Eine unkontrollierte Weltmacht im Internet
Gerald Reischl beschreibt nicht den grandiosen Aufstieg einer Garagenfirma zum Weltkonzern, sondern setzt sich, wie der Buchtitel erwarten lässt, kritisch mit dem Unternehmen auseinander. Er möchte zur Bewusstseinsbildung beitragen und aufzeigen, in
welchem Zwiespalt Internet-Nutzer leben und worauf sie achten sollten, wenn sie das Internet nutzen.…mehrEine unkontrollierte Weltmacht im Internet
Gerald Reischl beschreibt nicht den grandiosen Aufstieg einer Garagenfirma zum Weltkonzern, sondern setzt sich, wie der Buchtitel erwarten lässt, kritisch mit dem Unternehmen auseinander. Er möchte zur Bewusstseinsbildung beitragen und aufzeigen, in welchem Zwiespalt Internet-Nutzer leben und worauf sie achten sollten, wenn sie das Internet nutzen. Wird er diesem Anspruch gerecht?
Im ersten Kapitel ist von Kritik noch nicht viel zu spüren. Autor Reischl beschreibt eine paradiesische Unternehmenskultur, wie sie in Europa unbekannt ist. Bei der im kalifornischen Mountain View ansässigen Firmenzentrale handelt es sich um einen farbenfrohen, lustigen und liberalen Tummelplatz der Kreativität, in dem nicht nur die Verpflegung kostenlos ist. Einzig der Hinweis auf „viele Zahnbürsten in den Regalen“ macht deutlich, dass ein hohes Maß an Engagement erwartet wird.
Die Informationspolitik untersucht Reischl im zweiten Kapitel. Es kommt vor, dass Interviews kurzfristig abgesagt werden, nicht alle Informationen über die Firma publiziert werden und Statistiken und Grafiken vor Veröffentlichung auf Linie gebracht werden. Dies mag im Widerspruch zur Regenbogenwelt der Firmenzentrale stehen, aber sicher nicht im Widerspruch zur Politik großer Konzerne. Welche Firma lässt sich schon in die Karten schauen?
Der Marktanteil von Google beträgt in Westeuropa etwa 90%. Wie ist diese Dominanz begründet? Die Unternehmenskultur kann daran nur einen kleinen Anteil haben. Einen größeren Anteil des Erfolges darf Larry Page für sich verbuchen, dessen Methode PageRank die Rangordnung der Suchergebnisse steuert. Durch diesen Algorithmus werden unter anderem Datenquerverbindungen ausgewertet zwecks Auflistung der Suchergebnisse in der Reihenfolge ihrer Bedeutung.
Google lebt, wie die gesamte Werbebranche, von Kundeninformationen. Sämtliche Suchergebnisse werden gespeichert und werbewirksam verarbeitet. Das Google-Glossar im hinteren Teil des Buches veranschaulicht die vielen Dienste, die der Konzern mittlerweile eingeführt oder aufgekauft hat. Bezogen auf das Internet ist Google heute eine Weltmacht. Und hier setzt die Kritik an.
Google agiert international als Werbekonzern auf der Basis von Daten, die die Anwender dem Konzern im Zuge der Nutzung zahlreicher Gratisdienste bereitstellen. Gespeichert und ausgewertet werden nicht nur Suchbegriffe, sondern auch Informationen über die Nutzer selbst. Google verfügt heute über mehr Informationen als andere Internetfirmen und ist in der Lage die Daten miteinander zu verknüpfen. Hier lauert die reale Gefahr, gläsern zu werden.
Ich halte das Buch nicht für spektakulär, aber für wichtig. Autor Reischl sensibilisiert die Öffentlichkeit für ein in den vergangenen Jahren vernachlässigtes Thema, nämlich den Datenschutz. Der allzu sorglose Umgang mit persönlichen Daten birgt Gefahren, wie schon manch ein Bewerber erfahren musste. Es ist schon erstaunlich, wie sich das Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich des Datenschutzes in den vergangenen 30 Jahren gewandelt hat.
In einem Interview erläutert Gerald Reischl, dass sein Buch für ganz normale Internet-Nutzer gedacht ist und nicht für IT-Experten. Dem stimme ich zu. Im Hinblick auf die Aufmachung des Buches hatte ich auch nichts anderes erwartet. IT-Fachleute werden nicht viel Neues erfahren. Internet-Nutzer, die sich noch nie viele Gedanken darüber gemacht haben, was bei der Nutzung des Internets im Hintergrund passiert, werden durch das Buch leicht verständlich informiert.