Religionskriege, Ideologiekriege oder frühe Formen der Kolonialkriege?
Kreuzzüge sind nicht nur ein Phänomen des 12. und 13. Jahrhunderts in der Levante. Diese Form religiös überformter Kriege durchzieht die europäische Geschichte vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit.
Franco Cardini und Antonio Musarra legen die erste Gesamtdarstellung europäischer Kreuzzüge vor, die die Thematik in ihrer ganzen Breite erfasst: militärisch, politisch und kulturell. Vom ersten Aufkommen des Kreuzzugsgedankens über den Kampf gegen Häresien, Luthers »Türkenbriefe« bis zur neuzeitlichen Verteidigung der balkanischen und mediterran-östlichen Grenzregionen.
Im Zeichen des Kreuzes: Der Gedanke des gerechten Krieges im Namen der ReligionAuf Waffen- und Bußgang ins Heilige Land: Wer waren die Kreuzritter? Umfasst alle Facetten der Kreuzzugsthematik: militärische, kulturelle, ökonomische und politische AspekteDas neue Standardwerk: Glänzend erzählte und reich bebilderte Gesamtdarstellung
Die erste Gesamtdarstellung europäischer Kreuzzüge, die die Thematik in ihrer ganzen Breite erfasst
Ob christliche Kreuzfahrer, Ketzerverfolger oder moderne Dschihadisten - sie alle legitimierten die Gewalt mit religiösen Argumenten. Im Zentrum der Darstellung stehen die verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittelmeer-Raum. Die europäische Perspektive wird ergänzt um eine abschließende Betrachtung der Kreuzzüge aus Sicht der Araber. Mit 185 Abbildungen bebildert und glänzend erzählt, ist »Die große Geschichte der Kreuzzüge« das Standardwerk zu einem der Zentralthemen der Geschichte!
Kreuzzüge sind nicht nur ein Phänomen des 12. und 13. Jahrhunderts in der Levante. Diese Form religiös überformter Kriege durchzieht die europäische Geschichte vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit.
Franco Cardini und Antonio Musarra legen die erste Gesamtdarstellung europäischer Kreuzzüge vor, die die Thematik in ihrer ganzen Breite erfasst: militärisch, politisch und kulturell. Vom ersten Aufkommen des Kreuzzugsgedankens über den Kampf gegen Häresien, Luthers »Türkenbriefe« bis zur neuzeitlichen Verteidigung der balkanischen und mediterran-östlichen Grenzregionen.
Im Zeichen des Kreuzes: Der Gedanke des gerechten Krieges im Namen der ReligionAuf Waffen- und Bußgang ins Heilige Land: Wer waren die Kreuzritter? Umfasst alle Facetten der Kreuzzugsthematik: militärische, kulturelle, ökonomische und politische AspekteDas neue Standardwerk: Glänzend erzählte und reich bebilderte Gesamtdarstellung
Die erste Gesamtdarstellung europäischer Kreuzzüge, die die Thematik in ihrer ganzen Breite erfasst
Ob christliche Kreuzfahrer, Ketzerverfolger oder moderne Dschihadisten - sie alle legitimierten die Gewalt mit religiösen Argumenten. Im Zentrum der Darstellung stehen die verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen im Mittelmeer-Raum. Die europäische Perspektive wird ergänzt um eine abschließende Betrachtung der Kreuzzüge aus Sicht der Araber. Mit 185 Abbildungen bebildert und glänzend erzählt, ist »Die große Geschichte der Kreuzzüge« das Standardwerk zu einem der Zentralthemen der Geschichte!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2022Ein Ereignis, wie gemacht für Demagogen
Bilderreich verpackt: Franco Cardini und Antonio Musarra legen eine Geschichte der Kreuzzüge vor, die bis ins zwanzigste Jahrhundert reicht.
Im Oktober des Jahres 2000, kurz nach den Unruhen auf dem Jerusalemer Tempelberg, mit denen die sogenannte zweite Intifada begann, trug ein jordanischer Autor und Aktivist in der Ruine eines antiken Theaters hoch über dem nördlichen Jordantal vor einem einheimischen Publikum seine Gedichte vor. Die Verse handelten von der Schmach des Islams, dessen heilige Stadt Jerusalem von den Feinden des wahren Glaubens besetzt sei, und von der Notwendigkeit eines Dschihad zu ihrer Wiedereroberung. Sie beschworen die Sehnsucht nach einem neuen Saladin, der das Schwert ergreifen und seine Truppen zum Triumph über die Ungläubigen führen werde, und sie prangerten die Mächte des Westens an, deren Kreuzzug gegen die Muslime am Ende doch scheitern müsse. Die Zuhörer quittierten den Vortrag des Dichters mit Beifallsrufen und lautem Applaus. Nur ein paar deutsche Archäologen, die ebenfalls dabeisaßen, klatschten nicht mit.
In der heutigen arabischen Welt, in den Ansichten ihrer Intellektuellen und ihrer Bevölkerungen, sind die Kreuzzüge kein abgeschlossenes Kapitel. Sie sind eine historische Realität, die ständig neu überarbeitet wird, je nachdem wie sie sich in einer aktuellen Krise politisch einsetzen lässt. Dabei kommt es weniger auf das tatsächliche Geschehen als auf seine mythisierende Deutung an. Anders als das Kolonialzeitalter endete die Ära der Kreuzzüge mit einem Sieg des Islams. Das macht sie als Bezugspunkt für muslimische Fundamentalisten jeder Couleur attraktiv.
Dass die "Große Geschichte der Kreuzzüge" der italienischen Mittelalterhistoriker Antonio Musarra und Franco Cardini der arabischen Sicht auf das Thema nur drei von sechshundert Seiten widmet, ist deshalb ein Fehler - ein entscheidendes Versäumnis in einem Buch, das daneben auch einige Vorzüge hat. Zu ihnen gehört die erweiterte Perspektive, aus der Musarra und Cardini auf ihren Gegenstand blicken. Anders als die klassischen Historiker der Kreuzzüge, zu denen sich zuletzt noch der englische Mediävist Thomas Asbridge als Nachzügler gesellt hat, lassen die beiden Italiener ihren Überblick nicht mit der gescheiterten Expedition Ludwigs IX. von Frankreich gegen Tunis von 1270 und dem Fall der Kreuzfahrerhauptstadt Akkon gut zwanzig Jahre später enden. Stattdessen verfolgen sie die Entwicklung des Kreuzzugsgedankens über die Türken- und die Barbareskenkriege bis ins zwanzigste Jahrhundert, in dem der Nahe Osten mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches, der Aufteilung seines arabischen Herrschaftsgebiets unter die Siegermächte von 1918 und der Gründung des Staates Israel erneut in den Brennpunkt der Geschichte rückte.
Dabei geben sie, was ebenfalls zu begrüßen ist, den zeitgenössischen Imaginationen und Theorien ihrer Thematik beinahe ebenso viel Raum wie der Ereignisgeschichte. Dadurch wird zum Beispiel deutlich, dass der Aufruf Papst Urbans II. in Clermont im November 1095 keineswegs aus heiterem Himmel kam, sondern einen längeren Vorlauf etwa in Form von päpstlichen Freibriefen für Kaperfahrten italienischer Seestädte gegen ihre nordafrikanischen Konkurrenten hatte. Auch der Begriff, mit dem Eroberung und Raub zur christlichen Mission umgedeutet wurden, ist nicht mittelalterlichen, sondern frühneuzeitlichen Ursprungs. Seinerzeit sprach man von "officium", "servitium" oder auch "negotium crucis", wenn man bewaffnete Wallfahrten gegen Ungläubige meinte. Dabei wurde die "crux transmarina", der Aufbruch ins östliche und südliche Mittelmeer, sorgfältig von der "crux cismarina" unterschieden, dem innerchristlichen Kampf gegen Ketzer und andere Widersacher des Papstes. Erst später, als sich nach dem Verlust des Heiligen Landes der europäische Expansionsdrang auf die Küstenregionen des Atlantischen und des Indischen Ozeans richtete, kamen "cruciata", "croisade" und "crusade" allenthalben in Schwang.
An der Frage, wie sich das christliche Missionsgebot mit einer kriegerischen Interessenpolitik vereinbaren ließe, hat sich die Geisteselite Europas jahrhundertelang abgearbeitet, von Bernhard von Clairvaux und Nikolaus Cusanus bis zu Gottfried Wilhelm Leibniz, der Ludwig XIV. einen Plan zur Eroberung Ägyptens unterbreitete (den dann Napoleon verwirklichte). Als im neunzehnten Jahrhundert der Glanz der Aufklärung verblasste, kehrte die Ritterromantik mit all ihrem ideologischen Ballast zurück. Kreuzzugsphantasien beflügelten die französische Eroberung von Algier im Jahr 1830 und die Kriege des Zarenreichs gegen die Osmanen. Mit den willkürlichen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg überspannte der westliche Einflussbereich schließlich auch Syrien und Palästina.
In diesem Augenblick erwachte in den Bevölkerungen der neu gegründeten arabischen Staaten und der Mandatsgebiete, die sich um ihre Selbstbestimmung betrogen sahen, das Kreuzzugsnarrativ nach sechshundertjährigem Schlummer zu neuem Leben - und mit ihm das Konzept des Dschihad gegen die Feinde Allahs. Bis heute prägen beide das Verhältnis der arabischen Welt zum Westen. Deshalb ist es nachgerade fahrlässig, den Dschihadismus in seinen verschiedenen Ausprägungen als eine "in erster Linie demagogische Position" abzutun, wie Cardini und Musarra es tun. Auch die Kreuzzugsideologie war ein willfähriges Instrument in den Händen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Demagogen. Gleichwohl bestimmte sie das Weltbild von Päpsten, Königen, Zaren und Dichtern und trieb Menschenmassen auf den - meist tödlichen - Weg ins Ungewisse. Der Appell der beiden Historiker, jede der streitenden Parteien möge akzeptieren, "was in der Kultur der anderen akzeptabel ist", wirkt daher angesichts der Gemengelage nach dem 11. September 2001 wie Pfeifen im Wald. Samuel Huntingtons Metapher vom Kampf der Kulturen, in der die Autoren den Inbegriff westlichen Hegemonialdenkens sehen, könnte am Ende doch mehr Beschreibungsqualitäten besitzen, als Cardini und Musarra ihr zutrauen.
Der zweite wichtige Einwand gegen das Buch betrifft einen Punkt, den die Autoren wohl nur teilweise zu verantworten haben. Es geht um die Aufmachung des Bandes. Ungefähr jede zehnte Seite der "Großen Geschichte der Kreuzzüge" ist mit üppigen, oft ganzseitigen Illustrationen bedeckt, darunter Gemälde von Tizian, Vasari und Delacroix, aber auch Bilder der Salonmaler des neunzehnten Jahrhunderts und Grafiken von Gustave Doré. Dieses Anschauungsmaterial wird aber nicht etwa in der Reihenfolge seiner Entstehung ausgebreitet, sondern als visuelle Unterlage für historische Personen und Ereignisse verwendet, sodass wir Gottfried von Bouillon und Balduin von Jerusalem durch den Pinsel der Historienmaler der Salles des Croisades in Versailles, Friedrich Barbarossa in der Version des Nazareners Christian Siedentopf und die osmanische Eroberung von Konstantinopel in der Fassung des Italieners Fausto Zonaro kennenlernen.
Eine seriöse Bebilderungsstrategie für historische Darstellungen sieht anders aus. Die Kreuzzüge waren als mentalitätsgeschichtliches Ereignis ungleich bedeutender denn als reales Geschehen: Sie kosteten das Leben von Hunderttausenden und bewegten die Phantasie von Abermillionen. Auch darüber hätte man anhand von Bildzeugnissen nachdenken können. Dieses Buch tut es nicht. Stattdessen verwendet es Bilder als beliebige Verpackungsmittel für seine Inhalte. Damit wird es weder der Geschichte gerecht noch der Kunst, in der sie sich spiegelt. ANDREAS KILB
Franco Cardini, Antonio Musarra: "Die große Geschichte der Kreuzzüge". Von den Soldaten Christi bis zum Dschihad.
Von den Soldaten bis zum Dschihad. Aus dem Italienischen von Victoria Lorini und Rita Seuß. wbg/Theiss, Darmstadt 2022. 600 S., 185 Abb., geb., 48,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bilderreich verpackt: Franco Cardini und Antonio Musarra legen eine Geschichte der Kreuzzüge vor, die bis ins zwanzigste Jahrhundert reicht.
Im Oktober des Jahres 2000, kurz nach den Unruhen auf dem Jerusalemer Tempelberg, mit denen die sogenannte zweite Intifada begann, trug ein jordanischer Autor und Aktivist in der Ruine eines antiken Theaters hoch über dem nördlichen Jordantal vor einem einheimischen Publikum seine Gedichte vor. Die Verse handelten von der Schmach des Islams, dessen heilige Stadt Jerusalem von den Feinden des wahren Glaubens besetzt sei, und von der Notwendigkeit eines Dschihad zu ihrer Wiedereroberung. Sie beschworen die Sehnsucht nach einem neuen Saladin, der das Schwert ergreifen und seine Truppen zum Triumph über die Ungläubigen führen werde, und sie prangerten die Mächte des Westens an, deren Kreuzzug gegen die Muslime am Ende doch scheitern müsse. Die Zuhörer quittierten den Vortrag des Dichters mit Beifallsrufen und lautem Applaus. Nur ein paar deutsche Archäologen, die ebenfalls dabeisaßen, klatschten nicht mit.
In der heutigen arabischen Welt, in den Ansichten ihrer Intellektuellen und ihrer Bevölkerungen, sind die Kreuzzüge kein abgeschlossenes Kapitel. Sie sind eine historische Realität, die ständig neu überarbeitet wird, je nachdem wie sie sich in einer aktuellen Krise politisch einsetzen lässt. Dabei kommt es weniger auf das tatsächliche Geschehen als auf seine mythisierende Deutung an. Anders als das Kolonialzeitalter endete die Ära der Kreuzzüge mit einem Sieg des Islams. Das macht sie als Bezugspunkt für muslimische Fundamentalisten jeder Couleur attraktiv.
Dass die "Große Geschichte der Kreuzzüge" der italienischen Mittelalterhistoriker Antonio Musarra und Franco Cardini der arabischen Sicht auf das Thema nur drei von sechshundert Seiten widmet, ist deshalb ein Fehler - ein entscheidendes Versäumnis in einem Buch, das daneben auch einige Vorzüge hat. Zu ihnen gehört die erweiterte Perspektive, aus der Musarra und Cardini auf ihren Gegenstand blicken. Anders als die klassischen Historiker der Kreuzzüge, zu denen sich zuletzt noch der englische Mediävist Thomas Asbridge als Nachzügler gesellt hat, lassen die beiden Italiener ihren Überblick nicht mit der gescheiterten Expedition Ludwigs IX. von Frankreich gegen Tunis von 1270 und dem Fall der Kreuzfahrerhauptstadt Akkon gut zwanzig Jahre später enden. Stattdessen verfolgen sie die Entwicklung des Kreuzzugsgedankens über die Türken- und die Barbareskenkriege bis ins zwanzigste Jahrhundert, in dem der Nahe Osten mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches, der Aufteilung seines arabischen Herrschaftsgebiets unter die Siegermächte von 1918 und der Gründung des Staates Israel erneut in den Brennpunkt der Geschichte rückte.
Dabei geben sie, was ebenfalls zu begrüßen ist, den zeitgenössischen Imaginationen und Theorien ihrer Thematik beinahe ebenso viel Raum wie der Ereignisgeschichte. Dadurch wird zum Beispiel deutlich, dass der Aufruf Papst Urbans II. in Clermont im November 1095 keineswegs aus heiterem Himmel kam, sondern einen längeren Vorlauf etwa in Form von päpstlichen Freibriefen für Kaperfahrten italienischer Seestädte gegen ihre nordafrikanischen Konkurrenten hatte. Auch der Begriff, mit dem Eroberung und Raub zur christlichen Mission umgedeutet wurden, ist nicht mittelalterlichen, sondern frühneuzeitlichen Ursprungs. Seinerzeit sprach man von "officium", "servitium" oder auch "negotium crucis", wenn man bewaffnete Wallfahrten gegen Ungläubige meinte. Dabei wurde die "crux transmarina", der Aufbruch ins östliche und südliche Mittelmeer, sorgfältig von der "crux cismarina" unterschieden, dem innerchristlichen Kampf gegen Ketzer und andere Widersacher des Papstes. Erst später, als sich nach dem Verlust des Heiligen Landes der europäische Expansionsdrang auf die Küstenregionen des Atlantischen und des Indischen Ozeans richtete, kamen "cruciata", "croisade" und "crusade" allenthalben in Schwang.
An der Frage, wie sich das christliche Missionsgebot mit einer kriegerischen Interessenpolitik vereinbaren ließe, hat sich die Geisteselite Europas jahrhundertelang abgearbeitet, von Bernhard von Clairvaux und Nikolaus Cusanus bis zu Gottfried Wilhelm Leibniz, der Ludwig XIV. einen Plan zur Eroberung Ägyptens unterbreitete (den dann Napoleon verwirklichte). Als im neunzehnten Jahrhundert der Glanz der Aufklärung verblasste, kehrte die Ritterromantik mit all ihrem ideologischen Ballast zurück. Kreuzzugsphantasien beflügelten die französische Eroberung von Algier im Jahr 1830 und die Kriege des Zarenreichs gegen die Osmanen. Mit den willkürlichen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg überspannte der westliche Einflussbereich schließlich auch Syrien und Palästina.
In diesem Augenblick erwachte in den Bevölkerungen der neu gegründeten arabischen Staaten und der Mandatsgebiete, die sich um ihre Selbstbestimmung betrogen sahen, das Kreuzzugsnarrativ nach sechshundertjährigem Schlummer zu neuem Leben - und mit ihm das Konzept des Dschihad gegen die Feinde Allahs. Bis heute prägen beide das Verhältnis der arabischen Welt zum Westen. Deshalb ist es nachgerade fahrlässig, den Dschihadismus in seinen verschiedenen Ausprägungen als eine "in erster Linie demagogische Position" abzutun, wie Cardini und Musarra es tun. Auch die Kreuzzugsideologie war ein willfähriges Instrument in den Händen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Demagogen. Gleichwohl bestimmte sie das Weltbild von Päpsten, Königen, Zaren und Dichtern und trieb Menschenmassen auf den - meist tödlichen - Weg ins Ungewisse. Der Appell der beiden Historiker, jede der streitenden Parteien möge akzeptieren, "was in der Kultur der anderen akzeptabel ist", wirkt daher angesichts der Gemengelage nach dem 11. September 2001 wie Pfeifen im Wald. Samuel Huntingtons Metapher vom Kampf der Kulturen, in der die Autoren den Inbegriff westlichen Hegemonialdenkens sehen, könnte am Ende doch mehr Beschreibungsqualitäten besitzen, als Cardini und Musarra ihr zutrauen.
Der zweite wichtige Einwand gegen das Buch betrifft einen Punkt, den die Autoren wohl nur teilweise zu verantworten haben. Es geht um die Aufmachung des Bandes. Ungefähr jede zehnte Seite der "Großen Geschichte der Kreuzzüge" ist mit üppigen, oft ganzseitigen Illustrationen bedeckt, darunter Gemälde von Tizian, Vasari und Delacroix, aber auch Bilder der Salonmaler des neunzehnten Jahrhunderts und Grafiken von Gustave Doré. Dieses Anschauungsmaterial wird aber nicht etwa in der Reihenfolge seiner Entstehung ausgebreitet, sondern als visuelle Unterlage für historische Personen und Ereignisse verwendet, sodass wir Gottfried von Bouillon und Balduin von Jerusalem durch den Pinsel der Historienmaler der Salles des Croisades in Versailles, Friedrich Barbarossa in der Version des Nazareners Christian Siedentopf und die osmanische Eroberung von Konstantinopel in der Fassung des Italieners Fausto Zonaro kennenlernen.
Eine seriöse Bebilderungsstrategie für historische Darstellungen sieht anders aus. Die Kreuzzüge waren als mentalitätsgeschichtliches Ereignis ungleich bedeutender denn als reales Geschehen: Sie kosteten das Leben von Hunderttausenden und bewegten die Phantasie von Abermillionen. Auch darüber hätte man anhand von Bildzeugnissen nachdenken können. Dieses Buch tut es nicht. Stattdessen verwendet es Bilder als beliebige Verpackungsmittel für seine Inhalte. Damit wird es weder der Geschichte gerecht noch der Kunst, in der sie sich spiegelt. ANDREAS KILB
Franco Cardini, Antonio Musarra: "Die große Geschichte der Kreuzzüge". Von den Soldaten Christi bis zum Dschihad.
Von den Soldaten bis zum Dschihad. Aus dem Italienischen von Victoria Lorini und Rita Seuß. wbg/Theiss, Darmstadt 2022. 600 S., 185 Abb., geb., 48,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Kilb wird nicht glücklich mit der Geschichte der Kreuzzüge, wie die Mittelalterhistoriker Franco Cardini und Antonio Musarra sie nachzeichnen. Abgesehen von der erweiterten Perspektive auf den "Kreuzzuggedanken", den die Autoren laut Kilb bis ins 20. Jahrhundert verfolgen und den sie auch aus zeitgenössischen Quellen betrachten, versäumt es das Buch laut Kilb weitgehend, eine arabische Sicht auf das Thema zu präsentieren. Dass Cardini und Musarra den Dschihadismus als "demagogische Position" brandmarken und dabei außer acht lassen, dass auch die Kreuzzüge ein Instrument von Demagogen waren, gefällt Kilb zudem überhaupt nicht. Was die Aufmachung des Bandes betrifft, gibt Kilb schließlich zu bedenken, dass eine historisch willkürliche Bebilderung wie im vorliegenden Fall der Geschichte gewiss nicht gerecht wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die 'Große Geschichte der Kreuzzüge' ist eine wunderbar lesbare, reich bebilderte Gesamtdarstellung, die gleich in zweifacher Hinsicht eine ungewöhnliche, reizvolle Perspektive auf die Kreuzzüge eröffnet. Zum einen ist ihre zeitliche Spannweite außergewöhnlich: Sie reicht von den Anfängen dieser Bewegung vor über 1000 Jahren bis zu der mit religiösen Argumenten legitimierten Gewalt unserer Zeit. Die meisten Darstellungen der Kreuzzüge enden mit dem Untergang der sogenannten 'Kreuzfahrerstaaten' Ende des 13. Jahrhunderts, oder bestenfalls mit den Kämpfen christlicher Mächte gegen die Osmanen im 15. Jahrhundert. Hier wird nicht nur die spätere, nachmittelalterliche Geschichte religiös konnotierter militärischer Konflikte erzählt, sondern auch die Abwandlung der Kreuzesideologie in West und Ost. Zum anderen ist der Blickwinkel auf diese lange Geschichte ein ganz und gar mediterraner - das Mittelmeer steht im Zentrum dieses Buches, ganz wie man es von einem Werk zweier so bedeutender italienischer Mittelalterhistoriker erwarten darf! Endlich eine Darstellung, welche die Bedeutung der italienischen Seestädte an kriegerischen Auseinandersetzungen, aber auch am friedlichen Austausch mit der islamischen Welt gebührend herausstellt.« Prof. Dr. Nikolas Jaspert, Universität Heidelberg »Ein großartiger Band, reich an Illustrationen und mit einer hervorragend erzählten Darstellung, die bis in die heutige Zeit reicht.« La Lettura »...das Standardwerk zu einem der Zentralthemen der Geschichte!« Medien-Info »Ihr Ziel, damit Missverständnissen vorzubeugen ... verdient höchste Anerkennung. Umso mehr ist zu hoffen, dass ihr Buch eine breite Rezeption erfährt.« DAMALS »... ein zeitlich wie räumlich umfassendes Gesamtbild dieses zentralen Geschichtsthemas ...« Militär & Geschichte