30,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Der Frieden, den keiner wollte: Der Versailler Vertrag und seine Folgen
Der Versailler Vertrag hat die Welt geprägt bis heute - alte Reiche versanken, moderne Nationalstaaten erwachten, es entflammten aber auch neue Konflikte, ob auf dem Balkan oder im Nahen Osten. Dabei waren 1919 die Hoffnungen der ganzen Welt darauf gerichtet, dass nach dem Großen Krieg eine stabile Ordnung geschaffen und dauerhafter Friede herrschen würde. Doch wie Eckart Conze in seinem glänzend geschriebenen und minutiös recherchierten Buch zeigt, erwiesen sich alle Hoffnungen als gewaltige Illusion. Denn weder die…mehr

Produktbeschreibung
Der Frieden, den keiner wollte: Der Versailler Vertrag und seine Folgen

Der Versailler Vertrag hat die Welt geprägt bis heute - alte Reiche versanken, moderne Nationalstaaten erwachten, es entflammten aber auch neue Konflikte, ob auf dem Balkan oder im Nahen Osten. Dabei waren 1919 die Hoffnungen der ganzen Welt darauf gerichtet, dass nach dem Großen Krieg eine stabile Ordnung geschaffen und dauerhafter Friede herrschen würde. Doch wie Eckart Conze in seinem glänzend geschriebenen und minutiös recherchierten Buch zeigt, erwiesen sich alle Hoffnungen als gewaltige Illusion. Denn weder die alliierten Sieger noch das geschlagene Deutschland und die anderen Verlierer waren bereit, wirklich Frieden zu machen. Auf allen Seiten ging auch nach dem Waffenstillstand der Krieg in den Köpfen weiter, mit verheerenden Folgen. Versailles - das war der Frieden, den keiner wollte.

Ausstattung: mit Abbildungen
Autorenporträt
Eckart Conze, geboren 1963, ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Marburg. Von ihm zuletzt erschienen: "Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik von 1949 bis in die Gegenwart" (2009) und "Das Amt und die Vergangenheit. Deutschen Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik" (mit N. Frei, P. Hayes und M. Zimmermann, 2010).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2018

Die Zivilisation ließ sich leicht beschwören

Als die hochgehaltenen westlichen Werte ihre Prüfung nicht bestanden: Jörn Leonhard und Eckart Conze über Versailles und die Nachkriegsordnung.

Von Stephan Speicher

Das werde der Krieg sein, der dem Krieg ein Ende setze, schrieb H. G. Wells im August 1914. Vier Jahre später, im November 1918, gerade erst war der Waffenstillstand unterzeichnet, sah Siegfried Sassoon, hochdekorierter Offizier und Schriftsteller wie Wells, einen Frieden voraus, der dem Frieden ein Ende setze. Sassoon kam der Wahrheit näher. Die Ordnung, die die Sieger des Ersten Weltkriegs setzten und für die Versailles den Namen abgibt, weckte Grimm und Rachegelüste und trug zur Entstehung des nächsten Krieges bei.

Zwei anspruchsvolle Darstellungen zur Friedensordnung von 1919 erscheinen dieser Tage: "Die große Illusion. Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt" des Marburger Historikers Eckart Conze und "Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918 - 1923" seines Freiburger Kollegen Jörn Leonhard. Beide Autoren sind sich einig, dass die Friedensschlüsse unklug waren und demütigend wirken mussten, dass sie aber nicht zwingend den Aufstieg Hitlers zur Folge hatten. Doch wenn der Weg von Versailles zum Zweiten Weltkrieg nicht determiniert war, gab es nicht einen Determinismus, der zu Versailles und den anderen Vorortverträgen führte? Der Handlungsspielraum 1919 war jedenfalls verzweifelt eng.

Der Krieg hatte ungeheure Opfer gefordert und war zur Rechtfertigung dieser Opfer in neuer Weise moralisch aufgeladen worden, zum Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei der Mittelmächte. Die Forderung des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson nach einem "Frieden ohne Sieg" im Herbst 1917 traf auf taube Ohren. Deutschland wie Frankreich und Großbritannien hofften auf den Sieg und mit dem Sieg auf einen Frieden, der dem Tod so vieler ihrer Soldaten einen Sinn geben würde. Und als der Krieg dann sein Ende fand, waren die Voraussetzungen für eine vernünftige Einigung ruiniert.

Es ist schockierend, wie früh die Zeitgenossen im sich abzeichnenden Frieden den Beginn neuer Feindseligkeiten erkannten. Gerade die Briten sahen das scharf, hatten es allerdings auch leichter, klug zu sein. Ihre Kriegsverluste waren geringer und ihr Kriegsziel, das Ende der überseeischen Ansprüche Deutschlands, rasch erreicht. Frankreich steckte in anderen Nöten. Die Angst vor dem Nachbarn blieb, auch weil Deutschland über die größere Bevölkerung und die höhere Reproduktionsrate verfügte. Das demographische Argument spielte für Frankreich eine wichtige Rolle. Dem Idealismus Wilsons, der mit dem Völkerbund eine Welt des Friedens aufbauen wollte, misstrauten die Franzosen. So bestanden sie darauf, sich vor den Deutschen mit einem strengen Friedensvertrag zu schützen. Was Frankreichs Ministerpräsident Clemenceau zuletzt durchsetzte, das war die zurückhaltendste Variante, die politisch denkbar war; Staatspräsident Poincaré und Marschall Foch als militärischer Kopf des Landes hatten versucht, Deutschland bis zum Rhein zurückzudrängen.

Dass Großbritannien und die Vereinigten Staaten das Friedensproblem anders sahen, sorgte für eine gewisse Abschwächung der französischen Ziele. Dafür handelte man sich ein anderes Problem ein. Die Spannungen zwischen den Siegern wuchsen zwischenzeitlich so sehr, dass man es nicht mehr wagte, mit den Gegnern in förmliche Verhandlungen einzutreten; zu leicht hätten dies die Kriegskoalition sprengen können. Die Sieger handelten also die Friedensbedingungen unter sich aus und legten sie den Besiegten zur Annahme vor; Veränderungen waren nur noch in geringstem Umfang möglich. Was polemisch, aber nicht ganz unzutreffend ein "Diktatfrieden" genannt wurde, verdankte sich der Schwäche der Sieger.

Auch wenn Conze und Leonhard sich in der Bewertung der Friedenspolitik nicht sehr unterscheiden, haben sie höchst unterschiedliche Bücher vorgelegt. Conze gibt eine gut geschriebene, vergleichsweise streng zusammengefasste Darstellung, deren Schwerpunkt auf Deutschland und Europa liegt. Dass es auch außereuropäische Aspekte gibt, bleibt nicht unerwähnt, spielt aber eine eher ergänzende Rolle. Leonhard dagegen zielt auf eine Weltgeschichte der Jahre 1918 bis 1923 und nimmt sich dafür auch reichlich Platz. Gelegentlich geht dem Autor in der Fülle auch der Überblick verloren. Es kommt zu Wiederholungen, manchmal lässt er den Faden fallen, obwohl an dessen Ende ein interessantes Problemknäuel wartet. Aber das kann alles nicht die Bewunderung schmälern für den Reichtum, der hier ausgebreitet wird. Wer sich für einen Moment etwas mehr Disziplin wünscht, sollte an die Bemerkung Brechts denken: "Ordnung ist heutzutage meist dort, wo nichts ist. Es ist eine Mangelerscheinung."

Bei Leonhard tritt hervor, in welchem Maße die Entente die Kräfte ihrer Kolonien ausbeutete. China sandte 140 000 Männer für Hilfsarbeiten nach Europa, Truppen wurden in Indien und ganz Afrika angeworben. Wer Soldaten zur Verfügung stellte, erhob nicht gleich Anspruch auf volle Unabhängigkeit, aber auf größere Selbständigkeit und Respekt. Doch mussten die farbigen Soldaten erleben, dass ihnen in Frankreich und England gleich nach dem Waffenstillstand Rassismus entgegenschlug.

Das war umso bitterer, als die ganze Welt auf jene neue Ordnung hoffte, die Woodrow Wilson ausgemalt hatte. Ende 1918 reiste er nach Europa, und Stefan Zweig hörte, wie "die Straßen aller Städten dröhnten vor Jubel, um Wilson als den Heilsbringer der Erde zu empfangen". Das ging rund um die Erde bis nach Afrika und China. Wilson war zum ersten Weltstar der Politik geworden, ein Ergebnis auch ausgefeilten Marketings. Doch die Alliierten wollte sich seinen Idealen nicht fügen. Briten und Franzosen hatten im Krieg gleichfalls Menschheit und Zivilisation beschworen, wenn auch nicht so schwungvoll wie Wilson, aber als Sieger verfolgten sie ihre nationalen Eigeninteressen weiter, nicht anders Italien.

Wer sich dem Kampf gegen die Mittelmächte angeschlossen hatte, war oft genug mit geheimen Zusagen geködert worden, die zu Wilsons Politik nicht passten, nicht zum Prinzip der Selbstbestimmung, so vage der Begriff geblieben war, und auch nicht zum Anspruch, die alte Geheimdiplomatie, den "Völkerschacher", hinter sich zu lassen. Die Probleme reichten von der Saar bis nach Korea. Frankreich und Großbritannien teilten sich gegen die Erwartungen, die sie in der arabischen Welt geweckt hatten, die Peripherie des Osmanischen Reiches, Syrien und Irak, und brachten dort Minderheiten gegen die Mehrheiten in Stellung; die Folgen wirken bis heute.

China musste erleben, dass die ehedem deutschen Gebiete gegen alle Proteste nun auf Japan, den Alliierten der Entente, übertragen wurden. Die Enttäuschung war ungeheuer. Ein chinesischer Intellektueller schrieb über die Erfahrung mit Europa und den Vereinigten Staaten: "Von dreihundert Jahren evolutionären Fortschritts sind nur vier Wörter geblieben: Egoismus, Zerstörung, Schamlosigkeit und Korruption." So zeigt der globale Blick, dass die Empörung über die Versailler Ordnung mehr war als ein deutsches Spezifikum. Der Westen hatte neue, universelle Werte formuliert, doch als er für sie in Anspruch genommen wurde, da sollten wieder die alten Gewohnheiten gelten. Dabei steckte, wie Leonhard zeigt, viel Modernes, Zukunftsweisendes in den Versuchen von 1919. Die Wissenschaft mischt sich ein, die Delegation der Vereinigten Staaten zählt allein 17 Kartographen, die Verträge werden detailliert ausgearbeitet.

Doch bald erlahmt der Eifer. Zuletzt werden Grenzen und Völker mit leichter Hand über die Geographie verteilt. Neu ist auch das Ende der Affektkontrolle, die einmal ein Grundprinzip der Außenpolitik gewesen war. Die Leidenschaften der Bevölkerungen werden durch die Presse mobilisiert und setzen die Politiker unter Druck. Das Ideal des ethnisch homogenen Nationalstaats wird als natürlicher Ausdruck der Demokratie durchgesetzt. Aber im Osten Europas kann es ihn kaum geben, die neuen Staaten übernehmen auf reduziertem Territorium die alten Probleme. Um ihnen abzuhelfen, kommt es zu Bevölkerungsverschiebungen großen Ausmaßes; das unselige Muster gibt die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei ab.

So folgt auf die Katastrophe des Krieges die Enttäuschung des Nachkrieges. Die Eliten der kolonisierten Länder wenden sich von den europäischen Mächten ab. Die kommende Orientierung an der Sowjetunion folgt weniger der Begeisterung für den Kommunismus als der Enttäuschung über die rüde Interessenpolitik Europas und der Vereinigten Staaten. Deren Beurteilung aber folgt den Maßstäben, die dort entwickelt wurden. Idealismus und kalte Interessenpolitik wirken gleichermaßen zersetzend. Mit den Folgen des überforderten Friedens quälen wir uns bis heute. Wer Leonhards monumentales Buch liest, sieht schärfer, in welcher Welt wir zu leben haben.

Jörn Leonhard: "Der überforderte Frieden". Versailles und die Welt 1918 - 1923.

C. H. Beck Verlag, München 2018. 1536 S., Abb., geb, 39,95 [Euro].

Eckart Conze: "Die große Illusion". Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt.

Siedler Verlag, München 2018.

560 S., Abb., geb., 30,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bei den Versailler Verhandlungen richteten sich die meisten Hoffnungen auf den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Nicht nur weil er als großer Sieger aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen ist, sondern weil der fromme Christ zuvor das Selbstbestimmungsrecht der Völker proklamiert hatte. Der Marburger Historiker Eckart Conze untersucht in seinem Buch die Folgen dieser Proklamation, von der die realpolitisch gesinnte Rezensentin Franziska Augstein eh nie viel gehalten ist. Laut Conze beschränkten sich Wilsons Vorstellungen auf die europäischen Völker, aber plötzlich reisten auch afrikanische und asiatische Delegationen nach Paris, die Vietnamesen kam mit Ho Chi Minh an der Spitze. Man ließ sie alle abblitzen. Augstein findet Conzes Überlegungen richtig und nachvollziehbar. Die große Illusion im Titel seines Buches bezieht Conze übrigens auf die Vorstellung, dass Demokratisierung und Nationalisierung den Frieden in Europa sicherer machen würden. Aber ob das das Ziel von Demokratisierung sei, sagt er nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine beachtliche Leistung, die noch mehr Glanz erhält, weil Conze sich nicht vor dem Erzählen scheut.« SWR 2 Lesenswert