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Die politische Kultur der westlichen Welt in einer breit angelegten Gesamtschau. Von den Griechen und ihrer Entdeckung von Politik und Demokratie, über die Römer und die christliche Welt bis zur Gegenwart, die vom Kampf um Menschenrechte und dem Totalitarismus zugleich gezeichnet ist, wird das ganze Spektrum des Politischen Denkens vorgestellt.
Band 1.1: Im Zentrum steht die Geburt der politischen Philosophie bei Sokrates. Doch auch die Epiker und die Lyriker, die Tragödien- und Komödiendichter sowie die Historiker und die Redner werden mit erfasst. Untersucht wird ebenso die Vorgeschichte:
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Produktbeschreibung
Die politische Kultur der westlichen Welt in einer breit angelegten Gesamtschau. Von den Griechen und ihrer Entdeckung von Politik und Demokratie, über die Römer und die christliche Welt bis zur Gegenwart, die vom Kampf um Menschenrechte und dem Totalitarismus zugleich gezeichnet ist, wird das ganze Spektrum des Politischen Denkens vorgestellt.

Band 1.1: Im Zentrum steht die Geburt der politischen Philosophie bei Sokrates. Doch auch die Epiker und die Lyriker, die Tragödien- und Komödiendichter sowie die Historiker und die Redner werden mit erfasst. Untersucht wird ebenso die Vorgeschichte: Homer und Hesiod, die epische Dichtung und die agonale Kultur der griechischen Frühzeit, die Entstehung der Demokratie, aber auch der mit ihr konkurrierenden Staatsformen wie der Spartas oder der Tyrannis.
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Autorenporträt
Henning Ottmann, Professor für Politische Wissenschaft, Universität München
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Tragödien, Tragödien, wir wollen Tragödien
Henning Ottmann durchleuchtet die Geschichte des politischen Denkens bei den Griechen / Von Wolfgang Schuller

Was sonst in Sammelbänden mit zahlreichen Autoren stattzufinden pflegt, hier ist es durch einen einzelnen - Professor für Politische Wissenschaft in München - geschehen: eine einheitliche Geschichte des politischen Denkens zu schreiben. Das gesamte westliche politische Denken, von den Griechen bis zum zwanzigsten Jahrhundert, soll in vier Bänden behandelt werden. Die beiden bisher erschienenen Hälften des ersten Bandes betreffen die Epoche von Homer bis zum Hellenismus. Bemerkenswert ist, daß unter politischem Denken nicht nur die Vorstellungen verstanden werden, die von philosophischer Seite ausgeformt worden waren, sondern mit Recht auch die, die sich in Teilen der Dichtung finden, besonders in der attischen Tragödie, ja sogar diejenigen, die sich aus den konkreten Verfassungen erschließen lassen, vor allem aus der athenischen Demokratie, von der der Verfasser mit deutlicher und durchaus berechtigter Bewunderung spricht.

All das ist in einem schwungvollen, persönlichen Stil geschrieben, der neben einigen Kalauern auch glänzende Formulierungen und Einsichten hervorbringt. So ist Platons Vorstellung von der Gleichberechtigung von Mann und Frau auf die schöne Formel gebracht "Der einzige Unterschied der Geschlechter ist der Geschlechtsunterschied", und sogar anrührend ist es, wenn man bei einem Politikwissenschaftler in bezug auf das athenische Publikum, das drei Tage lang den Tragödienaufführungen folgte, den begeisterten Ausruf lesen kann: "Welche Fähigkeit zum Daseinsernst!" Umgekehrt muß der Leser (beiderlei Geschlechts) keinen von seinem Gegenstand bis zur Besinnungslosigkeit hingerissenen Autor befürchten. Die nüchterne Information steht durchaus im Vordergrund, und sie zeigt sich nicht nur in der schulgerechten Durchmusterung der staatsphilosophischen Lehrmeinungen der Griechen, sondern auch in Schaubildern, Zeittafeln und umfangreichen Bibliographien. Eine Schlußredaktion, die Flüchtigkeitsfehler beseitigt und einzelnes besser aufeinander abgestimmt hätte, hätte den Bänden gutgetan.

Der Verfasser geht so vor, daß er bei den einzelnen Philosophen nicht nur ihr politisches Denken, sondern ihre gesamte Philosophie referiert. Das ist alles in allem natürlich richtig, weil das spezifisch Politische nur aus dem gesamten Kontext zu verstehen ist; trotzdem taucht beim Leser die Frage auf, ob nicht allzu viel des Guten getan worden ist. In dieser Besprechung soll zunächst einzelne Kritik geübt werden, und zwar Kritik daran, daß bei aller Fülle des Gebotenen so wichtige Dinge fehlen, daß sie benannt werden müssen.

Fast sprachlos macht einen die Tatsache, daß das politische Denken der Komödie nicht vorkommt. Richtig und unabdingbar war es, das politische Denken der Tragödie einzubeziehen, und souverän wird der Autor mit dem Problem fertig, daß die Tragödie mit wenigen Ausnahmen keinen direkten Zeitbezug hat, sondern daß man sich auf Allgemeines und Mittelbares einlassen muß, wenn man bei ihr politisches Denken entdecken will. Um so unverständlicher ist, daß außer gelegentlichen Erwähnungen des Aristophanes die Komödie keine Erwähnung findet. Sie strotzt geradezu von Politik, von aktueller Politik, und insbesondere Aristophanes kann sich gar nicht genugtun, Gegenwartsfragen auf die Bühne zu bringen und kräftig selber Stellung zu beziehen. Hier lag wahrlich ganz unmittelbar ausgedrücktes politisches Denken vor, das man nicht mühsam erschließen muß.

Schade ist auch, daß - außer der ausdrücklichen Erwähnung bei Platon und Aristoteles - das Nachdenken über die Rolle der Frau in der Öffentlichkeit keine Erwähnung findet. Es hat nämlich stattgefunden, und gerade hier sind die Stücke des Aristophanes einschlägig, von denen immerhin drei diese Frage behandeln; auch bei Euripides findet sich viel Einschlägiges. Wenn es anderswo im griechischen politischen Denken fehlt, wäre das auch ein Befund, der, ohne anachronistisch zu werden, doch hätte benannt werden sollen.

Ebenfalls läßt sich mehr über die politischen Vorstellungen erschließen, die hinter den konkreten Regelungen der athenischen Demokratie standen, als es der Verfasser tut. Mit den Verfassungen der anderen Griechenstädte teilte sie die Rechenhaftigkeit und das Auskalkulieren von Verfahrensabläufen; für sie spezifisch waren die Prinzipien der Schnelligkeit und der Übersichtlichkeit der prozeduralen Regelungen, die beide für das Funktionieren einer direkten Demokratie unerläßlich waren. An Punktuellem ist zu bedauern, daß bei der Schilderung der Kranzrede des Demosthenes dessen prägnanter Vergleich zwischen den Vor- und Nachteilen der Monarchie und der Demokratie nicht erwähnt wird, der von langem und intensivem Nachdenken zeugt. Besonders erwähnenswert wären die von Hartmut Leppin herausgearbeiteten Vorstellungen des Thukydides über die Polisverfassung gewesen, die bei aller Kenntnis der gängigen Kategorien von Oligarchie und Demokratie von gänzlich anderen Prinzipien ausgingen und sich deshalb als eine Art dissenting opinion in einer Darstellung des griechischen politischen Denkens besonders gut ausgemacht hätten.

Nach dieser Kritik sollen nun ausgiebig Vorzüge der beiden Bände herausgestellt werden. Um vorerst bei der Demokratie zu bleiben, ist dem Autor ganz zuzustimmen, wenn er zum einen deren exzeptionelle Stellung innerhalb der sonstigen griechischen Verfassungen hervorhebt, zum anderen den Zeitpunkt ihrer endgültigen Herausbildung erst nach den Perserkriegen ansetzt - durch die Perserkriege, ja vielleicht erst durch den sich daran anschließenden Seebund, könnte man hinzufügen. Ebenfalls eindrucksvoll ist, daß und wie er antidemokratische Diskussionen und Argumente darstellt und ernst nimmt und sozusagen dem Gegner der Demokratie nicht vorwirft, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.

Besonders beeindruckt, daß der Verfasser sich nicht scheut - ja, man möchte sogar sagen, den Mut hat -, über die bloße Präsentation der jeweiligen Formen des politischen Denkens hinaus mit kühnem Entschluß eine Gesamtlinie zu zeichnen und sie zur Grundlage des gesamten Werkes zu nehmen. Das ist das Gegensatzpaar von individueller Agonalität einerseits und dem Bezug auf die Gemeinsamkeit der miteinander lebenden Polis- oder sogar Staatsbürger andererseits. Hier ließe sich einwenden, daß die Agonalität, wenn man denn wirklich von ihr sprechen kann, kein Prinzip war, das sozusagen naturgesetzlich und ahistorisch die griechische Gesellschaft durchzogen hätte, sondern, wenn schon, aristokratischer Herkunft war, in der Polisgemeinschaft umgeformt wurde und nur so weitergewirkt hat. Die Tragkraft einer solchen durchgängigen gedanklichen Zusammenfassung hätte sich allerdings da bewährt, wo philosophisches Denken die gesellschaftlichen Bezüge verläßt und nur auf das Individuum abstellt, also die Gesellschaft weder in agonalen noch in unmittelbar die Gemeinschaft betreffenden Vorstellungen mitdenkt.

Deshalb soll im folgenden nicht die Darstellung der großen die Polis betreffenden Entwürfe und Systeme Platons und des Aristoteles überprüft, sondern ein Blick darauf geworfen werden, wie der Verfasser bei seiner Grundannahme damit umgeht, daß die hellenistischen Philosophien des Kynismos, Epikurs und der Stoa zunächst jedenfalls nur das Individuum im Blick hatten. Da stellt sich heraus, daß eigenartigerweise das Politische bei den extremen Individualisten, den provozierend auftretenden "seltsamen Heiligen" des Kynismos überraschend einfach zu diagnostizieren ist: In Wirklichkeit bezogen sie sich eben doch auf die Polis, denn ihre "politische Brisanz" liegt darin, daß sie in die Öffentlichkeit drängten, in der Stadt, auf dem Markt agierten, und wenn bei Antisthenes und anderen Kynikern in ihrem Kampf mit den eigenen Begierden Herakles als Vorbild fungiert, kann der Autor mit Recht sagen, daß darin ein "Rest an Heroismus und Agonalität" liegt.

Bei den Epikureern allerdings, die ein ruhiges Leben in Zurückgezogenheit lehrten, ist "gar nichts mehr" agonal, bezieht sich nichts mehr unmittelbar auf die Gesellschaft. Die Öffentlichkeit ist nur noch instrumental dafür, diese abgeschiedene Ruhe zu erreichen; die Praxis des öffentlichen Lebens und ethische Handlungen überhaupt sind kein Selbstzweck mehr. Damit, so wertet der Verfasser, fällt diese Philosophie hinter die der Klassik zurück; gleichwohl hat sich bei der Einschätzung des Epikureismus doch die Tauglichkeit seiner Grundlinie als heuristisches Instrument erwiesen. Einen größeren politischen Bezug weist dann wieder die Stoa auf. Obwohl auch sie - angesichts der politisch zurückgegangenen Relevanz der Polis und angesichts dessen, daß sich der Mensch des Hellenismus stärker als der früherer Epochen dem Geschehen ausgeliefert fühlt - einen unmittelbaren Gesellschaftsbezug verloren hat, spielt das Politische etwa über die Begriffe des Kathekon und der Oikeiosis doch wieder hinein; und in dieselbe Richtung geht es, daß der Begriff des Nomos, des alle bindenden Gesetzes, wieder zu Ehren kommt. Das eigentlich Agonale, das Streben danach, jeweils am besten in angemessener Weise nach den Gesetzen von Natur und Gesellschaft zu leben, wird erst später, in der römischen Zeit, wieder zur Wirklichkeit. Wie dem auch sei - das agonale Prinzip und der Bezug auf die Gemeinschaft erweisen sich als taugliche Begriffe, das politische Denken der Griechen unter gemeinsame Kategorien zu stellen, und sei es nur zu ordnenden oder heuristischen Zwecken.

Abschließend noch einige Einzelheiten. Der persönliche Charakter der Bände zeigt sich darin, daß der Verfasser deutliche und erfrischende Worte nicht scheut, mit denen er auch jeweils recht haben dürfte. So erklärt er es für "rätselhaft", wie etwa Christa Wolf in der homerischen Schilderung Achills nur "das Vieh" erkennen kann und die anderen Elemente seines Charakters in der Ilias nicht wahrnimmt; so meint er, daß man bei der Betrachtung der "Antigone" als bloßen Widerstreit zwischen schrankenloser Staatsgewalt und der Legitimität individuellen Handelns "nicht verstehen kann, warum es sich hier um eine Tragödie handelt"; und so erklärt er, daß vieles an der Kritik Poppers an Platon "offensichtlich und schlichtweg falsch" sei.

Anklänge an Carl Schmitt scheinen vorzuliegen, wenn er bei der Antigone von der "Entdeckung der Legalität, der bloßen Legalität" spricht oder wenn er meint, "Platons Nomoi erfinden die politische Theologie", ausdrücklich aber setzt er sich von Schmitt ab, wenn er richtig ausführt, ein "frei vagabundierendes ,Politisches'" habe es bei den Griechen nicht gegeben, sondern "alle Politik war eindeutig bezogen auf die politische Grundeinheit, auf die Stadt"; ausdrücklich genannt wird des öfteren auch Leo Strauss. Wieweit diese Andeutungen und Zitate auch bei der Betrachtung des politischen Denkens des zwanzigsten Jahrhunderts Berücksichtigung finden, wird man bei der Lektüre des vierten Bandes merken. Alles in allem: Die herkulische Leistung, als einzelner das westliche politische Denken darzustellen, ist gelungen, und wenn die Griechen schon quantitativ dabei die Führung übernommen haben, so ist es wohl im Sinn des Autors, wenn man als Ursache dafür ihre Qualität benennt.

Henning Ottmann: "Geschichte des politischen Denkens". 4 Bände. Band 1: Die Griechen. Halbband 1: Von Homer bis Sokrates. Halbband 2: Von Platon bis zum Hellenismus. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2001. XVI, 267 und XII, 332 S., br., je Halbband 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Da hat sich der Rezensent Mühe gegeben mit seiner Besprechung. Hat sauber unterschieden in Kritik und Lob für die zwei anzuzeigenden, die Epoche "von Homer bis zum Hellenismus" abdeckenden Halbbände und ist am Ende höchst zufrieden mit der "herkulischen Leistung" des Autors, "als einzelner das westliche politische Denken darzustellen", und zwar "mit kühnem Entschluss" auf Basis des Gegensatzes von "individueller Agonalität" und Gemeinsamkeit. Für bemerkenswert, um das Lob des Rezensenten vorwegzunehmen, hält Wolfgang Schuller, dass der Autor unter politischem Denken auch diejenigen Vorstellungen versteht, die sich in der Dichtung, besonders in der attischen Tragödie, finden. Ferner schätzt er den "schwungvollen, persönlichen Stil" des Autors, der "neben einigen Kalauern auch glänzende Formulierungen und Einsichten hervorbringt", findet zu seiner Freude einzelne Philosophen nicht nur auf ihr politisches Denken, sondern auf ihre gesamte Philosophie hin abgeklopft und äußert sich schließlich positiv über die Ausstattung der Bände mit "Schaubildern, Zeittafeln und umfangreichen Bibliographien". Bleibt der Tadel. Der bezieht sich, abgesehen von einer Rüge für ein etwas schlampiges Lektorat, auf das, was fehlt: Der Einbezug der laut Schuller höchst politischen Komödie, das Nachdenken über die Rolle der Frau in der Öffentlichkeit und "mehr über die politischen Vorstellungen ... die hinter den konkreten Regelungen der athenischen Demokratie standen".

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"Die herkulische Leistung, als einzelner das westliche politische Denken darzustellen, ist gelungen, und wenn die Griechen schon quantitativ dabei die Führung übernommen haben, so ist es wohl im Sinn des Autors wenn man als Ursache dafür ihre Qualität benennt." - FAZ

"Auch wer den systematischen Ansatz Ottmanns nicht teilt, wird zugestehen müssen, dass der Autor ihn mit bestechender Stringenz in den vorliegenden Bänden entwickelt und durchhält. Dem Leser öffnen sich so - auch durch stete Quer-, Vor- und Rückverweise - ganz neue Perspektiven auf die Geschichte des politischen Denkens der Antike, gewiss auch auf die des Mittelalters und der Neuzeit, wenn die entsprechenden Bücher erst einmal vorliegen. Noch nie zuvor sind so viele unterschiedliche Quellen zusammengetragen und systematisch erschlossen worden - und das stets in einem klaren und diskursiven Stil, der seinesgleichen sucht. Deshalb werden nicht nur Politikwissenschaftler und Philosophen, sondern auch Historiker, Literaturwissenschaftler, Altphilologen und Theologen ihre Freude an diesem Werk haben." - Zeitschrift für Philosophie

"Ottmanns Projekt beeindruckt nicht nur durch seine Ausmaße, seine stupende Gelehrsamkeit und die Geduld, mit der er Verästelungen und Nebenströme des Geistes erforscht und bei den heute kaum noch gelesenen Autoren auf den Abstellgleisen der Rezeptionsgeschichte manch wichtige, erinnerungswürdige Einsicht erschließt, die sich bei den großen Klassikern des politischen Denkens so nicht findet." - DZPhil…mehr