Der hohe Anspruch einer "Verwissenschaftlichung der Politik" prägte die Bundesrepublik der sechziger Jahre. Besonders euphorisch bekannte sich die Wirtschaftspolitik zum großen Wurf: Eine Steuerung der Gesellschaft schien möglich, und Entscheidungen sollten durch wissenschaftliche Expertise sachlich vorbereitet werden. Doch unter den Bedingungen des rasanten gesellschaftlichen Wandels der siebziger Jahre wurde dieser Anspruch der keynesianischen Globalsteuerung rasch in Frage gestellt. Steuerungsfehler, Strukturwandel und Stagflation ließen das Zutrauen in die "Verwissenschaftlichung" schwinden. Tim Schanetzkys Studie fragt nach diesem Zusammenhang zwischen Politik, wissenschaftlicher Beratung und gesellschaftlichem Wandel: Wie nahm Wirtschaftspolitik gesellschaftliche Komplexität wahr? Wie gelang es ihr, unter den Bedingungen dieser Wahrnehmung Entscheidungssicherheit herzustellen? Und wie veränderte sich darüber die Geltung wissenschaftlicher Expertise? Die Berater wandten sichim Laufe der siebziger Jahre monetaristischen und angebotsökonomischen Alternativen zu. Gleichzeitig ging das Vertrauen in eindeutige wissenschaftliche Handlungsanweisungen in einem Strudel aus Expertise und Gegenexpertise unter. Diese Ernüchterung ist der Ursprung einer bis in die Gegenwart durch und durch pragmatischen Wirtschaftspolitik.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Viel gelernt hat Rezensent Axel Schildt durch diese Studie, in der Tim Schanetzky den großen Wandel in der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik untersucht. Dieser hat sich, so weiß der Rezensent nun zu berichten, nicht erst mit dem Ende der sozialliberalen Koalition vollzogen, sondern bereits unter der Ägide Helmut Schmidts und Hans-Dietrich Genschers. Dieser Wandel hat sich auf zwei Ebenen vollzogen, referiert Schildt seine informative Lektüre weiter: zum musste die Regierung ernüchtert Abschied nehmen von der keynesianisch geprägten "Planungseuphorie" und dem Glauben, mithilfe der Mittelfristigen Finanzplanung ("MifriFI"), Märkte global steuern zu können. Zum anderen verfiel das Ansehen der Wirtschaftsexperten drastisch, nicht zuletzt dadurch, dass sich die einst so bewunderten Fünf Weisen des Sachverständigenrats öffentlich ideologische Richtungskämpfe lieferten. Manchmal ist dem Rezensenten die Darstellung ein wenig zu systemtheoretisch aufgearbeitet, und er hätte sich gewünscht, dass auch die dabei mitwirkenden politischen und ökonomischen Interessen Beachtung gefunden hätten. Doch seinen positiven Gesamteindruck schmälert das nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die kluge Studie [...] macht eine spröde Materie anschaulich, indem sie in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive unter Einbeziehung der Erfahrungen der Akteure erzählt wird." Axel Schildt in: Die Zeit, 16. August 2007 "Das Buch besticht durch eine Fülle erhellender und präziser Beobachtungen und Interpretationen." Werner Bührer in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Heft 2/2007 "Mit dieser rundherum gelungenen Arbeit hat Schanetzky einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Entstehung der bundesrepublikanischen Wirtschaftspolitik in den 1970er-Jahren geleistet. [...] Schanetzky hat ein hervorragendes Beispiel für eine kulturalistisch reflektierte Studie vorgelegt, die im Grenzgebiet zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte angesiedelt ist und beide Disziplinen bereichert. Sie bildet eine solide Grundlage für weitere Forschungen zu den Wandlungsprozessen in den 1970er-Jahren." André Steiner in: H-Soz-u-Kult, 18. Oktober 2007 "Der Autor beschreibt, wie im Laufe der siebziger Jahre das Vertrauen in eindeutige wissenschaftliche Handlungsanweisungen in einem Strudel aus Expertise und Gegenexpertise unterging." Zeitschrift für Politikwissenschaft, 4/2007 "Insgesamt ist Tim Schanetzkys Werk ein fundierter und überzeugender Beitrag zur Erforschung der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte. Wer sich mit der für die Regierungen von Erhard bis Schmidt so wichtige Wirtschaftspolitik jenseits von oberflächlicher Verklärung befassen will, sollte Schanetzkys "Große Ernüchterung" lesyen." Sebastian Haumann in: literaturmarkt.info, 31. März 2008 "Der Reiz der Studie [...] liegt darin, daß sie die Befunde der jüngeren zeitgeschichtlichen Forschung zu diesem Themenbereich gründlich und zum Teil provokativ gegen den Strich brüstet." Eckart Conze in: Historische Zeitschrift, Bd. 287 (2008)