. Im…mehrZu jeder Zigarette eine halbe Tasse Kaffee und sechs Stunden Gitarrenübung am Tag...
... so sieht die Routine von Elias aus, dazu bestimmte Bands, die er hört, Entspannungszeiten in denen er seinen Tag Revue passieren lässt - aber bitte keine Abweichungen von der Routine. Elias ist Mitte 20 und zieht nach dem Leben in einem Wohnheim für psychisch Kranke erstmals in eine eigene Wohnung. Im Wohnheim hat er gelebt, da er die Diagnose Asperger-Syndrom hat - eine "leichte" Form von Autismus, die ihn im Alltagsleben stark einschränkt. Denn neue Dinge verunsichern ihn sehr, zwischenmenschliche Beziehungen überfordern ihn häufig, menschliche Interaktionen verwirren ihn.
Nun lebt er aber in einer Wohnung und kann es nicht vermeiden, mit neuen Einflüssen konfrontiert zu werden. Da sind die anderen Bewohner*innen des Hauses, zu denen er nach und nach Kontakt knüpft. Mit einem von ihnen, Willi, geht er fortan fast wöchentlich in ein kleines französisches Bistro und begegnet dort zu allem Überfluss auch noch einer jungen Frau, die sein Interesse weckt.
Auf knapp 600 Seiten, die sich sehr flüssig und angenehm lesen lassen, begleiten die Leser*innen Elias durch seinen Alltag, der sich immer mehr verändert. Die Kontakte zu den anderen Bewohner*innen brechen seine feste Struktur auf und zwingen ihn, sich umzustellen. Der Titel referenziert darauf, dass Elias seit 9 Jahren stundenlang Gitarrespielen übt und technisch mittlerweile ausnehmend gut ist, aber aufgrund seiner Diagnose nur für sich selbst in seinem Zimmer spielt, für die "goldene Ananas", den Preis, der ihm überhaupt nichts bringt. Im Kontakt mit den anderen Charakteren lernt Elias und verändert sich. Besonders mochte ich die kleine Mara, auf die er aufpasst, obwohl er Kinder eigentlich gar nicht mag, aber auch die anderen Charaktere sind interessant. Lediglich eine Person empfand ich als etwas klischeehaft negativ gezeichnet, hier kommentieren aber die anderen Hausbewohner selbst, dass es Gründe gibt, warum sie so egozentrisch ist. In manch anderem Buch hätte ich die teilweise Oberflächlichkeit, mit der Frauen beschrieben werden, eventuell stärker kritisiert. Hier passt es aber, weil der Charakter darüber erstens selbst sehr reflektiert und es andererseits auch zeigt, wie seine Unsicherheit dazu führt, dass er stark die Unterstützung oder Einschätzung seiner Peer Group benötigt und es ihn eben auch beeinflusst, wenn diese Peer Group aus Männern besteht, die teilweise ziemlich pauschalisieren. Umso mehr mochte ich dann aber wieder die Momente, in denen auch die Pauschalisierungen wieder kritisiert wurden.
Insgesamt hat mich das Buch sehr beeindruckt und die Charaktere fehlen mir nach Abschluss der Geschichte. Es liefert einen sehr spannenden und meiner Empfindung nach authentischen Einblick in das Leben mit dem Asperger-Syndrom, ohne dabei zu verallgemeinern. Ich habe viel gelernt, gelacht und mitgefiebert, ob Elias es schafft, den Alltag zu meistern. Und dabei finde ich es gelungen, dass keine Veränderung geschildert wird, die viele Menschen ohne diese Diagnose ebenfalls als außerordentlich groß empfinden würden, sondern dass der Fokus gerade auf relativ "kleinen" Umstellungen liegt - einem Umzug, dem Knüpfen von Kontakten etc. Denn gerade hier wird deutlich, dass das, was als relativ normaler Alltag empfunden werden kann, eben nicht für alle so normal und bezwingbar erscheint.