Der Meisterdieb Arsène Lupin, ein Robin Hood mit Esprit
Arsène Lupin gehört wie Sherlock Holmes, Pater Brown oder Kommissar Maigret zu den legendären und klassischen Gestalten der Weltliteratur. Mit unwiderstehlichem Charme spielt er die Rolle des galanten Gentlemans und gerechten Diebs. "Die Gräfin Cagliostro", mehrfach verfilmt, erzählt die Jugend des Helden, seine erste Liebe, seine ersten Verbrechen. Ein übermütiges und geistreiches Lesevergnügen. Voll jugendlichen Übermuts stürzt sich der junge Arsène Lupin in eine Abenteuer, das er nicht unbeschadet überstehen wird. Denn sein Gegner ist die Tochter des größten Verschwörers und Hochstaplers des 18. Jahrhunderts: die Gräfin Cagliostro, verwickelt in eine politische Affäre um Napoleon und vermeintlich unsterblich. Angezogen von ihrer atemberaubenden Schönheit gerät er in einen Strudel aus Betrug und Verbrechen, aus dem ihm auch seine Kaltblütigkeit nicht helfen wird, denn verliebt verliert selbst Arsène Lupin den Kopf.
Arsène Lupin gehört wie Sherlock Holmes, Pater Brown oder Kommissar Maigret zu den legendären und klassischen Gestalten der Weltliteratur. Mit unwiderstehlichem Charme spielt er die Rolle des galanten Gentlemans und gerechten Diebs. "Die Gräfin Cagliostro", mehrfach verfilmt, erzählt die Jugend des Helden, seine erste Liebe, seine ersten Verbrechen. Ein übermütiges und geistreiches Lesevergnügen. Voll jugendlichen Übermuts stürzt sich der junge Arsène Lupin in eine Abenteuer, das er nicht unbeschadet überstehen wird. Denn sein Gegner ist die Tochter des größten Verschwörers und Hochstaplers des 18. Jahrhunderts: die Gräfin Cagliostro, verwickelt in eine politische Affäre um Napoleon und vermeintlich unsterblich. Angezogen von ihrer atemberaubenden Schönheit gerät er in einen Strudel aus Betrug und Verbrechen, aus dem ihm auch seine Kaltblütigkeit nicht helfen wird, denn verliebt verliert selbst Arsène Lupin den Kopf.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2008Der nähert sich der Unmoral auf Flügeln
Frankreichs Antwort auf Sherlock Holmes heißt Arsène Lupin, ein eleganter Meisterdieb, Champagner unter lauter Bierflaschen. Maurice Leblancs Krimireihe wird nun neu übersetzt.
Nicht selten geschieht es in der Literatur (wie auch außerhalb), dass ein Schöpfer seine erfolgreichste Kreatur eliminieren will. Conan Doyle ließ Sherlock Holmes in der Schweiz an einem Wasserfall verschwinden, Agatha Christie konnte Miss Marple nicht mehr ausstehen, und viel Besseres ist über Gottes Verhältnis zu den Menschen auch nicht zu berichten. Dass Figuren sich selbständig machen, ist eigentlich ein Schreibziel, doch kann es nach Erreichen schnell zum Albtraum der Schreibenden werden. Ihr liebt nicht mich, will der Autor dem Publikum sagen, wenn man ihn nur noch reden ließe, sondern dieses unwerte Geschöpf, das nichts ist als eine Schaumkrone meiner Phantasie. Conan Doyle musste seinen Detektiv zehn Jahre später wiederauferstehen lassen, so stark war der Druck der Öffentlichkeit.
Ähnlich erging es seinem französischen Pendant, Maurice Leblanc (1864 bis 1941), der längst nicht so bekannt geworden ist, mit seinem Meisterdieb Arsène Lupin. Um 1910 versuchte er ihn umzubringen, es misslang, und so hören wir noch 1923/24 von dem Gentleman Cambrioleur. Aus dieser Zeit entstammt einer der späten Romane um den normannischen Kriminellen, der endlich darüber aufklärt, wo und wie Lupin sein Diplom ablegte und wie seine Karriere überhaupt begann. Erstmals in den sechziger Jahren auf Deutsch erschienen, bringt Matthes & Seitz die Bände nun in überarbeiteter Form wieder heraus, und vielleicht ist die Zeit jetzt auch reifer dafür.
Leblanc spielt nämlich ebenso souverän auf der Klaviatur des Kriminalromans wie auf der des Liebes-, Abenteuer- und Geheimnisromans. Lupins erste Schritte in der Welt der Unmoral entpuppen sich als eine Auseinandersetzung mit den Versuchungen der Liebe und der Magie. Beide werden verkörpert von einer Frau, hinter der eines der merkwürdigsten Phantasmen der europäischen Kultur des achtzehnten Jahrhunderts steht: Joséphine Balsamo, bekannt auch als Pellegrini und unter welchen Namen auch immer, die die Tochter des berüchtigten Grafen Cagliostro zu sein vorgibt. Der Sizilianer brachte Höfe und Herzen durcheinander, betrog und verkleidete sich, flüchtete, wurde gefangengesetzt, behauptete, Gold zu machen und eine Loge begründet zu haben.
So groß war sein skandalöser Ruhm, dass noch Goethe in Palermo nicht nur nach der Urpflanze, sondern auch nach Cagliostro forschte und ein Theaterstück über ihn schrieb, während Schiller sich ihn für seinen "Geisterseher" wählte. Da Leblancs Buch im Jahre 1894 spielt, muss die Tochter des Grafen schon etwas älter sein; sie ist aber so strahlend schön wie auf einem Medaillon, das sie in ihrer fernen Jugend zeigt. Das mag die Verbrecherbande beeindrucken, die ihr auf den Fersen ist, nicht aber den jungen Lupin, der hier noch seinen Adelsnamen Raoul d'Andrésy trägt. Er durchschaut den Trick, aber zur Strafe verliebt er sich in sie, nachdem er sie aus den mörderischen Klauen der Verfolger gerettet hat. Nach und nach stellt sich jedoch heraus, dass er es mit einer Inkarnation des Bösen zu tun hat, einer schlimmen Femme fatale, die betrügt und selbst vor Mord nicht zurückschreckt, nur um an einen alten Mönchsschatz heranzukommen. Lupin kann nicht von ihr lassen, es ist ein wahrer Rausch, der die beiden in ihrem Liebesversteck immer wieder heimsucht. Am Ende helfen ihm seine Ratio, sein Abscheu vor ihrer Skrupellosigkeit und die Erinnerung an seine Verlobte Clarisse. Denn Lupin ist zu jedem Verbrechen bereit, sofern es nicht Unschuldige betrifft; vor allem aber hasst er Mord und unnötige Gewalt. Grundsätzlich rettet er immer Frauen aus ihrer misslichen Lage. Statt eines Revolvers benutzt er seinen scharfen Verstand, der ihn noch aus jeder Klemme befreit. Statt mit Eisenstangen um sich zu schlagen wie seine Feinde, wendet er lieber Judogriffe an, die er von seinem Vater, einem Gymnastik- und Tanzmeister, gelernt hat.
Bekanntlich beherrschte auch Sherlock Holmes auf der anderen Seite des Kanals und der Gesellschaft solche Griffe körperlicher wie mentaler Art. Beide sind auch Meister der Verkleidung und der Mimikry. Doch damit endet die Gemeinsamkeit. Während Holmes eine steife Distanz zu Frauen hält, lässt der Playboy Lupin nichts anbrennen. Wo Holmes Kokain nimmt, widmet sich Lupin lieber dem Rausch des Sinnlichen. Wo Holmes kalt bleibt, sündigt Lupin in vollen Zügen, doch kennt er auch die Reue. Introvertiert-insular der eine, extravagant und ausdrucksfreudig der andere. Fast entsprechen beide dem Klischee vom britisch-französischen Gegensatz, und darauf baut auch wohl das neue PC-Abenteuer, das den Spieler auffordert: "Verhindern Sie die schreckliche Demütigung Englands durch Arsène Lupin."
Leblanc, aus der Normandie stammend - der Arzt bei seiner Geburt war der Bruder Flauberts -, betätigte sich als mäßig erfolgreicher Journalist und Autor unterhaltsamer Literatur, bis er 1905 den Auftrag erhielt, einen französischen Meisterdieb zu erfinden. Das war allerdings gar nicht so sehr als Antwort auf Conan Doyle gedacht, sondern vielmehr auf ein literarisches Geschöpf, das dessen Schwager Ernest W. Hornung erfunden hatte. Dieser hatte einen Cricketspieler, Gentleman und Meisterdieb in die Welt gesetzt und nannte ihn A. J. Raffles. Der elegante Amateur Cracksman erwies sich schnell als Verkaufsschlager. Raffles und Lupin mögen auf der falschen Seite der Moral tätig sein, doch halten sie beide den Reichen und Heuchlern einen Spiegel vor und haben noch ihren Spaß dabei. Es bleibt nicht aus, dass eines Tages Lupin und Sherlock Holmes sich in die Quere kommen. Leblanc widmet dem eleganten Duell zwischen britischem und gallischem Gentleman einige Geschichten, wobei allerdings Holmes aus juristischen Gründen zu Herlock Sholmès mutiert.
Leblanc schrieb insgesamt an die zwanzig Lupin-Romane, fünf weitere wurden von dem Team Boileau-Narcejac verfasst, unzählige Pastiches folgten, nicht anders als auf die Sherlock-Holmes-Geschichten. In Japan lebt ein Nachkomme Lupins in Mangas und Filmen weiter, viel geliebt vom anständigsten Publikum der Welt.
Wer mit dem Roman über die Cagliostro in die Serie einsteigt, braucht dann auch nicht mehr den Da Vinci Code und ähnliche moderne Mystifikationen zu lesen. Leblanc zaubert mit leichter Hand Schatzkarten und Codes herbei, er zieht die gewagtesten Linien zwischen Okkultismus und Scharlatanerie, doch bei allem siegt der heitere und überragende Verstand des jungen Lupin, ein Champagner unter Bierflaschen.
Es ist erfreulich, dass der Verlag diesen Band nur als Auftakt ankündigt für eine ganze Serie Arsène Lupin, denn das Zuschauen bei unmoralischen Akten ist von jeher ein ehrwürdiges Anliegen der Literatur gewesen. Zudem macht es süchtig. Im Übrigen ist Arsène Lupin auch ein begnadeter Radler. Das Rad dient ihm bei nächtlichen Missionen ebenso wie zum lauschigen Stelldichein, es dient nicht zuletzt einer liebevollen Beschwörung der normannischen Landschaft, Geschichte und Kultur. Inzwischen gibt es geführte Arsène-Lupin-Reisen in diesem Gebiet. Man sollte sie aber tunlichst mit dem Rad unternehmen - schon deshalb, weil Leblanc um 1900 einen Fahrradroman veröffentlicht hat, einen sehr leichträdigen und erotischen. "Voici des ailes!" ("Seht her, die Flügel!") heißt er, und ich frage mich schon lange, warum er noch nicht auf Deutsch erschienen ist.
ELMAR SCHENKEL
Maurice Leblanc: "Die Gräfin von Cagliostro oder Die Jugend des Arsène Lupin". Aus dem Französischen übersetzt von Erika Gebühr, überarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Nadine Lipp. Mit einem Nachwort von Richard Schroetter und Illustrationen von Falk Nordmann. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 342 S., geb., 22,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frankreichs Antwort auf Sherlock Holmes heißt Arsène Lupin, ein eleganter Meisterdieb, Champagner unter lauter Bierflaschen. Maurice Leblancs Krimireihe wird nun neu übersetzt.
Nicht selten geschieht es in der Literatur (wie auch außerhalb), dass ein Schöpfer seine erfolgreichste Kreatur eliminieren will. Conan Doyle ließ Sherlock Holmes in der Schweiz an einem Wasserfall verschwinden, Agatha Christie konnte Miss Marple nicht mehr ausstehen, und viel Besseres ist über Gottes Verhältnis zu den Menschen auch nicht zu berichten. Dass Figuren sich selbständig machen, ist eigentlich ein Schreibziel, doch kann es nach Erreichen schnell zum Albtraum der Schreibenden werden. Ihr liebt nicht mich, will der Autor dem Publikum sagen, wenn man ihn nur noch reden ließe, sondern dieses unwerte Geschöpf, das nichts ist als eine Schaumkrone meiner Phantasie. Conan Doyle musste seinen Detektiv zehn Jahre später wiederauferstehen lassen, so stark war der Druck der Öffentlichkeit.
Ähnlich erging es seinem französischen Pendant, Maurice Leblanc (1864 bis 1941), der längst nicht so bekannt geworden ist, mit seinem Meisterdieb Arsène Lupin. Um 1910 versuchte er ihn umzubringen, es misslang, und so hören wir noch 1923/24 von dem Gentleman Cambrioleur. Aus dieser Zeit entstammt einer der späten Romane um den normannischen Kriminellen, der endlich darüber aufklärt, wo und wie Lupin sein Diplom ablegte und wie seine Karriere überhaupt begann. Erstmals in den sechziger Jahren auf Deutsch erschienen, bringt Matthes & Seitz die Bände nun in überarbeiteter Form wieder heraus, und vielleicht ist die Zeit jetzt auch reifer dafür.
Leblanc spielt nämlich ebenso souverän auf der Klaviatur des Kriminalromans wie auf der des Liebes-, Abenteuer- und Geheimnisromans. Lupins erste Schritte in der Welt der Unmoral entpuppen sich als eine Auseinandersetzung mit den Versuchungen der Liebe und der Magie. Beide werden verkörpert von einer Frau, hinter der eines der merkwürdigsten Phantasmen der europäischen Kultur des achtzehnten Jahrhunderts steht: Joséphine Balsamo, bekannt auch als Pellegrini und unter welchen Namen auch immer, die die Tochter des berüchtigten Grafen Cagliostro zu sein vorgibt. Der Sizilianer brachte Höfe und Herzen durcheinander, betrog und verkleidete sich, flüchtete, wurde gefangengesetzt, behauptete, Gold zu machen und eine Loge begründet zu haben.
So groß war sein skandalöser Ruhm, dass noch Goethe in Palermo nicht nur nach der Urpflanze, sondern auch nach Cagliostro forschte und ein Theaterstück über ihn schrieb, während Schiller sich ihn für seinen "Geisterseher" wählte. Da Leblancs Buch im Jahre 1894 spielt, muss die Tochter des Grafen schon etwas älter sein; sie ist aber so strahlend schön wie auf einem Medaillon, das sie in ihrer fernen Jugend zeigt. Das mag die Verbrecherbande beeindrucken, die ihr auf den Fersen ist, nicht aber den jungen Lupin, der hier noch seinen Adelsnamen Raoul d'Andrésy trägt. Er durchschaut den Trick, aber zur Strafe verliebt er sich in sie, nachdem er sie aus den mörderischen Klauen der Verfolger gerettet hat. Nach und nach stellt sich jedoch heraus, dass er es mit einer Inkarnation des Bösen zu tun hat, einer schlimmen Femme fatale, die betrügt und selbst vor Mord nicht zurückschreckt, nur um an einen alten Mönchsschatz heranzukommen. Lupin kann nicht von ihr lassen, es ist ein wahrer Rausch, der die beiden in ihrem Liebesversteck immer wieder heimsucht. Am Ende helfen ihm seine Ratio, sein Abscheu vor ihrer Skrupellosigkeit und die Erinnerung an seine Verlobte Clarisse. Denn Lupin ist zu jedem Verbrechen bereit, sofern es nicht Unschuldige betrifft; vor allem aber hasst er Mord und unnötige Gewalt. Grundsätzlich rettet er immer Frauen aus ihrer misslichen Lage. Statt eines Revolvers benutzt er seinen scharfen Verstand, der ihn noch aus jeder Klemme befreit. Statt mit Eisenstangen um sich zu schlagen wie seine Feinde, wendet er lieber Judogriffe an, die er von seinem Vater, einem Gymnastik- und Tanzmeister, gelernt hat.
Bekanntlich beherrschte auch Sherlock Holmes auf der anderen Seite des Kanals und der Gesellschaft solche Griffe körperlicher wie mentaler Art. Beide sind auch Meister der Verkleidung und der Mimikry. Doch damit endet die Gemeinsamkeit. Während Holmes eine steife Distanz zu Frauen hält, lässt der Playboy Lupin nichts anbrennen. Wo Holmes Kokain nimmt, widmet sich Lupin lieber dem Rausch des Sinnlichen. Wo Holmes kalt bleibt, sündigt Lupin in vollen Zügen, doch kennt er auch die Reue. Introvertiert-insular der eine, extravagant und ausdrucksfreudig der andere. Fast entsprechen beide dem Klischee vom britisch-französischen Gegensatz, und darauf baut auch wohl das neue PC-Abenteuer, das den Spieler auffordert: "Verhindern Sie die schreckliche Demütigung Englands durch Arsène Lupin."
Leblanc, aus der Normandie stammend - der Arzt bei seiner Geburt war der Bruder Flauberts -, betätigte sich als mäßig erfolgreicher Journalist und Autor unterhaltsamer Literatur, bis er 1905 den Auftrag erhielt, einen französischen Meisterdieb zu erfinden. Das war allerdings gar nicht so sehr als Antwort auf Conan Doyle gedacht, sondern vielmehr auf ein literarisches Geschöpf, das dessen Schwager Ernest W. Hornung erfunden hatte. Dieser hatte einen Cricketspieler, Gentleman und Meisterdieb in die Welt gesetzt und nannte ihn A. J. Raffles. Der elegante Amateur Cracksman erwies sich schnell als Verkaufsschlager. Raffles und Lupin mögen auf der falschen Seite der Moral tätig sein, doch halten sie beide den Reichen und Heuchlern einen Spiegel vor und haben noch ihren Spaß dabei. Es bleibt nicht aus, dass eines Tages Lupin und Sherlock Holmes sich in die Quere kommen. Leblanc widmet dem eleganten Duell zwischen britischem und gallischem Gentleman einige Geschichten, wobei allerdings Holmes aus juristischen Gründen zu Herlock Sholmès mutiert.
Leblanc schrieb insgesamt an die zwanzig Lupin-Romane, fünf weitere wurden von dem Team Boileau-Narcejac verfasst, unzählige Pastiches folgten, nicht anders als auf die Sherlock-Holmes-Geschichten. In Japan lebt ein Nachkomme Lupins in Mangas und Filmen weiter, viel geliebt vom anständigsten Publikum der Welt.
Wer mit dem Roman über die Cagliostro in die Serie einsteigt, braucht dann auch nicht mehr den Da Vinci Code und ähnliche moderne Mystifikationen zu lesen. Leblanc zaubert mit leichter Hand Schatzkarten und Codes herbei, er zieht die gewagtesten Linien zwischen Okkultismus und Scharlatanerie, doch bei allem siegt der heitere und überragende Verstand des jungen Lupin, ein Champagner unter Bierflaschen.
Es ist erfreulich, dass der Verlag diesen Band nur als Auftakt ankündigt für eine ganze Serie Arsène Lupin, denn das Zuschauen bei unmoralischen Akten ist von jeher ein ehrwürdiges Anliegen der Literatur gewesen. Zudem macht es süchtig. Im Übrigen ist Arsène Lupin auch ein begnadeter Radler. Das Rad dient ihm bei nächtlichen Missionen ebenso wie zum lauschigen Stelldichein, es dient nicht zuletzt einer liebevollen Beschwörung der normannischen Landschaft, Geschichte und Kultur. Inzwischen gibt es geführte Arsène-Lupin-Reisen in diesem Gebiet. Man sollte sie aber tunlichst mit dem Rad unternehmen - schon deshalb, weil Leblanc um 1900 einen Fahrradroman veröffentlicht hat, einen sehr leichträdigen und erotischen. "Voici des ailes!" ("Seht her, die Flügel!") heißt er, und ich frage mich schon lange, warum er noch nicht auf Deutsch erschienen ist.
ELMAR SCHENKEL
Maurice Leblanc: "Die Gräfin von Cagliostro oder Die Jugend des Arsène Lupin". Aus dem Französischen übersetzt von Erika Gebühr, überarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Nadine Lipp. Mit einem Nachwort von Richard Schroetter und Illustrationen von Falk Nordmann. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 342 S., geb., 22,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Als echten Lesegenuss schätzt Rezensent Thomas Laux diesen 1923 entstandenen Arsene-Lupin-Roman von Maurice Leblanc, der nun in einer neuen Ausgabe vorliegt. Das Buch erzählt für ihn wundebar unterhaltsam die verwickelte Vorgeschichte, wie aus Raoul d'Andresy der elegante Meisterdieb wurde. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Liebesgeschichte zwischen Raoul und der Gräfin von Cagliostro, die Laux "äußerst kurios" und "originell" anmutet. Geradezu "abenteuerlich" und psychoanalytisch höchst interessant findet er, wie Leblanc an diesen beiden gegensätzlichen Protagonisten das ganze Spektrum von Zuneigung, Hass, Eifersucht, Gewalt und Tötungsabsicht durchdekliniert. Dass der Roman aus dem Jahr 1923 stammt, merkt man ihm nach Ansicht von Laux nicht an. Auf ihn wirkt er überaus "frisch".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH